Ein halbes Jahr ist es her, seit die Stimmbevölkerung der Trinkwasser- und der Pestizid-Initiative eine Abfuhr erteilt hat. Nun sorgt unter den Bäuerinnen und Bauern bereits das nächste Volksbegehren für Nervosität.
Diese Woche steht im Nationalrat die Massentierhaltungs-Initiative auf dem Programm. Ihre Annahme würde die Landwirtschaft umpflügen: Die industrielle Tierhaltung von Nutztieren soll verboten werden, und innerhalb von 25 Jahren müssten die Bauern ihre Tierhaltung auf Bio-Standards umstellen. Vergleichbare Vorschriften würden auch für importierte Lebensmittel gelten.
1800 Franken mehr pro Jahr
Die Initiative hätte nicht nur für die Bauernbetriebe Konsequenzen, sondern würde sich auch im Portemonnaie der Konsumentinnen und Konsumenten niederschlagen. Der Schweizer Bauernverband (SBV) warnt vor Mehrkosten von im Schnitt rund 25 Prozent für Lebensmittel wie Käse, Joghurt, Fleisch und Eier, wobei es den grössten Preissprung bei Fleisch (+45%) und Milchprodukten (+35%) gäbe. Gemäss der SBV-Schätzung würden Haushalte 150 Franken pro Monat mehr bezahlen – macht 1800 Franken im Jahr.
Die Berechnungen liegen Blick vor. Der Bauernverband geht davon aus, dass sämtliche tierische Lebensmittel künftig so viel kosten würden wie die Bio-Variante heute – und es bei den importierten Lebensmitteln dieselbe Preiserhöhung gäbe. Mit eingerechnet sind auch die Kosten für die Verpflegung auswärts, zum Beispiel in der Kantine oder im Restaurant.
Am happigsten wäre der Preisaufschlag beim Poulet. Das 200-grämmige Pouletbrüstli würde gemäss SBV fast doppelt so teuer – rund 11 statt 6 Franken. «Bei Hühnern ist der Unterschied zwischen konventioneller und Bio-Tierhaltung am grössten», sagt Bauernverbandspräsident Markus Ritter (54, Mitte), der selber einen Bio-Hof führt. Während bei der konventionellen Tierhaltung maximal 18'000 Legehennen pro Betrieb gehalten werden dürfen, sind es bei Biohöfen höchstens 4000 – aufgeteilt auf zwei Ställe mit maximal 2000 Hühnern. Bei Mastpoulets sind die Unterschiede noch grösser.
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«Heute ist Fleisch einfach zu billig»
18'000 Hühner in einem Stall – für Grünen-Nationalrätin Meret Schneider (29) sind das unhaltbare Zustände. Die Zürcherin ist der Kopf hinter der Massentierhaltungs-Initiative. Sie bestreitet nicht, dass diese zu einer Preiserhöhung führen würde. Doch das ist aus ihrer Sicht nur richtig. «Heute ist Fleisch einfach zu billig», sagt sie. Zudem verweist die Zürcher Politikerin auf den Fakt, dass die Schweizerinnen und Schweizer im Schnitt dreimal so viel Fleisch essen, wie von Gesundheitsexperten empfohlen wäre. «Und: Ein Drittel aller Lebensmittel wird weggeschmissen!»
Eine Preissteigerung von 25 Prozent, wie der Bauernverband errechnet hat, hält Schneider aber für ein übertriebenes Horrorszenario. Man könne nicht einfach von den heutigen Bio-Preisen ausgehen, sagt sie. Denn einerseits müsste nicht die ganze Landwirtschaft auf Bio umgestellt werden, sondern nur die Tierhaltung. «Das Futter beispielsweise müsste nicht Bio-Standards entsprechen», gibt Schneider zu bedenken. «Ausserdem sind Bio-Produkte heute auch primär deshalb so teuer, weil die Marge der Detailhändler überproportional hoch ist.»
Bauernverbandspräsident Markus Ritter rechnet mit einer langen und heftigen Debatte am Dienstag und Mittwoch. Denn gehts um das, was auf den Teller kommt, wirds rasch emotional – das gilt auch in der Politik.
Grosser Streitpunkt im Nationalrat wird die Frage sein, ob es einen Gegenvorschlag zur Massentierhaltungs-Initiative geben soll. Der Bundesrat möchte der Initiative einen direkten Gegenvorschlag gegenüberstellen. Dieser will – wie die Initiative – Tierwohl-Kriterien in die Verfassung aufnehmen. Diese sollen aber weniger weit gehen, als die Initianten es fordern.
Doch die Wirtschaftskommission des Nationalrats will weder von der Initiative noch vom Gegenvorschlag etwas wissen. Sie empfiehlt dem Rat, die Initiative ohne Gegenvorschlag vors Volk zu bringen. Und das, obwohl eine Mehrheit der Kantone hinter dem Bundesratsvorschlag stand.
Ein wichtiger Grund für den Widerstand ist ein Bericht, der im Frühling veröffentlicht wurde. Er kommt zum Schluss, dass der Gegenvorschlag der Umwelt mehr schaden als nützen würde: Die Ammoniak-Emissionen würden – weil die Rinder mehr Auslauf hätten – um 2 Prozent zunehmen.
Damit ist der Bundesratsvorschlag vom Tisch. Nicht mal mehr die Landesregierung selbst soll von ihm überzeugt sein, heisst es. Das Parlament hätte nun noch die Möglichkeit, selbst einen Gegenvorschlag zu zimmern. Dass es dafür eine Mehrheit gibt, ist allerdings unwahrscheinlich. In der Kommission ist Grünen-Nationalrat und Landwirt Kilian Baumann mit der Forderung bereits gescheitert.
An die Urne kommt die Initiative frühestens im Herbst 2022. Lea Hartmann
Bauernverbandspräsident Markus Ritter rechnet mit einer langen und heftigen Debatte am Dienstag und Mittwoch. Denn gehts um das, was auf den Teller kommt, wirds rasch emotional – das gilt auch in der Politik.
Grosser Streitpunkt im Nationalrat wird die Frage sein, ob es einen Gegenvorschlag zur Massentierhaltungs-Initiative geben soll. Der Bundesrat möchte der Initiative einen direkten Gegenvorschlag gegenüberstellen. Dieser will – wie die Initiative – Tierwohl-Kriterien in die Verfassung aufnehmen. Diese sollen aber weniger weit gehen, als die Initianten es fordern.
Doch die Wirtschaftskommission des Nationalrats will weder von der Initiative noch vom Gegenvorschlag etwas wissen. Sie empfiehlt dem Rat, die Initiative ohne Gegenvorschlag vors Volk zu bringen. Und das, obwohl eine Mehrheit der Kantone hinter dem Bundesratsvorschlag stand.
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Damit ist der Bundesratsvorschlag vom Tisch. Nicht mal mehr die Landesregierung selbst soll von ihm überzeugt sein, heisst es. Das Parlament hätte nun noch die Möglichkeit, selbst einen Gegenvorschlag zu zimmern. Dass es dafür eine Mehrheit gibt, ist allerdings unwahrscheinlich. In der Kommission ist Grünen-Nationalrat und Landwirt Kilian Baumann mit der Forderung bereits gescheitert.
An die Urne kommt die Initiative frühestens im Herbst 2022. Lea Hartmann
Auch Bundesrat rechnet mit Mehrkosten
Fest steht: Genau lässt sich die Frage, wie viel die Initiative die Konsumenten kostet, erst nach der Abstimmung beantworten. Denn es käme ganz auf die Umsetzung der Verfassungsänderung an. Auch der Bundesrat hat in seiner Botschaft zuhanden des Parlaments eine Kostenschätzung gemacht. Er rechnet damit, dass die Produktionskosten von Milchprodukten, Fleisch und Eier je nach Szenario um 5 bis 20 Prozent steigen würden. Würden die Mehrkosten vollständig den Konsumenten weitergegeben, wären das 30 bis 120 Franken pro durchschnittlichem Haushalt.
«Diese Mehrausgaben halte ich für realistisch und auch für akzeptabel», sagt Schneider. Bauernvertreter Ritter sieht Letzteres naturgemäss ganz anders. Während die Diskussion im Parlament jetzt erst so richtig losgeht, bereiten sich die Gegner bereits auf den Abstimmungskampf vor. Die Website ist parat, die Spendensammlung für die Kampagne läuft. Wie bei den Pestizid-Vorlagen im Sommer wird der Bauernverband alles geben, um die Initiative zu bodigen.