60 bis 70 Milliarden – so viel wird die Corona-Krise die Schweiz kosten. Das schätzt Finanzminister Ueli Maurer (70): Allein der Bund werde 2020 und 2021 ausserordentliche Schulden im Umfang von 40 Milliarden Franken anhäufen – für Tests und Impfungen, aber auch Härtefallgelder und Kultur-Unterstützung.
Begleichen werden diese 40 Milliarden die Steuerzahler – über Jahrzehnte hinweg. Dieses Mal werden sich die wenigsten dagegen wehren. Doch angesichts der Tatsache, dass gemäss Szenarien des Bundesamts für Bevölkerungsschutz alle 30 bis 50 Jahre mit einer gravierenden Pandemie gerechnet werden muss, stellt sich die Frage: Wird beim nächsten Mal überhaupt noch genügend Geld da sein? Und gebe es keine schlauere Art, solche Risiken zu tragen?
Warum nicht eine Versicherung?
Es gebe zumindest ein traditionellere: eine Versicherung. Und in der Tat wandte sich der Schweizerische Versicherungsverband (SVV) schon vor knapp einem Jahr deswegen an den Bund: Für die nächste Pandemie sollten sich Unternehmen gegen die wirtschaftlichen Folgen versichern lassen.
Für eine Jahresprämie (ab 80 Franken für ein KMU bis hin zu 80'000 Franken für einen Grosskonzern) wären Fixkosten aus Schliessungen und Einschränkungen gedeckt. Ein Teil der Schadenssumme würden aus Prämien bezahlt, der Rest vom Bund.
Wirtschaft sperrt sich gegen Solidarversicherung
Die Idee wurde von einer Arbeitsgruppe geprüft, jetzt aber nicht weiterverfolgt. Grund: In der Wirtschaft gab es Opposition gegenüber einer für alle Unternehmen obligatorischen Solidarversicherung. Diese komme einer zusätzlichen Steuer gleich und könnte den Bundesrat in einer kommenden Pandemie ausserdem zu weitgehenden Einschränkungen der Wirtschaft verleiten, so die Befürchtung.
Auch der Bund selbst meldete Bedenken an. Das Bundesamt für Justiz wies auf die fehlende Verfassungsgrundlage für eine solche Versicherung hin, das Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) fürchtete, dass mit einer solchen Lösung nur die Versicherungsbranche subventioniert würde.
Kritik an schnellem Nein des Bundes
Wenig begeistert von der Wendung ist Matthias Michel (58). «Ich dachte erst an einen Aprilscherz», sagt der Zuger Ständerat. Für ihn habe sich der Bund zu schnell von der Idee verabschiedet – zumal die Arbeitsgruppe selbst eine Weiterverfolgung empfehle. «Natürlich gibt es noch offene Fragen», sagt Michel im Hinblick auf das umstrittene Obligatorium. «Aber diese sollte die Politik klären – und nicht die Verwaltung.»
Für Michel spricht mehr als ein Grund für eine solche Versicherung. Nicht zuletzt auch die Streitereien über die Ad-hoc-Lösungen, die wegen Corona gefunden werden mussten. «All die Fragen, deren Klärung uns Wochen und teils Monate gekostet hat, könnten wir erstens mit einer Versicherung von vornherein klären», ist Michel überzeugt. «Zweitens scheint es mir angemessen, wenn nicht der Steuerzahler sämtliche Risiken trägt. Sondern auch die Unternehmen ihren Teil beitragen.»
Schweiz könnte Vorbild sein
Michel denkt bei der Risikoabsicherung nicht nur an Pandemien, sondern auch an andere Grossrisiken wie europaweite Stromausfälle oder grosse Cyber-Angriffe. «Mir scheint, dass Wirtschaft und Staat hier gemeinsam in die Vorsorge investieren müssen. Beide müssen widerstandsfähiger in Krisen werden», so Michel. «Die Schweiz ist extrem stark im Versicherungsbereich, insbesondere in den Rückversicherungen. Wer, wenn nicht wir, sollte eine Lösung zimmern, die international zum Vorbild taugt?»
Ganz die Tür verschliessen will Maurers Finanzdepartement denn auch nicht. Man bleibe mit der Versicherungsbranche in Kontakt, heisst es. Diese hat bereits angekündigt, aktiv zu bleiben.