Der Schimpanse drückt einen Knopf und ein dünner Wasserstrahl schiesst aus einem Loch in der Betonmauer. Ein Jungtier versucht einen Schluck zu erwischen, während daneben Kitoko (18) mit Sohn Sabaki und Adoptivtochter Sangala, beide ein halbes Jahr alt, es sich in ein paar Büscheln Holzwolle gemütlich macht.
Adrian Baumeyer (41) schaut den Affen schmunzelnd beim Spielen zu. Seit knapp zehn Jahren ist der gebürtige Freiburger Kurator im Basler Zoo – und noch immer begeistert es ihn, die Tiere zu beobachten. Auch Michelle Lachenmeier (36), Rechtsanwältin und Grünen-Grossrätin im Kanton Basel-Stadt, fasziniert der Anblick der Menschenaffen. Die Juristin und der studierte Biologe, sie beide wollen das Beste für die Tiere, die hinter der Glasscheibe tollen. Die Frage ist nur: Was ist das?
Affen sollen Recht auf Leben bekommen
Eine Antwort darauf müssen die Baslerinnen und Basler bis zum 13. Februar finden. Dann stimmt der Stadtkanton über die Primaten-Initiative ab. Eine weltweite Premiere: Zum ersten Mal wird an der Urne entschieden, ob Tiere Grundrechte erhalten sollen.
Konkret will die Initiative Schimpansen, Gorillas und allen anderen Primaten das Recht auf Leben sowie geistige und körperliche Unversehrtheit zusprechen. Hinter dem Begehren, das unter anderen von SP und Grünen unterstützt wird, steht der Verein Sentience. Dieser macht sich für Tierrechte stark und hat auch die nationale Initiative für ein Verbot der Massentierhaltung lanciert, die bald zur Abstimmung kommt.
Mit der Primaten-Initiative will man den Schutz derjenigen Tiere stärken, die dem Menschen am nächsten sind. Was sich im Falle eines Ja allerdings wirklich ändern würde, ist umstritten. Nach dreijährigem Rechtsstreit hat das Bundesgericht 2020 entschieden, dass die Initiative zwar gültig ist, aber nur den Kanton und die Gemeinden betrifft. Diese halten allerdings gar keine Primaten. Auch Tierversuche mit Affen werden im Kanton seit 2018 nicht mehr durchgeführt. Die einzigen Primaten, die es in Basel gibt, leben im Zolli und im Tierpark – beides privat geführte Institutionen und darum nicht direkt von der Initiative tangiert.
«Haben keine Zeit, einen Ombudsmann anzuhören»
Michelle Lachenmeier ist trotzdem überzeugt, dass die Initiative den Tieren etwas bringt. «Im Moment werden in Basel zwar keine Affen für Forschungszwecke eingesetzt, doch ohne entsprechendes Gesetz ist nicht garantiert, dass das auch in Zukunft so bleibt», gibt sie zu bedenken, während sie auf einer Bank im Affenhaus sitzt und auf die Schimpansen blickt.
Private wie der Zolli könnten ausserdem indirekt von der Initiative betroffen sein. «Es ist vorstellbar, dass der Kanton beispielsweise eine Ombudsperson einsetzen würde, die für die Wahrung der Grundrechte der Affen zuständig ist», sagt die Juristin. Eine Art Anwältin der Affen, auch wenn Lachenmeier diese Bezeichnung nicht mag. Möglich, dass diese dann bei gewissen Entscheiden – zum Beispiel, wenn ein Affe eingeschläfert werden soll – einbezogen werden müsste.
Für Zoo-Kurator Baumeyer eine unbehagliche Vorstellung. Der Entscheid, ein Tier einzuschläfern, müsse manchmal sehr rasch getroffen werden, sagt er. «Da haben wir keine Zeit, noch einen Ombudsmann für den Affen anzuhören.» Zudem wüssten die Pflegerinnen und Pfleger aufgrund ihrer engen Beziehung zu den Tieren am besten, was gut für sie ist und was nicht. Jemand von aussen könne das nicht beurteilen. Mit den heutigen Gesetzen sind die Affen aus Baumeyers Sicht völlig ausreichend geschützt.
Befürworter wollen ein Zeichen setzen
Die Gegner werfen den Initianten vor, vor allem eine Grundsatzdiskussion führen zu wollen. Was für unmittelbare Folgen es hätte, interessiere sie nicht. Genau jene bereiten dem Zoo-Kurator derweil Sorgen. «Wir fürchten, dass wir gar keine Affen mehr halten könnten», sagt er.
Doch so weit soll es nicht kommen, versichert Lachenmeier. Sie räumt aber ein, dass die Befürworter mit der Initiative vor allem ein Zeichen setzen wollten. In der Hoffnung, dass man eine Debatte in Gang bringt, die über Basel hinaus zu einem Umdenken im Umgang mit Tieren führt – nicht nur mit Kitoko und ihren Kindern, die an diesem Mittag auf der anderen Seite der Glasscheibe gerade in der Holzwolle liegen.