Die Krebs-Diagnose kam «völlig aus dem Nichts»: Dabei wollte alt Bundesrat Didier Burkhalter (58) Bern und Politik hinter sich lassen – und sich als Literat neu erfinden. Die Krankheit hielt ihn aber nicht vom Schreiben ab – er schrieb vor und nach der Operation voller Tatendrang. Jetzt findet der Romand Kraft, über die schwere Zeit zu sprechen.
BLICK: Wie geht es Ihnen, Herr alt Bundesrat?
Didier Burkhalter: Gut, danke!
Die Schweiz sorgt sich um Sie. Sie haben kurz nach Ihrem Rücktritt eine schlimme Diagnose erhalten. Wogegen kämpfen Sie an?
Zuerst möchte ich etwas richtigstellen: Die Diagnose habe ich nicht kurz nach dem Rücktritt als Bundesrat erhalten, sondern etwa zehn Monate später, im Sommer 2018. Es handelt sich um eine schwere Krankheit, die heilbar ist, wenn man rasch behandelt wird. Ja, es ist Krebs. Ich wurde sehr gut von den Ärzten und dem Pflegepersonal unterstützt. Ihnen allen bin ich von ganzem Herzen für ihre tolle Arbeit und ihre riesige Menschlichkeit dankbar.
Sie mussten sich einer Operation unterziehen.
Ja, aber es nützt nichts, sich zu beklagen. Viele Leute leiden viel mehr als ich. Sicher ist: Dieses Jahr muss ich regelmässig Analysen machen lassen.
Was hat die Diagnose Krebs in Ihnen ausgelöst?
Es ist schwierig, damit umzugehen. Das ist aber nur eine Seite. Denn andererseits wird das Leben dadurch noch schöner, wichtiger und heller! Die Zeit erhält eine neue Dimension. Es gibt auch eine Art neue Freiheit, indem man die Zeit besser respektiert.
Krank zu sein, sei «eine Schule fürs Leben», sagten Sie kürzlich. Was lehrt Sie der Krebs?
Die Bescheidenheit des menschlichen Daseins voll auszuleben; mich mit der Zeit in Stille auszutauschen, sodass die Würde und der Respekt viel Raum erhalten.
100 Stunden in der Woche – und das acht Jahre lang: Ihre Zeit als Bundesrat war ein Knochenjob. Inwiefern sehen Sie einen Zusammenhang zwischen der Krankheit und der extremen Belastung?
Ich bin sehr dankbar, dass ich als Bundesrat unserem Land dienen konnte. Die vielen Aufgaben haben positiven Stress ausgelöst. Ich habe es wirklich geliebt, die Aussenpolitik der Schweiz zu vertreten. Im Juni 2017 aber fühlte ich irgendwie plötzlich, dass ich ein neues Leben anfangen sollte – dass die Zeit dazu gekommen war.
Ihre Frau sorgte sich, warnte Sie und bat Sie, weniger zu arbeiten. Würden Sie aus heutiger Perspektive etwas anders machen?
Nein. Aber es stimmt, dass ich noch mehr auf meine Frau hören sollte. Sie ist eine sehr weise Person.
Sie sei «mein Leben» und «der Grund, warum ich atme», sagten Sie kürzlich. Was hilft Ihnen in der Zeit der Genesung, positiv zu denken?Eben, meine Frau Friedrun Sabine.
Jährlich erkranken rund 40'000 Menschen in der Schweiz an Krebs. Was möchten Sie diesen Menschen sagen?
Ich habe keine Lektionen zu geben. Ich bin aber überzeugt, dass jede und jeder von uns eine kleine Kerze in sich trägt. Sie brennt, um uns den besten Weg zu leuchten. Und jeder Mensch hat auch eine kleine Stimme, die leise zu ihm spricht. Wichtig ist, diese kleine Kerze mit offenem Herzen anzuschauen und dieser leisen Stimme mit offenem Geist zuzuhören.
Sie widmen Ihr Leben nach dem Bundesrat der Literatur. Hat der Krebs Ihr Schreiben verändert?
Ich glaube nicht, dass ich «anders» geschrieben habe. Ich schreibe sowieso schnell, lasse mein Herz sprechen, mein Inneres auf Papier – oder eher in den Computer – fliessen. In den letzten Monaten habe ich mein viertes Buch geschrieben, und mein Verleger von Editions de L’Aire hat entschieden, dass es bereits am 21. März veröffentlicht wird. Also kommt der Frühling wieder!
Worauf dürfen sich Ihre Leser freuen?
Es ist ein historischer Roman mit dem Titel «Terre minée» und spielt in der Zeit zwischen 1918 und 1981. Es basiert auf meinem letzten Buch «Mer porteuse» mit den gleichen Charakteren, es beleuchtet die Zeit des Faschismus in Europa in den Zwanziger- und Dreissigerjahren und auch die tragische Periode der Kriege in Vietnam und Kambodscha in den Sechziger- und Siebzigerjahren. Ich liebe es zu schreiben – Schreibstau kenne ich nicht.
Didier Burkhalter (58) schaffte 2003 den Sprung von der Neuenburger Stadtregierung in den Nationalrat und wurde 2007 zum Ständerat gewählt. Ab 2005 war er Vizepräsident der FDP-Liberalen Fraktion der Bundesversammlung. 2009 wurde er als Nachfolger von Pascal Couchepin (76) in den Bundesrat gewählt. Nach drei Jahren im Departement des Innern (EDI) wechselte er ins Aussendepartement. Ende 2017 trat er von seinem Amt zurück. Burkhalter studierte Ökonomie, ist verheiratet und hat drei Kinder.
Didier Burkhalter (58) schaffte 2003 den Sprung von der Neuenburger Stadtregierung in den Nationalrat und wurde 2007 zum Ständerat gewählt. Ab 2005 war er Vizepräsident der FDP-Liberalen Fraktion der Bundesversammlung. 2009 wurde er als Nachfolger von Pascal Couchepin (76) in den Bundesrat gewählt. Nach drei Jahren im Departement des Innern (EDI) wechselte er ins Aussendepartement. Ende 2017 trat er von seinem Amt zurück. Burkhalter studierte Ökonomie, ist verheiratet und hat drei Kinder.