Kommt gar nicht in die Tüte! Angeführt von SVP-Wirtschaftsminister Guy Parmelin (62) hat der Bundesrat nicht im Sinn, dafür zu sorgen, dass wir alle weniger arbeiten müssen. Der Forderung nach einer 35-Stunden-Woche bei vollem Lohn erteilt er eine deutliche Absage.
Nach den Gewerkschaften Syndicom und Unia brachte SP-Nationalrätin Tamara Funiciello (31) im Dezember die Forderung auch ins Parlament. Sie will die Arbeitszeit in den nächsten zehn Jahren reduzieren, bis maximal 35 Stunden erreicht sind – bei voller Bezahlung. Gelten soll das für tiefe und mittlere Einkommen. Die Forderung entspricht dem Wirtschaftskonzept der Sozialdemokraten. Der Bundesrat solle entsprechende Massnahmen ergreifen.
Bundesrat fürchtet um Wohlstand im Land
Die Landesregierung aber denkt gar nicht daran. «Die Annahme der Motion würde eine Abkehr von zentralen Elementen der Schweizer Arbeitsmarktpolitik bedeuten und grundsätzliche Fragen der Durchsetzbarkeit und der volkswirtschaftlichen Effizienz aufwerfen», findet sie.
Die Beschränkung der Arbeitszeit könne «unnötig einschränkend oder sogar kontraproduktiv sein», so der Bundesrat. Erfahrungen im Ausland sollen zeigen, dass staatliche Eingriffe zur Umverteilung des Arbeitsvolumens für Beschäftigung wie auch Wohlstand «nicht zielführend» seien. Die Arbeitszeit soll daher wie gehabt zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer festgelegt werden.
Viele von uns arbeiten sowieso schon weniger
Zudem würden wir sowieso immer weniger arbeiten, hält die Landesregierung fest. So sei die durchschnittliche wöchentliche Arbeitszeit der Vollzeitbeschäftigten von 43,2 Stunden im Jahr 1991 auf 41,1 Stunden im Jahr 2019 zurückgegangen. Gleichzeitig aber habe der Reallohn um 15,2 Prozent zugenommen.
Der Bundesrat will daher an den geltenden Regeln nicht rütteln – ganz im Sinne der Arbeitgeber. Viele Firmen könnten sich eine Arbeitszeitreduktion gar nicht leisten, argumentieren diese. Denn: Wenn die Effizienz nicht gesteigert werden kann, braucht es für die gleiche Arbeit mehr Leute, was wiederum mehr Kosten für die Unternehmen bedeute.
Dem schliesst sich der Bundesrat an. Die heute flexible Rechtslage biete gute Rahmenbedingungen für Schaffung und Erhalt von Arbeitsplätzen und letztlich ein hohes Wohlstandsniveau. Wie die Angestellten von diesen Produktivitätsgewinnen profitieren sollen, sei weiter zwischen den Vertragspartnern auszuhandeln. Die jeweiligen Branchen könnten das am besten beurteilen.
Kampf der Gewerkschaften geht weiter
Damit aber werden sich SP-Nationalrätin Funiciello und die Gewerkschaften bestimmt nicht besänftigen lassen. Immerhin sei die Erwerbsarbeitszeit heute sehr ungleich verteilt. Sie verweisen auf Statistiken des Bundes, wonach 40 Prozent der Männer und 30 Prozent der Frauen weniger arbeiten möchten als heute. 25 Prozent der Erwerbstätigen litten an Stress. Tendenz steigend.
Auf der anderen Seite seien 16 Prozent der Beschäftigten gegen ihren Willen unterbeschäftigt – meist Frauen. Für Funiciello zeigt das: «Die Last der Lohnarbeit ist in der Schweiz ineffizient verteilt.» Eine Reduktion auf etwa eine 35-Stunden-Woche sorge für mehr Ausgleich und Gleichstellung. Für sie steht denn auch fest, dass der Kampf der Gewerkschaften weitergeht. (dba)