Während der Legislaturperiode, die diesen Herbst endet, hat sich der Schweizerische Bauernverband (SBV) bei mehreren wichtigen Themen durchsetzen können; etwa beim präventiven Abschuss von Wölfen. Einige Abstimmungen gewannen die Landwirtschaftsvertreter aber mit ungewöhnlich knappen Ergebnissen.
Und andere Vorlagen wurden regelrecht abgeschmettert. Zuletzt lehnte der Nationalrat eine ganze Reihe von Vorstössen ab, die von Landwirtschaftskreisen eingereicht worden waren. So wurde etwa die Verpflichtung beibehalten, mindestens 3,5 Prozent des Ackerlandes als Brachflächen zu nutzen, die der Biodiversität förderlich sind.
Letztendlich wurde von sechs Anträgen nur einer mit 93 zu 90 Stimmen bei 7 Enthaltungen angenommen. Es handelte sich um den Antrag der Freiburger FDP-Ständerätin Johanna Gapany (34), der darauf abzielte, die Nährstoffverluste bis 2030 um 20 Prozent zu reduzieren.
Nachhaltig vs. konventionell
All diese umstrittenen Abstimmungen zeigen, dass die Spannungen zwischen den Befürwortern einer nachhaltigen Landwirtschaft und den Anhängern einer konventionellen Landwirtschaft zunehmen. Jedes Mal, wenn der SBV nicht überzeugen konnte, biss er sich die Zähne am traditionellen Block der SP und der Grünen aus, der von den Grünliberalen und einigen Abweichlern aus der FDP und sogar der Mitte unterstützt wurde.
Kann man also von einer schwächelnden Bauernlobby in Bern sprechen? Der SBV gibt auf Anfrage zu, dass die Landwirtschaft weniger Vertreter im Parlament hat als früher. Den Begriff «Bauernlobby» lehnt der Verband jedoch ab.
GLP macht «widersprüchliche» Politik
«Das ist ein Begriff, den Umweltorganisationen vor einigen Jahren in einer Hetzkampagne in die Welt gesetzt haben», sagt Sprecherin Sandra Helfenstein (50). «Die links-grünen Kreise machen Stimmung, indem sie die vielen positiven Errungenschaften und Entwicklungen in der Landwirtschaft leugnen.» Der SBV verhalte sich wie jede andere Interessengruppe auch. «Unsere Vertreter in Bern setzen sich für alle Bauernfamilien und für eine sichere Versorgung ein.»
Auf die Frage nach einer möglichen Bedrohung durch die GLP für die Agrarlobby bezeichnet Helfenstein die Politik dieser Partei als «widersprüchlich». «Auf der einen Seite legen sie die Messlatte für unsere Landwirtschaft immer höher, auf der anderen Seite setzen sie sich für mehr Freihandel ein, ohne sich um die Produktionsbedingungen der Lebensmittel zu kümmern.»
Bevölkerung hat Bauern unterstützt
Die Schweizer Landwirtschaft bewege sich immer im Einklang mit den Konsumenten. «Die Bevölkerung hat die Bauern bei den letzten drei Initiativen weitgehend unterstützt, die den Sektor betreffen – nämlich bei den beiden Anti-Pestizid-Texten im Jahr 2021 und bei der Initiative gegen die Massentierhaltung im Jahr 2022», sagt Helfenstein.
«Die Hauptaufgabe der Landwirtschaft, ob biologisch oder konventionell, ist es, Lebensmittel zu produzieren, um die lokale Bevölkerung zu ernähren», sagt Markus Ritter (55), Präsident des SBV und Mitte-Nationalrat. «Wir Bauern müssen von unserer Produktion leben können.»
Agrarlobby «in der Defensive»
Für Marcel Liner, Verantwortlicher für Agrarpolitik bei Pro Natura, ist die Agrarlobby eindeutig «in der Defensive». «Vor 15 Jahren haben wir gegen den SBV und den Bundesrat gekämpft. Seit sechs bis sieben Jahren hat sich das Kräfteverhältnis geändert: Wir kämpfen gegen die systematische Blockade des SBV gegenüber den Vorschlägen des Bundesrates», erklärt er.
«Der SBV, dessen Vorstand stark von der SVP dominiert wird, verteidigt den Agrar- und Lebensmittelsektor, der auf einer intensiven Landwirtschaft beruht. Ich nehme an, dass ihr Präsident Markus Ritter unter starkem Druck aus diesem Milieu steht», obwohl er selbst ein Biobauer sei. Liner findet zudem, der Austausch mit dem SBV sei viel angespannter geworden.
SBV braucht Nachwuchs
Der Berner Grünen-Nationalrat Kilian Baumann (42), Präsident der Kleinbauernvereinigung, fühlt sich vom SBV überhaupt nicht unterstützt: «Ich vertrete eine Minderheit von Landwirten, die eine Krise des Klimas und der Biodiversität erkannt haben»
Seiner Meinung nach ist auch der bevorstehende Generationenwechsel ein vernachlässigtes Problem. «Im Parlament kümmert sich kaum jemand um das Sterben der kleinen Betriebe», bedauert der Berner. In den nächsten 15 Jahren wird die Hälfte der Betriebsleiter in den Ruhestand gehen.
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Es bleibt nun abzuwarten, ob es dem SBV gelingt, Nachwuchs zu finden, der den Dialog zwischen diesen beiden Flügeln wiederherstellen kann. Mehrere Schwergewichte wie der Freiburger FDP-Nationalrat Jacques Bourgeois (64), der Waadtländer SVP-Nationalrat Jean-Pierre Grin (75) oder der Berner SVP-Nationalrat Andreas Aebi (64) stehen vor dem Absprung. (SDA/bgs)