Der Bund arbeitet an einem Corona-Notfallplan
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Kommt er zu spät?Der Bund arbeitet an einem Corona-Notfallplan

Wie die Virus-Variante die Pandemiepolitik des Bundesrats an die Wand fährt
Omikron ändert alles

Omikron fährt die Pandemiepolitik des Bundes an die Wand. Die Schweiz steht jetzt nicht mehr nur vor einer gesundheitspolitischen Zerreissprobe. Allmählich wird auch die Versorgung knapp.
Publiziert: 08.01.2022 um 23:22 Uhr
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Aktualisiert: 09.01.2022 um 12:57 Uhr
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Omikron hat das Zepter übernommen: Weltweit werden die Spielregeln für den Umgang mit dem Virus neu definiert.
Foto: keystone-sda.ch
Sven Zaugg

Harte Lockdowns, intensives Testen oder strenge Kontakt- und Einreiseverbote – die hochansteckende Omikron-Variante hat die herkömmlichen Strategien zur Pandemiebekämpfung ausgehebelt. Weltweit werden die Spielregeln für den Umgang mit dem Virus neu definiert.

Experten für Abbau der Schutzmassnahmen

Cornel Fraefel, Leiter des Virologischen Instituts der Uni Zürich, sagt es so: «Auch mit noch strengeren Massnahmen wird man eine Durchseuchung nicht aufhalten können, höchstens hinauszögern.» Sogar das Impfwunder Israel versucht nicht mehr, gegen Corona zu kämpfen, sondern Omikron in den Alltag zu integrieren. Kann das gelingen? Sieht so das Ende der Pandemie aus?

Klaus Stöhr sieht Hoffnung: «Die Variante läutet den Übergang zur Endemie ein», so der deutsche Epidemiologe am Samstag im Blick. Zwar dürfe man nicht einfach alle Schutzmassnamen aufheben. «Wir sollten aber eine schrittweise Deeskalation einleiten, gezielt Massnahmen zurücknehmen und dann schauen, wie sich die Situation entwickelt.»

Hans Pargger, Leiter Intensivstation Unispital Basel

«Booster, Maske, Abstand»

«Heute sind über ein Drittel der Intensivbetten mit Covid-Patienten belegt. In ‹normalen› Zeiten, zwischen den Corona-Wellen, liegen dort Patienten nach Herz-, Lungen-, Hirn- und anderen Interventionen oder Operationen. Die zusätzlichen Covid-Patienten können nur behandelt werden, weil man die Zahl der anderen Patienten reduziert hat. Für eine gewisse Zeit geht das ohne schlimme Folgen. Aber jetzt stehen so viele Neu-infizierte vor der Türe wie noch nie seit Beginn der Pandemie. Tun Sie sich einen Gefallen im neuen Jahr: Werden Sie nicht jetzt krank. Es ist ein schlechter Zeitpunkt. Wie Sie es machen, ist egal: Booster, Maske, Abstand wirken sehr gut. Sie können sich auch verkriechen. Sie entscheiden, Sie tragen die Verantwortung für sich und die Konsequenzen zu 100 Prozent.»

«Booster, Maske, Abstand»

«Heute sind über ein Drittel der Intensivbetten mit Covid-Patienten belegt. In ‹normalen› Zeiten, zwischen den Corona-Wellen, liegen dort Patienten nach Herz-, Lungen-, Hirn- und anderen Interventionen oder Operationen. Die zusätzlichen Covid-Patienten können nur behandelt werden, weil man die Zahl der anderen Patienten reduziert hat. Für eine gewisse Zeit geht das ohne schlimme Folgen. Aber jetzt stehen so viele Neu-infizierte vor der Türe wie noch nie seit Beginn der Pandemie. Tun Sie sich einen Gefallen im neuen Jahr: Werden Sie nicht jetzt krank. Es ist ein schlechter Zeitpunkt. Wie Sie es machen, ist egal: Booster, Maske, Abstand wirken sehr gut. Sie können sich auch verkriechen. Sie entscheiden, Sie tragen die Verantwortung für sich und die Konsequenzen zu 100 Prozent.»

Cornel Fraefel, Leiter Virologisches Institut Uni Zürich

«Rasend schnell»

«Weil das Virus trotz Gegenmassnahmen zirkulieren kann, werden Geimpfte und Ungeimpfte früher oder später zu Genesenen. Denn die Omikron-Variante verbreitet sich rasend schnell. Die Impfung vermittelt aber eine gute Immunantwort gegen das Spike-Protein des Sars-CoV-2 und ist somit hauptverantwortlich für milde oder unbemerkte Infektionsverläufe. Tatsächlich haben Personen, die sowohl geimpft als auch genesen sind, einen besonders guten Schutz, auch gegen neue Varianten. Es gibt zwar Anhaltspunkte, aber keine Gewissheit, dass Omikron weniger gefährlich ist als seine Vorgänger. Eine Impfung vor einer Genesung lohnt sich aber auf jeden Fall, um das Risiko für einen schweren Verlauf zu verkleinern. Auch mit noch strengeren Massnahmen wird man eine Durchseuchung nicht aufhalten können.»

«Rasend schnell»

«Weil das Virus trotz Gegenmassnahmen zirkulieren kann, werden Geimpfte und Ungeimpfte früher oder später zu Genesenen. Denn die Omikron-Variante verbreitet sich rasend schnell. Die Impfung vermittelt aber eine gute Immunantwort gegen das Spike-Protein des Sars-CoV-2 und ist somit hauptverantwortlich für milde oder unbemerkte Infektionsverläufe. Tatsächlich haben Personen, die sowohl geimpft als auch genesen sind, einen besonders guten Schutz, auch gegen neue Varianten. Es gibt zwar Anhaltspunkte, aber keine Gewissheit, dass Omikron weniger gefährlich ist als seine Vorgänger. Eine Impfung vor einer Genesung lohnt sich aber auf jeden Fall, um das Risiko für einen schweren Verlauf zu verkleinern. Auch mit noch strengeren Massnahmen wird man eine Durchseuchung nicht aufhalten können.»

Dominique Braun, Infektiologe Unispital Zürich

«Keine Wunderwaffe»

«Leider war bisher kein einziges der erforschten Medikamente die erhoffte Wunderwaffe gegen das Virus. Die Erforschung neuer Medikamente muss darum weitergehen. Diese Studien sind aber aufwendig und kosten viel. Für viele Firmen wird es sich nicht mehr lohnen, hier zu investieren. Mittlerweile haben wir aber Medikamente, die schwere Verläufe verhindern können, wenn man sie zum richtigen Zeitpunkt einsetzt. Das benötigt viel Erfahrung, Organisation und Entscheidungsfreude. Insbesondere Dexamethason, ein billiges Cortisolpräparat, war hier der grosse Durchbruch. Momentan sind neue Medikamente am Horizont, die in Tablettenform ausserhalb des Spitals eingesetzt werden können. Am wichtigsten bleibt die Impfung. Im Vergleich hierzu sind die Medikamente gegen Covid nur ein Tropfen auf den heissen Stein.»

«Keine Wunderwaffe»

«Leider war bisher kein einziges der erforschten Medikamente die erhoffte Wunderwaffe gegen das Virus. Die Erforschung neuer Medikamente muss darum weitergehen. Diese Studien sind aber aufwendig und kosten viel. Für viele Firmen wird es sich nicht mehr lohnen, hier zu investieren. Mittlerweile haben wir aber Medikamente, die schwere Verläufe verhindern können, wenn man sie zum richtigen Zeitpunkt einsetzt. Das benötigt viel Erfahrung, Organisation und Entscheidungsfreude. Insbesondere Dexamethason, ein billiges Cortisolpräparat, war hier der grosse Durchbruch. Momentan sind neue Medikamente am Horizont, die in Tablettenform ausserhalb des Spitals eingesetzt werden können. Am wichtigsten bleibt die Impfung. Im Vergleich hierzu sind die Medikamente gegen Covid nur ein Tropfen auf den heissen Stein.»

Viele Infektionen, stabile Hospitalisierungen

In der Schweiz infizieren sich laut Zahlen des Bundesamts für Gesundheit BAG täglich rund 30 000 Personen, die Dunkelziffer dürfte weit höher liegen. Fachleute gehen davon aus, dass in den kommenden Wochen praktische jeder und jede in der Schweiz mit Omikron in Kontakt kommt.

Die gute Nachricht: 85 Prozent der Bevölkerung sind entweder geimpft oder bereits genesen. Schon darum wird der Krankheitsverlauf bei den allermeisten milde sein. Doch auch Todesfälle sind nicht auszuschliessen.

In der Schweiz sind die Hospitalisierungen derzeit stabil. Selbst die Zahl der Covid-Intensivpatienten ist leicht rückläufig. Aber: Die Behandlung von Corona-Patienten ist nur möglich, weil Eingriffe bei anderen verschoben werden – sogar bei Krebspatienten, die dringend auf Behandlung angewiesen sind. Gleichwohl geht es nicht mehr darum, ein Massensterben zu verhindern.

Personalmangel verhindern

Das Ziel muss sein, die sogenannte kritische Infrastruktur zu schützen: Wie lässt sich verhindern, dass sämtliches Krankenhauspersonal, alle Polizisten und Feuerwehrleute, Migros-Verkäuferinnen und Lokführer gleichzeitig ausfallen? Was planen die Behörden, um das Alltagsleben in der Schweiz aufrechtzuerhalten? Merklich wenig. Ein Krisenmanagement existiert nur auf dem Papier. Auch ein neuer Notfallplan, an dem die Verwaltung offenbar tüftelt, dürfte zu spät kommen.

Gesundheitsminister Alain Berset teilte diese Woche lediglich via Twitter mit, schärfere Massnahmen (unter anderem Schliessungen) seien vorbereitet, sollten sie nötig werden. Doch damit rechnet in Bundesbern niemand. Ein Lockdown ist nicht nur schwierig umzusetzen – er ist auch das falsche Mittel.

Bundesrat gegen verschärfte Massnahmen

Am Mittwoch wird der Bundesrat die bestehenden Massnahmen verlängern – nicht mehr und nicht weniger. Das möglichst lange Hinauszögern potenzieller Infektionen und damit das Abflachen der Kurve ist das Ziel dieser Strategie. Allerdings bräuchte es dazu probate Mittel: weitere Kapazitätsbeschränkungen in den Restaurants, bei Grossanlässen, in Supermärkten zum Beispiel. Doch vor diesen Massnahmen schreckt man beim Bund offensichtlich zurück.

Mit der Erkenntnis, dass sich angesichts der geltenden Massnahmen die Omikron-Welle kaum beherrschen lässt, tun sich die Behörden ohnehin schwer. Gegenüber Radio SRF betonte BAG-Chefin Anne Lévy diese Woche eigenwillig: «Die Strategie ist schon seit längerem festgelegt.» Bloss hat Omikron alles über den Haufen geworfen. Bedauerlich: Man hätte es in der Hand gehabt. Doch die Booster-Kampagne startete verspätet und überdies schleppend, die millionenteure Impfwoche endete als Flop.

Immerhin wird nun das Test-Regime adjustiert. Um einen Labor-Kollaps zu verhindern, braucht es nach einem positiven Antigen-Schnelltest nicht länger die Bestätigung mittels genauerem PCR-Test. Zudem hat das BAG den Kantonen empfohlen, im Falle von Engpässen zu priorisieren. An erster Stelle stehen Betroffene mit Symptomen.

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Streitpunkt Quarantänedauer

Zankapfel und mitunter Ursache für die Personalengpässe ist die Dauer der Quarantäne. Weil weit mehr als 100 000 Personen zu Hause sitzen, ächzten praktisch alle Branchen. Erste Gastronomiebetriebe und Hotels mussten schliessen, Spitäler suchen verzweifelt nach Personal, in den kommenden Wochen ist mit Zugausfällen zu rechnen.

Um diese Engpässe abzufedern, forderte diese Woche der Wirtschaftsdachverband Economiesuisse die Quarantäne von zehn auf fünf Tage zu verkürzen – sofern die Verdachtsfälle keine Symptome aufweisen. Das BAG indes empfiehlt eine Quarantäne von sieben Tagen und wird kaum von dieser Direktive abkommen.

Das Land steht nun nicht mehr einzig und allein vor einer gesundheitspolitischen Zerreissprobe. Allmählich wird auch die Versorgung knapp.

Omikron-Welle sorgt für Personalmangel
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