Es war am Ende der Verdienst des Berner Oberländers Albert Rösti, dass das Referendum gegen die Energiestrategie 2050 zustande kam. Der SVP-Chef hatte in der brisanten Phase des Sammelns von Unterschriften seine SVP-Nationalratskollegen mobilisiert und sie auf die Strasse geschickt, um die notwendigen 50’000 Stimmen zusammenzubringen. Nun liegt es am Schweizer Volk, am 21. Mai über das Energiegesetz zu befinden.
Die Energiestrategie 2050 ist auch im Berner Oberland umstritten. Bekannter Fürsprecher der Energiestrategie, und somit lokaler Gegner von Rösti, ist der Frutiger Nationalrat Jürg Grossen (GLP). Grossen ist Elektroplaner und sitzt im Vorstand vom Verband Swisscleantech, des Vereins Energieallianz und der Unternehmerinitiative Neue Energie Bern.
Man kennt sich vom Pausenplatz
Die beiden Oberländer kennen sich gut. «Wir waren damals beide in Frutigen in der Sekundarschule», sagt Rösti. Sie waren zwar nicht in derselben Klasse, aber man kenne sich vom Pausenplatz. «Wir haben damals aber noch nicht miteinander politisiert», so der SVP-Präsident.
Dennoch wurde damals ein Grundstein im Kampf gegen das Energiegesetz gelegt. «Es war Jürg Grossens Vater, der mir damals in der Sekundarschule Frutigen die grundlegenden Physikgesetze beigebracht hat», erinnert sich Rösti. «Darunter wohl auch, dass beim Strom Produktion und Leistung nicht dasselbe sind.» Deshalb produziere eine Solarzelle auch keinen Strom, wenn die Sonne nicht scheint.
Auch Hans Grossen, Röstis ehemaliger Sekundarlehrer, besinnt sich: «Albert Rösti war kein auffälliger Schüler, aber fleissig, korrekt und strebsam.»
Heute ist Rösti der Meinung, dass mit der Energiestrategie die Versorgungssicherheit nicht gegeben ist. Solarstrom decke heute, trotz inzwischen hoher Leistungen von Solarpanels, nur etwas mehr als zwei Prozent der Jahresproduktion ab. Es mache deshalb keinen Sinn, hier Subventionen zu erhöhen. «Viel gescheiter würden die Mittel für die auch im Berner Oberland sehr wichtige Wasserkraft eingesetzt.»
Fatal fürs Oberland
Hinzu komme, dass die Senkung des Energieverbrauchs nur mit einer Verteuerung der Energieträger einhergehe. «Darunter werden gerade dezentrale Regionen wie das Oberland leiden.» Man könne dort nicht einfach sofort ältere Häuser sanieren oder vom Auto aufs Tram umsteigen. Als Oberländer sehe er auch die Windenergie kritisch. «Windräder liefern nicht nur sehr unregelmässig Strom, sie verschandeln auch die Landschaft sondergleichen.» Das dürfe sich eine Tourismusregion niemals leisten. «Das Energiegesetz ist darum gerade für das Oberland fatal», glaubt Rösti.
Auch Jürg Grossen lernte bei seinem Vater die Grundlagen der Physik. «Bei ihm in der Schule habe ich meinen ersten Elektromotor gebaut.» Ein grundlegendes physikalisches Gesetz habe Rösti aus dem Unterricht von damals wohl vergessen. Strom gehe, wie auch Wasser, immer den kürzesten Weg. «Es gibt daher nichts Effizienteres, als da Strom zu produzieren, wo er auch gebraucht wird.» Daher müsse jedes Gebäude zu einem kleinen Kraftwerk werden, das seinen Strombedarf möglichst selbst abdecke. «Eine zeitlich befristete Anschubfinanzierung über die Förderabgaben ist deshalb sinnvoll.»
«Nicht enkeltauglich»
Dass Rösti gegen die Energiestrategie ist, liege sicher nicht am Unterricht seines Vaters, meint Grossen. Der SVP-Nationalrat wolle die Öl-Abhängigkeit für Schweizerinnen und Schweizer über Generationen hinweg zementieren. «Das ist nicht enkeltauglich und schadet unserem Land nachhaltig», so der Grünliberale.
Auch Vater Grossen glaubt, es liege nicht an seinem Physikunterricht. «Das war vor 35 Jahren.» Röstis Position sei wohl eher eine Frage seines Umfelds. Der ehemalige Pädagoge ist für die Energiestrategie. «Jetzt müssen wir vorwärtsmachen und die Energiewende beschleunigen. Das ist unsere Verantwortung für die folgenden Generationen.»
Obwohl Hans Grossen in der Energiedebatte mit Rösti nicht einer Meinung ist, schätze er Rösti sehr: «Ich freue mich für das, was er erreicht hat.» Es erfülle ihn mit Stolz, wenn er sehe, wie seine ehemaligen Schüler ihr Potenzial ausschöpfen und Karriere machen.
Auch Nationalrat Grossen betont, dass er und Rösti durchaus ein kollegiales Verhältnis pflegen. Bei Volkswirtschaft Berner Oberland, wo Grossen Präsident ist und Rösti im Vorstand sitzt, werde beispielsweise am selben Strick gezogen.
Mehr Informationen zur Energiestrategie 2050 lesen Sie in unserem Erklär-Dossier.