Seit knapp einem Monat ist Urs Gredig (49) wieder bei SRF zu sehen. Der TV-Mann wechselte von «CNN Money Switzerland» zurück an den Leutschenbach, präsentiert dort neben «10 vor 10» auch seine eigene Talkshow «Gredig direkt». Diese kommt bei Kritikern und Publikum nach drei Ausgaben allerdings gar nicht gut weg.
Die «NZZ am Sonntag» betitelte die Sendung als «Gipfel der Bravheit», beurteilte sie ähnlich amüsant wie die Wettervorhersage und schreibt, der Talk sei belanglos. Es gäbe keinen Grund, sich die Sendung anzuschauen. Grund: Gredig fasse seine Gäste mit Samthandschuhen an, es wird sogar von einer «Wellness-Behandlung» gesprochen.
Wohlfühlprogramm für Andreas Meyer und Sepp Blatter
Als Beispiel werden die Interviews mit dem abgetretenen SBB-Chef Andreas Meyer (59) und dem Ex-Fifa-Boss Sepp Blatter (84) genannt. Statt Meyer mit den negativen Punkten des letztjährigen SBB-Jahresberichts zu konfrontieren, brachte Gredig beim Wirtschaftsmann in Erfahrung, dass dieser in einem Hoodie und barfuss am Esstisch sitze, schreibt das Blatt. Noch absurder sei das Gespräch mit Sepp Blatter gewesen. Statt sich für die Korruptionsfälle zu rechtfertigen, zeigte sich der Walliser als Opfer und sagte, seine Enkelin sei in der Schule in Sitten gemobbt worden. Ob Blatter Mitschuld daran tragen würde? Diese Frage wurde nicht gestellt.
Auch Twitter-User kritisieren das lasche Vorgehen von Gredig. «Ich weiss nicht, woher dieser Drang zur Stiefelleckerei am Leutschenbach kommt», schreibt ein Nutzer. «‹Gredig direkt› ist also, wenn man unangenehme Themen bewusst auslässt.» Ein anderer User geht sogar noch weiter: «Netter, seichter Talk. Ohne Tiefe. Nichts überraschendes.»
Auch Zuschauerzahlen sinken
Das schlechte Zuschauer-Urteil spiegelt sich auch in den Zahlen wider: Hatte die erste Ausgabe mit Andreas Meyer noch 202'000 Zuschauer, waren es bei der letzten Sendung mit Sepp Blatter nur noch 149'000. Spannend: «Gredig direkt» läuft auf einem viel besseren Sendeplatz als das Vorgängerformat von Roger Schawinski (74). Während dieser stets am Montagabend um etwa 23 Uhr seinen Gästen harte Fragen stellte, plaudert Gredig am Donnerstagabend direkt nach «10 vor 10» mit seinem Gegenüber.
Trotzdem gibt sich der neue SRF-Talkmaster mit dem Start zufrieden. «Selbstverständlich sehe ich nach drei Sendungen noch das eine oder andere Verbesserungspotenzial. Punkto Stil und Tonalität der Sendung hingegen sind wir schon ziemlich genau da, wo ich mit dem Talkformat hin will», sagt er gegenüber «persoenlich.com». Er wolle mit seiner Sendung ein respektvoll-forderndes Gespräch auf Augenhöhe mit einem echten Interesse am Gegenüber bieten, das im Idealfall auch die unbekannten Seiten einer bekannten Persönlichkeit zutage fördere.
Gredig bleibe «flauschig von Anfang bis Ende»
Diese Art des Gesprächs kennt auch die «NZZ am Sonntag». «Der Moderator legt ein Schaumbad aus, bevor er zu den kniffligen Fragen kommt – das ist eine Taktik, die Journalisten in Interviews manchmal anwenden», schreibt sie. «Gredig tut das nicht. Er bleibt flauschig von Anfang bis Ende.»
Dass er Blatter nicht einmal auf den in der letzten Woche abgeschlossenen «Sommermärchen»-Prozess angesprochen hatte, habe mit der früheren Aufzeichnung der Sendung zu tun. Der Talk wurde bereits zwei Wochen zuvor aufgenommen. «In aller Regel zeichnen wir jeweils so zeitnah wie möglich auf. Eine frühere Aufnahme kann jedoch – gerade in der jetzigen Zeit, wo auch die Gästeplanung unter erschwerten Bedingungen organisiert werden muss – nicht immer ausgeschlossen werden», so Gredig.
Ob sich der TV-Talker die Kritik zu Herzen nimmt, wird sich in der vierten Folge am Donnerstagabend um 22:25 Uhr zeigen. Wer dann zu Gast ist, ist noch nicht bekannt. (imh)