Die Parlamentarier stellen einen Rekord auf
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Kosten in Millionenhöhe:Die Parlamentarier stellen einen Rekord auf

807 Vorstösse an der Sommersession
Die Parlamentarier stellen einen Rekord auf

Rund 800 Vorstösse musste der Bundesrat in der Sommersession und der ausserordentlichen Session beantworten. Das verursacht hohe Kosten.
Publiziert: 28.06.2020 um 23:24 Uhr
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Die Parlamentarier schreiben fleissig Vorstösse.
Foto: Keystone
Tobias Bruggmann

Die Flut ist da. Eine Papierflut zwar, doch die Berner Beamten kommen trotzdem ins Schwimmen. Schuld ist das Parlament: Die National- und Ständeräte dürfen nicht nur Reden halten und abstimmen, sondern auch Vorstösse schreiben. Damit können die Parlamentarier vergleichsweise unkompliziert Fragen stellen, Berichte verlangen oder gar ein neues Gesetz auf den Weg bringen.

Davon machen sie rege Gebrauch: Die Bundesverwaltung registrierte in der ausserordentlichen Session im Mai und der Sommersession insgesamt 807 Vorstösse, die der Bundesrat beantworten muss. «Die Zahl der Vorstösse steigt seit vielen Jahren. Im Jahr 2004 gingen pro Session im Schnitt 187 Vorstösse ein», sagt Urs Bruderer von der Bundeskanzlei.

Kosten in Millionenhöhe

BLICK weiss: Die Vorstossflut war sogar schon an der Bundesratssitzung ein Thema. Schliesslich bringt die Bearbeitung viel Aufwand für die Beamten mit sich. Natürlich braucht eine einfache Frage in der Fragestunde weniger Aufwand für die Behörden als eine Motion oder ein Postulat. Im Schnitt verursacht die Beantwortung aber pro Vorstoss 6120 Franken Verwaltungskosten, schätzte der Bundesrat vor 13 Jahren – in einer Antwort auf einen Vorstoss. Die beiden Sessionen verursachen also Kosten in Millionenhöhe – selbst wenn man die einfachen Fragen abzählt.

«In jedem Fall durchlaufen Vorstösse eine Ämterkonsultation und ein Mitberichtsverfahren, beschäftigen also Leute in allen Departementen und in der Bundeskanzlei, bevor sie vom Bundesrat verabschiedet werden», so Bruderer. Hinzu kommt der personelle Aufwand für die Übersetzung. Schliesslich müssen auch die französisch- und italienischsprachigen Kollegen wissen, was der Deutschschweizer Kollege fordert.

SP ist Spitzenreiterin

Für die meisten Beamtenbeschäftigungen hat aktuell die SP gesorgt. Über 200 Vorstösse trugen eine SP-Handschrift. Zum Vergleich: Die SVP, die 14 Fraktionsmitglieder mehr zählt, kommt auf «nur» 156 Vorstösse. Am wenigsten Schreibarbeit verrichtet die GLP. Sie hat in der Sommersession nur 36 Vorstösse verfasst, ist aber auch mit Abstand die kleinste Fraktion.

Für die SP haut Nationalrat Fabian Molina (29) fleissig in die Tasten. 15 Vorstösse hat er allein in der Sommersession verfasst. Knapp dahinter folgt Parteikollegin Martina Munz (64) mit 14 Vorstössen. «Weil die letzte Session abgebrochen werden musste, konnte ich einige Vorstösse erst jetzt einreichen», erklärt sich Molina. Zudem seien ein Grossteil seiner Vorstösse einfache Fragen in der Fragestunde, die innerhalb von wenigen Tagen beantwortet werden.

Dass die vielen Vorstösse ins Geld gehen, ist Molina aber bewusst. «Demokratie ist nicht gratis», gibt er zu bedenken. Er sieht in der Vorstossflut auch Positives. «Das zeigt, dass das Parlament im Vergleich zu früher die Sorgen der Bevölkerung besser wahrnimmt und etwas verändern will.»

Sinnlose Mühe?

Für Beamtenbeschäftigung sorgt auch SVP-Ratskollege Thomas Aeschi (41). Zwölf Fragen stellte er während der Fragestunden in der Sommersession. Doch nicht nur das: Seit 2019 führt er auch die «Strichli-Liste» des zurückgetretenen alt Nationalrats Toni Brunner (45) weiter und fragt in jeder Session, wie viele Landesverweise gegen Ausländer vollzogen wurden. Seit Jahren war die Antwort ähnlich: Es gebe keine statistische Auswertung. Diese kommt aber demnächst.

Aeschi beschert den Beamten in Bern mit seinen Fragen viel Arbeit. Das ist erstaunlich, fordert doch seine Partei häufig einen schlankeren Verwaltungsapparat. Für den SVP-Fraktionschef ist das aber kein Widerspruch: «Wenn die linke Bundesverwaltung den Volkswillen der 2010 angenommenen Ausschaffungs-Initiative endlich umsetzen würde, gäbe es hierzu auch keine Vorstösse.» Die Verwaltung betreibe «Politik im Elfenbeinturm, weit weg vom Volk». Deshalb gelte es, Druck auszuüben.

Die vielen Vorstösse sorgen nicht nur bei den Behörden für viel Arbeit. Sind sie vom Bundesrat einmal beantwortet, kommen sie zurück ins Parlament. Doch wenn sie nicht innerhalb von zwei Jahren bearbeitet werden, droht die Abschreibung. Am 19. Juni 2020 wurden insgesamt 233 Vorstösse abgeschrieben, so die Parlamentsdienste.

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