Vor 30 Jahren begrüsste Filippo Leutenegger (70) zum ersten Mal die Zuschauerinnen und Zuschauer der «Arena». Das Leben des Zürchers hat sich mittlerweile um 180-Grad gewendet: Heute ist er selbst in der Politik tätig. Kaum verwunderlich, diskutierten er und der aktuelle «Arena»-Moderator Sandro Brotz vor Beginn des Doppelinterviews fleissig über die Nachfolge von Alain Berset (51).
Wie ist Ihnen die erste «Arena»-Sendung im Kopf geblieben, Herr Leutenegger?
Filippo Leutenegger: Ich habe anfangs die «Freitagsrunde», der Vorgänger der «Arena», übernommen. Ich habe schon damals umgestellt, dass man nicht mehr sitzt, sondern steht. Ich kann das einfach nicht im Sitzen. In einer dieser Sendungen ging es dann um die nicht gewählte Christiane Brunner. Das war eigentlich schon die erste richtige «Arena». Es wurde nicht mit Wohlwollen bei SRF angeschaut, dass ich einfach auf dem Sender übe. Es gab heftige Kritik. Aber: Nach der Sendung waren alle ruhig und liessen mich machen. Die erste offizielle Sendung war dann zu «Tempo 30». Das ist immer noch aktuell in der Stadt Zürich. (lacht)
Herr Brotz, haben Sie vor 30 Jahren eingeschaltet, als die erste «Arena»-Ausgabe ausgestrahlt wurde?
Sandro Brotz: An der ersten «Arena» und an Filippo ist man nicht vorbeigekommen! Ich komme aus einem politischen Haushalt und habe mich schon früh für das Format interessiert. So habe ich Filippo erst im TV erlebt und später als Kollegen beim TV. Was er wahrscheinlich nicht weiss: Für kurze Zeit war er mein Chef.
Leutenegger: Das sagt mir wirklich nichts mehr.
Brotz: Ende der 90er-Jahre war ich schon bei SRF und dann habe ich der Redaktion von Filippo mit einigen Beiträgen ausgeholfen – die er sehr wohlwollend abgenommen hat. (lacht)
Vor seiner Zeit bei der «Arena» führte Filippo Leutenegger (70) durch das Wirtschaftsmagazin «Netto» und berichtete als Korrespondent aus Italien und dem Tessin. Nach seiner Zeit als Polit-Moderator amtete er als Chefredaktor beim Schweizer Fernsehen und sanierte später erfolgreich das stark defizitäre Medienunternehmen Jean Frey AG. Schliesslich wagte er 2002 den Sprung in die Politik: Erst im Nationalrat, dann als Mitglied der Zürcher Stadtregierung.
Vor seiner Zeit bei der «Arena» führte Filippo Leutenegger (70) durch das Wirtschaftsmagazin «Netto» und berichtete als Korrespondent aus Italien und dem Tessin. Nach seiner Zeit als Polit-Moderator amtete er als Chefredaktor beim Schweizer Fernsehen und sanierte später erfolgreich das stark defizitäre Medienunternehmen Jean Frey AG. Schliesslich wagte er 2002 den Sprung in die Politik: Erst im Nationalrat, dann als Mitglied der Zürcher Stadtregierung.
Wie schlägt sich Sandro Brotz Ihrer Meinung nach?
Leutenegger: Er ist wahnsinnig präsent und schafft es, die Leute aus der Reserve zu locken. Ich habe ihm aber auch schon geschrieben, dass ich es nicht gut finde, wenn er sich zu fest auf eine Seite schlägt. Wenn er empört ist, sieht man ihm das an. Ich war da deutlich zurückhaltender. Sandro liebt Debatten und holt dafür auch immer die richtigen Leute. Am liebsten würde er manchmal mitdebattieren. (lacht)
Brotz: Nein, das stimmt so nicht. Ich bin ganz froh, als Moderator in der neutralen Mitte zu stehen. Ich wüsste nicht, wo ich mich hinstellen wollen würde. Ich bin in keiner Partei und habe auch nicht vor, in eine zu gehen. Aber ich glaube schon, dass es auch im Journalismus eine Änderung gegeben hat: Es ist keine reine Chronistenpflicht mehr, man darf Haltung haben und ordnet als Moderator ein. Es ist nicht das erste Mal, dass ich diese Kritik höre, aber ich behandle jede politische Richtung gleich.
Leutenegger: Ich bin damals erst am Sonntag abstimmen gegangen, um mir erst dann eine Meinung zu bilden. In der Regel habe ich versucht, Personen, die mir etwas weniger zugeneigt sind, besser zu behandeln.
Herr Leutenegger, welcher Job ist besser: Journalist oder Politiker?
Leutenegger: Die Arbeit als Journalist war mein Leben. Ich bin darin voll aufgegangen. Als Politiker bin ich ebenfalls voll engagiert. Die Passion war aber schon mehr im Journalismus.
Nach verschiedenen Stellen im Journalismus – unter anderem auch als Nachrichten-Chef und stellvertretender Chefredaktor beim SonntagsBlick – wechselte der Zürcher 2012 als Moderator zur «Rundschau». 2019 übernahm er dann die Gesprächsleitung in der «Arena». Der begeisterte Hobbyläufer ist Papi eines mittlerweile volljährigen Buben.
Nach verschiedenen Stellen im Journalismus – unter anderem auch als Nachrichten-Chef und stellvertretender Chefredaktor beim SonntagsBlick – wechselte der Zürcher 2012 als Moderator zur «Rundschau». 2019 übernahm er dann die Gesprächsleitung in der «Arena». Der begeisterte Hobbyläufer ist Papi eines mittlerweile volljährigen Buben.
Und wann gehen Sie in die Politik, Herr Brotz?
Brotz: Das kann ich wirklich ausschliessen. Ich wüsste nicht mal genau, in welche Partei ich gehen würde …
Leutenegger: … das wusste ich auch nicht!
Brotz: Wusstest du eigentlich schon als «Arena»-Moderator, dass du in die Politik willst?
Leutenegger: Nein, überhaupt nicht! Ich wollte das nie. Das war ein reiner Zufall. Ich habe damals die Jean Frey AG übernommen. Dann merkte ich, dass gar nicht mehr journalistisch arbeiten kann und stattdessen den Betrieb sanieren muss. Dann wurde ich von der FDP angefragt für den Nationalrat. Erst lehnte ich ab, weil ich im Herzen Journalist bin, aber irgendwann fand ich, dass ich doch Verantwortung übernehmen sollte.
Die «Arena» feiert nun ihr 30-jähriges Jubiläum. Ist die Sendung noch zeitgemäss?
Brotz: Ich erlebe die letzten Jahre als so politische Zeiten wie noch kaum. Das hat sicher mit Corona und dem Krieg in der Ukraine zu tun. Wenn man schaut, was die Leute interessiert und wie darüber öffentlich diskutiert wird, dann hat die Sendung nach wie vor eine hohe Relevanz. Wir sind nahe bei den Leuten, denn die Themen haben Einfluss auf die Meinungsbildung der Schweizerinnen und Schweizer. Hier wird nicht hinter verschlossener Bundeshaus-Tür diskutiert.
Leutenegger: Die meisten Themen sind auf einer Meta-Ebene, also sowieso spannend, oder gehen um ein Abstimmungsthema. In der «Arena» kommen für diese Diskussionen sogar die Bundesräte ins TV. Das war früher nie der Fall. Nachdem Otto Stich bei mir in der Sendung gewesen ist, gab es gar Diskussionen im Bundesrat, ob man die Teilnahme in der «Arena» verbieten sollte – aber er setzte sich durch.
Brotz: Das ist bis heute so. Wenn immer es geht, kommen Bundesrätinnen und Bundesräte bei Abstimmungsvorlagen ins Studio.
Ganz so gerne kommt nicht jeder Bundesrat zu Ihnen. Ueli Mauer beispielsweise boykottierte die «Arena» länger.
Brotz: Ja und ich habe es sehr geschätzt, als er dann doch wieder kam.
Leutenegger: Das gab es immer wieder. Auch andere Bundesräte wie Moritz Leuenberger hatten nicht immer Freude an der «Arena».
Bei Kritik steht meist der Moderator im Zentrum.
Brotz: Die Kritik ist ein ständiger Begleiter: Mal bin ich eine Woche zu links, dann wieder zu rechts und vergesse dann angeblich mal wieder die Mitte oder die Grünen fragen, warum die GLP und nicht sie im Studio sind. An das habe ich mich gewöhnt. Die neue Dimension, die dazugekommen ist, ist Social Media. Darauf könnte ich heute regelmässig verzichten, weil sich die Leute dort gegenseitig befeuern.
Wie gehen Sie damit um?
Brotz: Ich habe mich stark aus dem Ganzen rausgenommen. Wichtig ist, dass man nicht alles lesen muss oder überhaupt als relevant anschauen sollte.
Leutenegger: Ich bin noch immer erstaunt, wie viele unterirdische Kommentare auf Social Media abgesondert werden.
Wie sah die Kritik früher aus?
Leutenegger: Ich habe viele Briefe gekriegt. Ich habe ein grosses Couvert, in dem ich Abartiges sammle – auch Drohungen. Ich habe aber nie etwas der Polizei gemeldet. Leute, die sich aufregen, brauchen ein Ventil. Mit Social Media ist die Hürde tiefer und die Leute lassen einfach raus, was sie im Moment empfinden.
Brotz: Die handgeschriebenen Briefe bekomme ich bis heute. Auch ich sammle die Speziellsten. Lustig war: Mir hat mal jemand 50 Franken zugeschickt, damit ich mir etwas Anständiges zu Essen kaufen könne, weil ich so dünn aussehe. Ich habe das Geld dann zurückgeschickt.
Ganz so harmlos ist aber nicht jede Zuschrift.
Brotz: Genau, gerade in der Corona-Zeit war es extrem. Ich mag mich an Sendungen erinnern, in den wir Begleitschutz von der Interventionseinheit der Polizei hinter den Kulissen hatten. Sie standen parat, weil es so viele Drohungen gab gegen Teilnehmer. Das war ein Tiefpunkt in der politischen Auseinandersetzung dieses Landes.
Wie hat sich die Diskussionskultur in der «Arena» in den letzten Jahren verändert?
Leutenegger: Auf mich wirkt es so, dass mittlerweile mehr schablonenhafte Antworten kommen. Politiker üben in den Parteizentralen, was gesagt werden soll. Das geht aber auch nicht immer gut.
Brotz: Es gibt – und gab es wohl schon früher – genug Agenturen, die darauf spezialisiert sind, Gäste auf einen «Arena»-Auftritt einzustellen. Für mich ist die Herausforderung, die Gäste trotzdem mit Fragen aus der Reserve zu locken.
Herr Brotz, im April haben sie sich eine einmonatige Pause von der «Arena» genommen. Was war los?
Brotz: Ich stehe seit bald zwölf Jahren jede Woche vor der Kamera. Die Sendungen sind herausfordernd. Ich habe wohl einen der besten Jobs in der Medienbranche. Der Job gibt einem viel, aber verlangt einem auch viel ab. Es gab einen Moment, in dem ich auf meinen Körper hören musste und wollte. Er hat mir Signale gegeben, dass ich eine Pause machen muss. Ich habe das mit Ärzten angeschaut und die haben mir das empfohlen. Ich schäme mich auch nicht dafür – überhaupt nicht. Aber ja, es brauchte Mut, zu sagen, dass ich jetzt eine Pause brauchte, aber es hat sehr gutgetan. Ich habe in dieser Zeit gelernt, noch mehr auf mich selbst zu hören. Als «Arena»-Moderator ist man ständig auf Empfang und schaltet selten ab.
Wie geht es Ihnen im Moment?
Brotz: Ich fühle mich gut. Sonst wäre ich nicht zurückgekommen. Letztlich bin ich Journalist, der vor der Kamera steht und kein Profisportler, der öffentlich ein detailliertes medizinisches Bulletin abgeben muss. Aber wegen der vielen Nachfragen will ich nun doch etwas mehr zu meiner Auszeit sagen.
Sie sind schon fünf Jahre bei der «Arena». Herr Brotz, wann ist Schluss?
Brotz: Ich war nie jemand, der Karrierepläne gemacht hat. Bei mir hat sich alles ergeben. Ich bin jetzt schon bald zwölf Jahre bei SRF – sieben Jahre bei der «Rundschau», über vier Jahre bei der «Arena». Ich freue mich extrem auf den Wahlherbst und was wir dazu an innovativen Sachen bringen. Für mich gibt es keinen Grund, gerade jetzt mit einer Karriereplanung anzufangen.
Filippo Leutenegger und Sandro Brotz sind am Donnerstagabend um 22.25 Uhr bei «Gredig direkt» zu Gast. Am Freitag zeigt SRF um 22.15 Uhr ausserdem eine Spezialausgabe der «Arena» anlässlich des 30-Jahre-Jubiläums.