Ihr Kinderlein kommet! Vor einem halben Jahr ist das Gründen einer Familie für Frauenpaare einfacher geworden. Die Ehe für alle trat in Kraft – und gleichzeitig wurde die Samenspende für lesbische Ehepaare legalisiert.
Grosser Ansturm auf Samenspende
Bei den Fruchtbarkeitskliniken stiegen die Anfragen schon im Vorfeld. «Dass aber so viele gleich den Entscheid fällen, hat uns überrascht», sagt Dr. Peter Fehr von der OVA IVF Clinic Zürich. Der Ansturm in den vergangenen Monaten war so gross, dass die Spenderspermien knapp geworden seien. Sie hätten in der Zwischenzeit deutlich mehr neue Samenspender suchen müssen als in früheren Jahren, so Fehr.
Einerseits wegen der grossen Nachfrage von gleichgeschlechtlichen Paaren, andererseits auch wegen der Ansprüche dieser Ehepaare, erklärt der Arzt. Ungefähr die Hälfte der lesbischen Paare habe den Wunsch, dass beide Frauen vom gleichen Spender ein Kind bekommen.
Andere Ansprüche
Für die Klinik ist das logistisch kompliziert. Denn es gelten strenge Vorschriften: «Von einem Spender dürfen maximal acht Kinder geboren werden. Zudem sind die Spenden nur für fünf Jahre freigegeben. Ein Spender darf zwar verlängern, doch viele entscheiden sich dagegen.»
Was bei lesbischen Paaren aber nicht vorgeschrieben ist: das sogenannte «Matching». Bei heterosexuellen Paaren muss ein Spender gewählt werden, der die gleiche Haarfarbe, Augenfarbe, Statur und Blutgruppe wie der Vater hat.
Heterosexuelle Paare überholt
Gleichgeschlechtliche Paare können wünschen, welche Merkmale der Spender haben soll. Am Ende entscheidet jedoch die Klinik. «Da müssen uns die Paare vertrauen», sagt Fehr. Wer wählen oder sogar ein Bild des Spenders sehen, dessen Beruf und Bildungsniveau kennen will, muss weiterhin ins Ausland.
Auch bei Fertisuisse in Olten ist die Nachfrage gross. Zwar machten lesbische Paare erst fünf bis zehn Prozent aller Inseminationen aus, doch die Tendenz sei steigend, sagt Dr. Anna Raggi (49), Verantwortliche für Samenspende in der Klinik. «Bei den Inseminationen mit einer Samenspende haben gleichgeschlechtliche die heterosexuellen Paare, bei denen eine männliche Sterilität besteht, sogar überholt.»
Aus Partnerschaft wird Ehe
Auch auf manch einem Standesamt hatten die Beamtinnen und Beamten in den vergangenen sechs Monaten mehr zu tun als sonst. Gleich nach der Änderung sei die Anfrage merklich höher gewesen als üblich, heisst es bei den angefragten Behörden. Mit der Ehe für alle können Paare ihre eingetragene Partnerschaften in eine Ehe umwandeln. Diese Möglichkeit nutzten einige, wenn auch bei weitem nicht alle Paare.
Von 1400 eingetragenen Partnerschaften in der Stadt Zürich haben sich nur rund 250 Paare für den Schritt entschieden – das entspricht weniger als einem Fünftel. In Basel haben bislang 93 Paare ihre eingetragene Partnerschaft in eine Ehe umgewandelt, in Luzern 37 und in St. Gallen 26.
Viele Hochzeiten in St. Gallen und Luzern
In Zürich haben rund 50 schwule oder lesbische Paare neu geheiratet, das entspricht den eingetragenen Partnerschaften, die in der gleichen Zeitspanne eingegangen wurden. Anders in Luzern: Da gingen seit Sommer so viele gleichgeschlechtliche Paare aufs Standesamt wie zuvor im ganzen Jahr. Und in St. Gallen haben sich im ersten halben Jahr fast doppelt so viele Paare das Jawort gegeben, wie zuvor in einem Jahr eingetragene Partnerschaften geschlossen wurden.
Was die Ehe für alle auch ermöglicht: Schwule und lesbische Paare dürfen jetzt Kinder adoptieren und profitieren von der erleichterten Einbürgerung für Ehepartner. Dazu gibt es noch keine Zahlen. Der Adoptionsprozess geht meist länger als ein halbes Jahr. Die erleichterten Einbürgerungen von gleichgeschlechtlichen Paaren wiederum werden nicht separat erfasst.