Der Krieg in der Ukraine führt es deutlich vor Augen: Neben russischen Raketenangriffen oder Artilleriebeschuss spielen auch Cyber-Attacken eine wichtige Rolle bei bewaffneten Konflikten. Parallel zur Invasion haben russische Hacker etwa die Internetseiten der ukrainischen Regierung lahmgelegt.
Schon 2015 sollen Russen einen Teil des ukrainischen Stromnetzes lahmgelegt haben. Zwei Jahre später erfolgte eine breite Attacke mit russischer Malware, von der grosse Teile der Verwaltung und auch des Privatsektors betroffen waren. Kürzlich warnte der britische Geheimdienst, dass Russland auch jetzt wieder zunehmend nach Cyber-Zielen sucht. Hacker hätten zudem versucht, in die Netzwerke der Nato und der Streitkräfte einiger osteuropäischer Länder einzudringen.
«Wir müssen nicht alles umkrempeln»
«Der brutale Angriffskrieg zeigt, dass solche bewaffneten Konflikte zunehmend hybrid geführt werden», sagte Verteidigungsministerin Viola Amherd (59) am Mittwoch vor den Medien. Das sei allerdings nicht überraschend. «Wir haben bisher festgestellt, dass nicht die verwendeten Mittel neu sind, aber deren Ausmass», ergänzte Armeechef Thomas Süssli (55). Auch die Schweiz müsse mit solchen Angriffen auf kritische Infrastrukturen rechnen.
Die Schweizer Armee soll daher ihre Fähigkeiten in der virtuellen Kriegsführung verstärken. Da sind sich Parlament und Bundesrat einig. «Wir müssen dafür nicht alles umkrempeln, wir sind auf dem richtigen Weg» betonte Amherd. Die aktuelle Bedrohungslage aber zeige, dass es noch mehr Bemühungen brauche.
«Es braucht Köpfe und technische Systeme»
Nun hat der Bundesrat ein Gesamtkonzept abgesegnet. Dabei geht es etwa um Cyber-Abwehr, Verschlüsselung von Informationen und elektronische Kriegsführung. Das Konzept zeigt auf, wo die Armee noch zulegen muss, um besser geschützt zu sein. «Sehr vereinfacht gesagt: Es braucht Köpfe und technische Systeme», fasste Amherd zusammen.
Die Armee soll ihre Cyber-Fähigkeiten nun schrittweise bis Mitte der 2030-Jahre weiter ausbauen. Dabei rechnet das Verteidigungsdepartement VBS mit Investitionen von bis zu 2,4 Milliarden Franken. Die Finanzmittel würden jeweils dem Parlament beantragt und aus dem ordentlichen Budget der Armee bereitgestellt.
Konkretes Ziel ist, dass sich die Armee künftig umfassend vor Angriffen aus dem Cyber-Raum und dem elektromagnetischen Raum schützen kann. Die Mehrheit der Truppen soll zu selbstständigen Einsätzen befähigt und dazu mit einfach einsetzbaren Systemen ausgerüstet werden.
Es braucht noch mehr Anstrengungen
Das Parlament hatte im Frühling grünes Licht gegeben für die Schaffung eines Cyber-Kommandos mit 575 Angehörigen. Dieses soll künftig die militärischen Schlüsselfähigkeiten in den Bereichen Lagebild, Cyber-Abwehr, IKT-Leistungen, Führungsunterstützung, Kryptologie und elektronische Kriegsführung bereitstellen. Die Armee soll zudem einen punktuellen, dezentralen Schutz von wichtigen Infrastrukturen sicherstellen.
Ziel ist es, dass alle Akteure in der Lage sind, sich möglichst selbstständig vor Risiken und gegen Bedrohungen im Cyber-Raum zu schützen. Heute sei die Schweiz in Sachen Digitalisierung «viel zu wenig weit fortgeschritten», heisst es im aktuellen Bundesratsbericht zur Sicherheitspolitik. «Die aktuelle Bedrohungslage zeigt, dass es noch mehr Anstrengungen braucht», erklärte Amherd. (dba)