Reaktion auf schwere Vorwürfe
So kämpft die SRG gegen sexuelle Belästigung

Die Belästigungsvorwürfe bei RTS und RSI belasten die SRG schwer. Nun wurde bekannt, wie man solche Vorfälle in der Zukunft unterbinden will.
Publiziert: 01.07.2021 um 10:35 Uhr
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Aktualisiert: 01.07.2021 um 14:59 Uhr
SRG-Generaldirektor Gilles Marchand hat Massnahmen beschlossen.
Foto: keystone-sda.ch

Nach den Enthüllungen von sexuellen Belästigungen beim Westschweizer Radio und Fernsehen RTS und beim italienischsprachigen RSI hat die SRG einen Massnahmenkatalog zum Schutz ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter beschlossen. Die Umsetzung überwacht eine nationale Arbeitsgruppe, die direkt dem Verwaltungsrat berichtet.

Der Katalog umfasst 25 konkrete Massnahmen, wie die SRG SSR am Donnerstag mitteilte. Die Massnahmen basieren auf den externen Untersuchungen vom November 2020. Im Zuge der aufgedeckten Belästigungen beschloss das Unternehmen, die konkreten Fälle transparent aufzuarbeiten und auf einen Kulturwandel hinzuarbeiten. Die Unternehmenskultur wird neu als strategisches Ziel definiert.

Den Start bildet das vom Verwaltungsrat verabschiedete Massnahmenpaket. Dabei setzt die SRG SSR auf die Beteiligung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auf allen Stufen. In einer ersten Welle soll der Schutz der persönlichen Integrität verbessert werden.

Zu den 25 Massnahmen gehören unter anderem:

  • Eine gemeinsam mit den Mitarbeitenden entwickelte Kultur-Charta mit klarem Einbezug der Themen Integrität und Anti-Diskriminierung und Umsetzung im gesamten Unternehmen.
  • Verabschiedung eines neuen Ethikkodexes, der sich an alle Mitarbeitenden richtet und von allen neuen Mitarbeitenden unterschrieben wird.
  • Entwicklung eines nationalen Reglements zum Schutz der persönlichen Integrität mit spezifischen Sanktionen im Falle der Nichteinhaltung.
  • Schaffung von internen Vertrauensstellen mit Benennung von internen Vertrauenspersonen in allen Regionen für alle Angelegenheiten, die mit dem Schutz von Integrität und Diskriminierung zusammenhängen. Es sind zwei Vertrauenspersonen pro Sprachregion vorgesehen.
  • Benennung einer externen Anlaufstelle (Ombudsstelle) für alle Belange des Integritäts- und Diskriminierungsschutzes für jede Sprachregion.
  • Neudefinition des Mandats von Movis, der externen Agentur für soziale Beratungsdienste.
  • Einrichtung einer externen Untersuchungsstelle in jeder Sprachregion zur Untersuchung möglicher Fälle von Belästigung.
  • Neuausrichtung der aktuellen SRG-Whistleblower-Plattform auf reine Compliance-Themen.
  • Klärung der zukünftigen Rolle sowie der Aufgaben und Verantwortlichkeiten der Personalabteilungen innerhalb der SRG.
  • Klärung der Aufgaben, Kompetenzen und Verantwortlichkeiten der verschiedenen nationalen und regionalen Gremien (Diversity Board, Gleichstellungsbeauftragte, Gesundheitskommissionen, Groupe de médiation RTS, usw.).
  • Obligatorische Schulung zum Schutz der persönlichen Integrität für alle Mitarbeitenden der SRG – aktuelle und neue –, die für die Führung eines Teams verantwortlich sind. Das Training wird alle zwei bis drei Jahre wiederholt.
  • Implementierung eines Awareness-und Sensibilisierungs-Programms für bestehende und neue Mitarbeitende.
  • Durchführung von regelmässigen Mitarbeitendenbefragungen.
  • Regelmässiger Austausch zwischen den verschiedenen involvierten Gremien und Akteuren auf nationaler und regionaler Ebene.

Umsetzung bereits begonnen

Verwaltungsratspräsident Jean-Michel Cina erklärte gemäss Communiqué, die Umsetzung des Pakets beginne sofort. Ihm sei es ein grosses Anliegen, dass niemand mehr inakzeptable Arbeitsbedingungen hinnehmen müsse, und ein Klima gegenseitigen Respekts weitere Vorfälle verhindere.

SRG-Generaldirektor Direktor Gilles Marchand versicherte, dass er sich für Null-Toleranz einsetzen werde. Das Unternehmen werde gestärkt aus dieser Krise hervorgehen.

Der Verwaltungsrat reagierte mit den externen Untersuchungen und dem aktuellen Massnahmenkatalog auf die Vorwürfe sexueller Belästigungen und Mobbings beim RTS, welche die Westschweizer Tageszeitung «Le Temps» veröffentlicht hatte. Die Betroffenen berichteten der Zeitung von offener Belästigung, ungewollten Küssen, anzüglichen Kommentaren und systematischem Machtmissbrauch.

SRG-Untersuchungen stützen Darius Rochebin

Angeschuldigt wurden drei Mitarbeiter, darunter Darius Rochebin, langjähriger Star-Moderator der RTS-Tagesschau. Die von der SRG eingesetzten unabhängigen Experten attestierten ihm eine weisse Weste. Ein Kadermitarbeiter musste aber gehen, ein weiterer Mitarbeiter wurde sanktioniert.

Obwohl es zu keinen gravierenden Fehlern in der Chefetage gekommen war, verliessen auch der TV-Chefredaktor und der Leiter der Personalabteilung den Sender.

SRG-Generaldirektor Marchand war zum Zeitpunkt der Ereignisse Direktor von Radio Télévision Suisse (RTS). Der SRG-Verwaltungsrat sprach ihm aber sein Vertrauen aus. Zwar hatte er seine «sekundäre Aufsichtsverantwortung» zu wenig wahrgenommen. Ihm seien aber keine «gravierenden Fehler» vorzuwerfen, hielten die externen Gutachter fest. Auch der aktuelle RTS-Chef Pascal Crittin behielt seinen Job.

Auch RSI betroffen

Neben den Vorfällen bei RTS tauchten auch beim Tessiner Fernsehen Radiotelevisione svizzera (RSI) auf. Die Mediengewerkschaft SSM registrierte 32 Beschwerden wegen sexueller Übergriffe, Mobbings und weiterer Persönlichkeitsverletzungen. Auch dort wurde eine externe Untersuchung eingeleitet. (SDA)

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