Er ist nun 83 Jahre alt. Viele meinen: Christoph Blocher sagt auch in diesem hohen Alter, wo es in der SVP langgeht. Andere zweifeln, ob der einstige Parteivordenker noch dieselbe Macht hat wie früher. Doch er hat Helfer.
Da ist der politische Ziehsohn Toni Brunner (49). Er ist in vielem das genaue Gegenteil von Blochers Tochter Magdalena Martullo (54). So hat Brunner, obwohl er jünger ist, seine politische Karriere schon hinter sich. Martullo wird zugetraut, dereinst noch Bundesrätin zu werden.
Brunner ist gesellig, Martullo bestimmend. Brunner ist jedem sympathisch, er lacht stets übers ganze Gesicht. Martullo ist respekteinflösend, aber nicht gmögig. Bei ihr weiss man aber, woran man ist. Das kann man bei Brunner nicht immer sagen. Er ist ein Schlitzohr.
Toggenburger Bauer im Bellevue
So mag man denn auch nicht recht glauben, dass Brunner tatsächlich raus ist aus der Politik. In seinem Wohnkanton St. Gallen, so heisst es, ziehe Toni Brunner nach wie vor die Fäden in der SVP.
Und im Berner Hotel Bellevue sehe man den bodenständigen Bauern und Toggenburger Wirt immer mal wieder zusammen mit Christoph Blocher und weiteren Vertrauten. Gemeinsam heckten sie dort die Strategie der SVP aus, sagen Vertreter anderer Parteien.
Kein Wunder hört ganz Bundesbern genau hin, wenn Blocher wieder mal etwas Wichtiges verkündet. In Folge 848 der Videoserie Teleblocher bricht Christoph Blocher ein Tabu: Der als Bundesrat abgewählte Politiker findet es nicht abwegig, einen wilden SP-Kandidaten zum Bundesrat zu wählen.
Eine «Provokation»
Alleine hat die SVP in der Bundesversammlung aber nicht die Kraft, einen Bundesrat zu küren. Sie braucht verbündete. Jedoch: FDP und Mitte-Partei sagen, sie wählten keine amtierende Bundesräte ab.
«In der Politik wird nie so viel gelogen wie bei Bundesratswahlen», sagt Blocher dazu. Doch es wäre schwierig, nach der Wahl eines wilden Kandidaten zu vertreten, das Gegenteil von dem gemacht zu haben, das man zuvor so oft und so deutlich versprochen hat. Übrigens hat auch die SVP mehrfach betont, niemanden abzuwählen und das Ticket der SP zu respektieren.
Nun betont Blocher aber, was schon viele vor ihm gesagt haben: Weder Beat Jans (59) noch Jon Pult (39) vom offiziellen Zweierticket der SP sei wählbar. Blocher bezeichnet das Ticket gar als «Provokation». Wenn Blocher das sagt, hat das ein grösseres Gewicht.
Der SVP-Vordenker Blocher empfiehlt, man solle sich doch an die SP wenden, mit der Bitte, einen dritten Kandidaten zu bringen. Und eben: Selbst ein wilder SP-Kandidat ist kein No-Go mehr. Bei Otto Stich (1927–2012) und Willi Ritschard (1918–1983) habe man das ja auch gemacht. Blocher signalisiert, dass die beiden selbst für die SP nicht die schlechtesten Bundesräte gewesen seien.
Doch nicht «langweilig»?
Mitte-Fraktionschef Philipp Matthias Bregy (45) sagt in der «SonntagsZeitung» zwar ebenfalls, «es kann nicht sein, dass im Falle der Wahl eines wilden Kandidaten gleich eine Staatskrise droht». Doch gleichzeitig stellt er in Aussicht, dass die Bundesratswahlen vom 13. Dezember «total langweilig» würden – also jemand vom SP-Ticket gewählt wird.
Oder doch nicht? Im Mittelpunkt des Geschehens wird bei der «Nacht der langen Messer» am Vorabend der Wahlen wieder das Bellevue stehen. Während sich unten Politbeobachter, eher weniger wichtige Politiker und Journalisten selber feiern, könnten in den oberen Räumlichkeiten bürgerliche Parteistrategen sich von Blocher oder dessen Abgesandten von der Wahl eines wilden Kandidaten überzeugen lassen.
So manch ein Zürcher dürfte sich hier Daniel Jositsch (58) wünschen. Für Blocher scheint Jositsch aber nicht erste Wahl zu sein. Wie Mitte-Präsident Gerhard Pfister (61) will Jositsch in den Augen Blochers einfach zu sehr Bundesrat werden. Das mache ihn verdächtig.
Burkart will in den Bundesrat
Die Parteispitzen um Mitte-Pfister und FDP-Chef Thierry Burkart (48) dürften sich zumindest anhören, was man von Seiten Blochers vorschlägt. Schliesslich will Pfister längerfristig ja einen zweiten Bundesratssitz – und einen davon eben gern selbst bekleiden. Und Burkart möchte den zweiten Sitz möglichst nicht hergeben. Eine schwierige Ausgangslage.
Da wäre es wohl gut, Toni Brunner würde wieder mal im Bellevue für gute Stimmung sorgen.