Kaum ist der «härteste Abstimmungskampf des Jahres» um die Konzernverantwortungs-Initative vorüber, bereitet sich Justizministerin Karin Keller-Suter (56) auf die nächste Abstimmung vor. Die Rede ist vom umstrittenen E-ID-Gesetz. Die Abstimmung findet am 7. März statt. Doch bereits jetzt werden die Krallen gewetzt. BLICK beantwortet die wichtigsten Fragen.
Was ist eine E-ID überhaupt?
Die E-ID ist ein Set von Personalien, die vom Staat geprüft worden sind – und im Internet verwendet werden können. Mit diesem digitalen Ausweis soll also die eigene Identität im Internet einfacher belegt werden können. Das hilft beispielsweise beim Onlineshopping, wenn das eigene Alter nachgewiesen werden muss, wenn man ohne viel Bürokratie einen Auszug aus dem Strafregister bestellen oder sich bei einer Versicherung anmelden will. Kurz: Anspruchsvollere Geschäfte sollen online leichter abwickelbar werden. Zum Reisen ist der elektronische Ausweis aber nicht gedacht.
Kann ich die E-ID im Passbüro beantragen?
Nein. Die E-ID soll nicht wie die analoge ID vom Staat, sondern ausschliesslich von privaten Unternehmen, sogenannten Identitätsdienstleistern (IDP), ausgestellt werden. Wer sich einen digitalen Ausweis beschaffen will, muss demnach an einen staatlich anerkannten IDP wenden. Die Anfrage wird dann vom Privatunternehmen an den Bund weitergeleitet, wo die Existenz des Beantragenden überprüft wird.
Dann liegt der Ball aber wieder in den Händen der Identitätsdienstleister: Die Träger der elektronischen Identität, also beispielsweise eine App auf dem Smartphone, werden von den IDP entwickelt, angeboten und verwaltet. Wenn ein Online-Händler eine Flasche Whiskey an eine Person verkaufen will, wendet er sich zur Alterüberprüfung ebenfalls an den IDP. Für jede Abfrage der E-ID bezahlen Online-Dienste dem privaten Unternehmen einen kleinen Betrag – so sieht es das Gesetz vor.
Welche Unternehmen wollen eine E-ID anbieten?
Firmen müssen gewisse Kriterien erfüllen, um vom Bund als IDP anerkannt zu werden. Sie müssen beispielsweise einen Sitz in der Schweiz haben und die Daten auch in der Schweiz bearbeiten und aufbewahren. Ausserdem müssen sie umfangreiche Auflagen in Sachen Finanzen, Personal und Sicherheit der Systeme erfüllen.
In der Schweiz wird sich höchstwahrscheinlich die Unternehmenskooperation Swiss Sign dieser Aufgabe annehmen. Sie bietet bereits jetzt eine nicht vom Staat zertifizierte E-ID an. Swiss Sign ist eine Kooperation von verschiedenen staatsnahen Betrieben, Finanzunternehmen, Versicherungsgesellschaften und Krankenkassen. Mit dabei sind namentlich: SBB, Schweizerische Post, Swisscom, Banque Cantonale de Genève, Credit Suisse, Entris Banking, Luzerner Kantonalbank, Raiffeisen, Six Group, UBS, Zürcher Kantonalbank, Axa, Bâloise, CSS, Helvetia, Mobiliar, Swica, Swiss Life, Vaudoise und Zürich.
Wieso übernimmt der Bund nicht die volle Verantwortung?
Private Unternehmen können schneller und flexibler auf die Bedürfnisse der Konsumentinnen und Konsumenten reagieren – der Bund verfüge nicht über das nötige Know-How, sagen die Befürworter. Die Arbeitsteilung zwischen Staat und Wirtschaft käme den Nutzern also zugute.
Sie verweisen zudem auf die strengen Datenschutzregeln: Daten der Benutzer dürfen weder Dritten weitergegeben noch für einen anderen Zweck genutzt werden. Den privaten Unternehmen ist es verboten, Nutzerdaten zu kommerzialisieren.
Um den Rückstand der Schweiz in Sachen Digitalisierung aufzuholen, soll der Gesetzesentwurf des Bundesrates möglichst schnell Kraft treten, finden die Befürworter des Gesetzes, zu denen zahlreiche Wirtschaftsverbände wie Economiesuisse, Swico oder Swiss Holdings zählen. Und auch im Parlament stiess das Gesetz auf Zustimmung: Beide Räte haben die Vorlage mit grosser Mehrheit angenommen – SVP, FDP, CVP, BDP, GLP und EVP sind für die Vorlage.
Wieso stimmen wir dann darüber ab?
Die Gruppe «E-ID-Referendum» hat das Referendum ergriffen. Nicht die E-ID selbst, sondern deren Umsetzung ist den Gegnern ein Dorn im Auge. «Die Ausstellung einer digitalen Identität ist Service public und eine staatliche Kernaufgabe. Man bestellt sich den Pass nicht bei Amazon und erneuert die ID auch nicht bei der UBS», kritisiert Nationalrätin Min Li Marti (46, SP), deren Partei das Referendum zusammen mit den Grünen, mehreren Seniorenorganisationen und verschiedenen Verbänden wie der Digitalen Gesellschaft oder der Demokratie-Plattform Wecollect auf die Beine gestellt hat.
Dem Datenschutzversprechen der privaten Unternehmen trauen sie nicht – der Bund habe eine zu schwache Kontrollfunktion. Steuererklärungen, Handy-Verträge oder Überweisungen von Patientendossiers, die über die E-ID abgewickelt würden, gingen niemanden etwas an.
Die Gegner finden es daher unverständlich, dass der Bund ausschliesslich private Unternehmen als E-ID-Aussteller festschreibt. Sogar FDP-Nationalrätin Doris Fiala (63) bereitet diese strikte Gewaltentrennung Sorge: «Nur Wahlfreiheit schafft Vertrauen. Bürgerinnen und Bürger sollten selbst entscheiden können, ob sie die E-ID von privaten Unternehmen oder vom Bund beziehen wollen.»