Sie sind die Serienmacher der Stunde: Produzentin Sophie Toth (44) und David Constantin (38), Autor, Regisseur und Hauptdarsteller des Überraschungserfolgs «Tschugger», der innert Kürze Kultstatus erlangte. Nun läuft Staffel 2 auf Sky Show. Blick hat das Kreativduo in den Büros von Shining Film in Zürich-Wollishofen zum Interview getroffen.
Blick: Sepp Blatter, Sina und Pirmin Zurbriggen waren früher die bekanntesten Walliser. Nun Sie und Ihr Namensvetter Christian Constantin. Sind Sie stolz auf diese Ehre?
David Constantin: Danke für das Kompliment. Ich nehme dies aber bei Weitem nicht so wahr. Ich sehe mich immer noch eher als den seltsamen Typen aus Salgesch, der diese schrägen Videos macht. Aber natürlich ist es schön, mit diesen Namen genannt zu werden, das sind alles Legenden.
Kennen Sie Ihren Namensvetter persönlich? Verwandt seid ihr ja nicht.
Ich kenne ihn und habe schon mal mit ihm gedreht. Im Nachhinein war das sehr lustig. Wir hatten damals mit ihm um 10 Uhr in Salgesch abgemacht. Kurz vorher spricht er mir auf die Combox und sagt, er komme gleich, sei allerdings noch nicht im Wallis, sondern in Rom, steige aber nun ins Flugzeug. Um 13 Uhr fuhr er dann vor, und wir drehten die Szene. Und jetzt hat er diesen Balotelli-Transfer gemacht. Toll fürs Wallis und für uns, das gibt super Geschichten.
Besuchen Sie manchmal Sion-Spiele?
Letztmals sah ich die Mannschaft mit Freunden im Wankdorf gegen YB. Da haben wir leider auf den Deckel gekriegt, und ich musste mir viele Sprüche anhören. Aber ich bin gespannt, was am 22. Oktober in Bern passiert.
Sie und Sophie Toth sind die Köpfe hinter «Tschugger». Wie lange arbeiten Sie schon zusammen?
Sophie Toth: Seit etwa zehn Jahren. Wir machten zuerst zusammen Werbung, Web- und nun TV-Serien.
Haben Sie auch sonst Berührungspunkte mit dem Wallis?
Ja, ich bin im Berner Oberland aufgewachsen und war viel im Wallis, von Thun aus ist das ein Katzensprung.
Ist David ein typischer Walliser?
(Sie lacht schallend) Mir kommen gerade Eringer Kühe und Schwarznasenschafe in den Sinn ... Vom Charme her ist David sicher ein Walliser, von der Freundlichkeit und der Offenheit her auch. Er ist auch ein wenig dickköpfig. Sicher ist er weltoffener, als man es den Wallisern zuschreibt. Aber ich möchte keine Klischees weiterverbreiten.
David, wo ist für Sie das Wallis am typischsten?
Schwierig zu sagen. Nur schon jedes Seitental ist so verschieden und hat seinen eigenen Dialekt. Aber für mich ist das Wallis wohl am typischsten in Salgesch, dort, wo ich herkomme. In der Dorfbeiz Frohheim, wo man sich nach dem Fussballtraining zu einem Glas Wein trifft und über die ganz grossen Themen philosophiert. Dort lernt man das Wallis und seine Geschichten am besten kennen. So als kleiner Touri-Tipp: Nicht zuvorderst hinsetzen, anfangs schön im Hintergrund bleiben und dann eine Runde zahlen. So gewinnt man das Herz der Walliserinnen und Walliser. Oder kauft es (lacht).
Sind Sie eher der Wein- oder der Biertyp?
Wein. Ich bin ja in einer Winzer-Familie aufgewachsen. Zu den Favoriten gehört der neuere Roséwein Blanc de Noir meiner Familie oder ein Cornalin, passend zum Herbstgericht Brisolée.
Und wie steht es mit heissem Käse?
Am liebsten hab ich das Tomatenfondue meiner Mama. Gefolgt vom Raclette. Das mag ich aber gerne etwas exotischer und streue Curry drauf. Gewisse Walliser würden mir dafür jetzt wohl den Kopf umdrehen.
Ein gutes Stichwort: Wurden Sie auch als Nestbeschmutzer beschimpft? In «Tschugger» werden auch negative Seiten der Walliser gezeigt: Korruption, Vetterliwirtschaft usw.
Constantin: Ich glaube immer noch, dass die Walliser ein gutes Mass an Selbstironie besitzen und gut über sich selbst lachen können. Dieses Gefühl hat sich durch die Serie nicht verändert.
Toth: Wir hatten auch verschiedene Screenings vor Ort, da wurde sehr viel gelacht.
Constantin: Es gab eigentlich wenig negatives Feedback. Meine Tante fand, wir fluchen zu viel, und der Cowboy von der Riederalp (er spricht wohl den Skiakrobat Art Furrer, Anm. d. Red.) meinte, wir würden alle wie Besoffene sprechen. Aber so redet man hier im Tal. Vielleicht war er zu lange oben in den Bergen.
Toth: Diskussionen gab es wegen der Untertitelung. Nötig oder nicht? Für eine breitere Verständlichkeit hat es sicher geholfen. Und sogar Walliser sagten: Gut, gibt es Untertitel. An die Mutter eines Polizisten kann ich mich auch noch erinnern. Sie meinte, sie könne nicht dahinterstehen, wie die Walliser Polizei dargestellt werde. Aber das war es an negativer Kritik.
Constantin: Ich wurde aus keinem Verein geworfen und bin noch überall willkommen.
Gibt es in Staffel 2 Unterschiede punkto Personal?
Constantin: Wir haben fast alle recycelt, aber es erscheinen auch neue Figuren, zum Beispiel zwei Skilehrer. Doch es gibt auch ein paar herbe Verluste, aber wir wollen nicht zu viel spoilern. Es wären alle gerne wieder voll dabei gewesen, doch musste dramaturgisch etwas passieren, «Kill your Darlings» ist das Stichwort.
Toth: Und alle betroffenen Darlings waren sehr traurig. Mancher, der das Drehbuch las und merkte, dass er irgendwann stirbt, musste intensiv getröstet werden.
Staffel 1 war aus dem Stand ein Hit. Ist der Erwartungsdruck jetzt grösser?
Toth: Für mich war ehrlich gesagt der Druck bei Staffel 1 grösser. Das war unser erstes und so langes Projekt und wir wussten nicht, wie diese Art von Humor ankommt.
Constantin: Wir wussten nicht, werden wir nun auf der Strasse angefeindet? Gibt es dumme Sprüche?
Toth: Für David war es jedoch viel riskanter. Ihn erkennt man, mich nicht.
Constantin: Als Staffel 1 rauskam, war die zweite Staffel bereits abgedreht. Ich wusste: Egal, wie es ankommt, die Fortsetzung ist eh schon im Kasten. Der Erwartungsdruck kam dann, als wir im Schnittraum sassen. Aber so ein bisschen Druck tut ganz gut und hilft, dass man im Schnitt alles aus dem Material herausholt.
Werden Sie auf der Strasse angesprochen? Gibt man Ihnen Tipps für eine allfällige Fortsetzung?
Constantin: Ja, und ich musste einigen Leuten auch erklären, dass ich privat nicht bei der Polizei arbeite. Die ersten Wochen waren schon sehr ungewöhnlich. Plötzlich wurde ich erkannt, beim Joggen oder Einkaufen. Das waren meist schöne Begegnungen, und sie hätten auch noch länger dauern können. Die Schweizerinnen und Schweizer sind diesbezüglich sehr scheu. Ein kurzes «Hallo Bax» und gleich wieder weg waren sie.
Was uns natürlich auch interessiert: Fahren Sie privat ähnlich rasant Auto wie in der Serie?
Constantin: Ich fahre meistens Velo, zurzeit Publibike, ich muss für Zürich noch ein Velo kaufen. Und ich bin viel mit dem ÖV unterwegs.
Toth: Und Kettenraucher bist du auch nicht (lacht).
Constantin: Ich hatte grosse Sorgen, dass das Rauchen nicht echt aussieht und trainierte vorher lange mit einem Glacestängel. Zwei, drei autobiografische Parallelen gibt es schon. So werde ich auch privat von vielen Leuten Bax genannt.
Aber Sie können sich privat schon von der Rolle lösen?
Constantin: Ja, ich hoffe es doch. Obwohl es da ein paar Sachen gäbe, die ich privat gerne von ihm hätte. Aber ich habe schon einen breiteren Horizont.
Toth: ... und du bist auch ein bisschen empathischer (lacht).
Nach dem Erfolg in der Schweiz war auch von einer hochdeutschen Version die Rede.
Toth: Die läuft schon auf Sky Deutschland und Sky Österreich. Eingesprochen wurde sie von den jeweiligen Darstellerinnen und Darstellern. Für uns klingt es Hochdeutsch, für die Deutschen und Österreicher ist es klar in der Schweiz zu verorten.
Constantin: Wir wurden als Walliser schon in der Uni in Bern immer geneckt wegen unseres Hochdeutschs. Das konnten wir nun endlich einmal gewinnbringend einsetzen.
Von der SRF-Serie «Der Bestatter» gibt es bald eine Kinoversion. Wäre das auch eine Option beim «Tschugger»?
Constantin: Für mich eher nicht, ich finde es zurzeit spannender, mit Comedy seriell zu arbeiten.
Toth: «Tschugger» als Kinospielfilm sehe ich nicht. Aber ein Spin-off könnte ich mir im Kino durchaus vorstellen.
Wie würde das aussehen? Bax geht zur Bundespolizei?
Constantin: Das trauen Sie mir zu? Ich glaube, wir laden Sie in den Writer’s Room ein.
Was uns zur letzten Frage bringt: Gibt es eine Staffel 3?
Beide: Das ist noch nicht spruchreif.
Nach der Matur versucht sich der Winzersohn David Constantin aus Salgesch VS in verschiedenen Studien und besucht in New York eine Filmschule. Schlussendlich schliesst er als Betriebsökonom ab. Erstmals für Aufsehen sorgt das Multitalent 2012 mit der Online-Serie «Tschutter» über den FC Salgesch. «Tschugger»-Figuren wie Bax, Pirmin und der «Smetterling» kommen in Ansätzen schon vor. Rund zehn Jahre arbeitet Constantin dann am Projekt um eine Walliser Polizeistation. Ähnlich lange dauert die Zusammenarbeit mit der Berner Produzentin Sophie Toth. Die beiden lernen sich über die Werbung kennen. Sie ist in Thun aufgewachsen, seit 2013 bei Shining Film tätig und mittlerweile Teilhaberin der Firma. Davor erlangte sie an der Uni Zürich einen Master of Arts.
Nach der Matur versucht sich der Winzersohn David Constantin aus Salgesch VS in verschiedenen Studien und besucht in New York eine Filmschule. Schlussendlich schliesst er als Betriebsökonom ab. Erstmals für Aufsehen sorgt das Multitalent 2012 mit der Online-Serie «Tschutter» über den FC Salgesch. «Tschugger»-Figuren wie Bax, Pirmin und der «Smetterling» kommen in Ansätzen schon vor. Rund zehn Jahre arbeitet Constantin dann am Projekt um eine Walliser Polizeistation. Ähnlich lange dauert die Zusammenarbeit mit der Berner Produzentin Sophie Toth. Die beiden lernen sich über die Werbung kennen. Sie ist in Thun aufgewachsen, seit 2013 bei Shining Film tätig und mittlerweile Teilhaberin der Firma. Davor erlangte sie an der Uni Zürich einen Master of Arts.