Wegen steigender Fallzahlen
Kommt die Schweiz auf die deutsche Risikoliste?

Nach hiesigen Kriterien gilt die Schweiz nun offiziell als Corona-Risikogebiet. Damit wird sie stärker in den Fokus anderer Staaten geraten. Deutschland könnte bald schon weitere Kantone auf seine Risikoliste setzen.
Publiziert: 15.09.2020 um 16:59 Uhr
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Aktualisiert: 24.09.2020 um 07:49 Uhr
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Die Corona-Fallzahlen steigen weiter an.
Foto: keystone-sda.ch
Ruedi Studer

60 Neuinfektionen pro 100'000 Einwohner – und das über 14 Tage: Nach diesem Kriterium, der sogenannten Inzidenz, erstellt der Bund die Liste der Corona-Risikoländer. Wer aus einem dieser Staaten in die Schweiz einreist, muss zehn Tage in Quarantäne. Ein Wert, den nun allerdings auch die Schweiz selbst erreicht hat.

Die Schweiz droht nun von weiteren Ländern zum Risikogebiet erklärt zu werden. Bei Reisen nach Grossbritannien oder Finnland beispielsweise gilt bereits eine Quarantänepflicht.

Deutschland hat Kantone auf dem Radar

Doch jetzt kommt die Schweiz auch bei den Nachbarländern stärker in den Fokus. Allen voran in Deutschland. Dort gilt nämlich ebenfalls ein Grenzwert: Bei mehr als 50 Neuninfektionen auf 100'000 Einwohner innert sieben Tagen müssen Einreisende zwingend einen Corona-Test machen und in eine zehntägige Quarantäne, wenn es die Bundesländer anordnen.

Zum Glück für die Schweiz differenziert Deutschland aber noch nach Regionen. Aktuell figurieren die Kantone Waadt und Genf auf der deutschen Risikoliste. Freiburg könnte bald folgen, wie das deutsche Aussenministerium antönt: «Auch der Kanton Freiburg verzeichnet gerade eine erhöhte Anzahl von Infektionen», heisst es auf der Homepage dazu. In Belgien etwa steht Freiburg bereits auf der Reiseverbotsliste.

Frankreich, Italien und Österreich hingegen kennen keine Schwellenwerte für Risikogebiete. Einreisen aus der Schweiz sind grundsätzlich ohne Einschränkungen möglich. Eine Ausnahmeregelung hat allerdings die italienische Urlaubsinsel Sardinien beschlossen: Seit Montag müssen Ankömmlinge einen negativen Corona-Test vorlegen.

FDP-Portmann hinterfragt Schwellenwert

Die Entwicklung befeuert auch im Bundeshaus die Diskussion um Grenzwerte und Quarantäne. FDP-Nationalrat Hans-Peter Portmann (57, ZH) hält den in der Schweiz geltenden Schwellenwert in Bezug auf ein Ansteckungsrisiko für «nicht wirklich zielführend», wie er in der Fragestunde des Nationalrats monierte. Und regte an, die sogenannte Positivitätsrate, also der Anteil positiver Tests an allen durchgeführten Tests, als Richtwert zu nehmen.

Bundesrat Alain Berset (48) verteidigte den Indikator, der auch von andern Schengen-Staaten benutzt werde. Die Positivitätsrate hingegen zeige im internationalen Vergleich grosse Unterschiede. «Sie ist daher für sich allein genommen nicht unbedingt aussagekräftiger als die Fallzahlen», schreibt Berset in seiner Antwort.

Weiter wünscht sich Portmann gerne eine stärkere Regionalisierung der Risikogebiete, anstatt ganze Staaten auf die Risikoliste zu setzen. Diesem Wunsch ist der Bundesrat zumindest mit Blick auf die Nachbarländer bereits entgegengekommen – etwa am Beispiel Frankreichs. So sind die Grenzregionen grundsätzlich von der Risikoliste ausgenommen.

Berset betonte aber: «Grundsätzlich ist die flächendeckende Definition von Risikoregionen statt Risikoländer im Vollzug der Quarantäne schwerer umsetzbar.» Zudem würden verschiedene Länder ihre Fallzahlen nicht regional ausweisen.

Quarantänefrist harmonisieren

Auch die aktuelle Quarantänefrist von zehn Tagen in der Schweiz wurde im Nationalrat hinterfragt. Gibt es doch Länder, wo sie bis zu 14 Tage dauert. FDP-Nationalrätin Jacqueline de Quattro (60, VD) bemängelte die fehlende Koordination unter den Staaten. Das sorge bei Reisenden für Verunsicherung. «Dieses Klima der Unsicherheit stellt ein beträchtliches Hindernis für eine rasche Ankurbelung der Wirtschaft und des Tourismus dar», so die Waadtländerin. Und regte eine Schengen-weite Lösung an.

Damit stiess sie auf offene Ohren. Die EU arbeite derzeit an einer Harmonisierung der Grenzgesundheitsmassnahmen, berichtete Berset. «Die Schweiz kann an der Diskussion teilnehmen und entscheiden, ob sie sich dem koordinierten Ansatz anschliesst, sobald eine Einigung erzielt wurde.»

Angesichts der Corona-Entwicklung im Inland stellt sich aber trotzdem die Frage, ob eine Quarantäne tatsächlich Sinn macht. Das Bundesamt für Gesundheit hält diesbezüglich fest: «Inwiefern diese Entwicklung Einfluss hat auf die Quarantäne-Regelung für Ein-/Rückreisende, ist offen.»

Gegen Testzwang

Nichts hingegen hält der Bundesrat von einem obligatorischen Corona-Test nach Ablauf der zehntägigen Quarantäne, wie das CVP-Nationalrat Sidney Kamerzin (45, VS) anregt. Wer mit einer infizierten Person zusammenlebe, solle sich nach fünf Tagen testen lassen, lautet die heutige Empfehlung.

Für alle anderen Quarantänepflichtigen sei die Wahrscheinlichkeit einer Ansteckung gering, sollten während zehn Tagen keine Corona-Symptome auftreten. Ein Testzwang sei daher «nicht gerechtfertigt».

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