Während hierzulande Maskenpflicht und Quarantäne schon fast wieder in Vergessenheit geraten sind, ist die Situation in China ganz anders. Das erlebt SRF-Korrespondentin Claudia Stahel (42) hautnah: Nach einem Aufenthalt in der Schweiz ist sie zurück an ihrem Arbeitsort, sitzt jedoch bereits seit Tagen im Hotel in Shanghai fest. Nachdem in ihrer Nachbarschaft jemand positiv auf das Coronavirus getestet wurde, hat der Staat alle Gebäude in ihrer Nähe abgeriegelt. Das Resultat: Statt 10 muss sie nun 16 Tage im «mittlerweile schmutzigen» Quarantäne-Hotelzimmer verbringen.
«Ich war mental darauf vorbereitet, dass ich sieben bis zehn Tage in Hotelquarantäne muss. Worauf ich nicht vorbereitet war: Dass ich direkt von der Quarantäne in einen Lockdown schlittern könnte», erzählt Claudia Stahel im Interview mit Blick. Eigentlich wäre sie vergangenen Sonntag aus der Quarantäne entlassen worden. «Als ich aber mit meinem Gepäck unten in der Lobby ankam, war die Eingangstür verriegelt», erinnert sie sich. Das sei der Tiefpunkt gewesen: «Zu wissen, die Quarantäne ist überstanden, theoretisch könnte man nach Hause. Aber wegen eines nicht nachvollziehbaren Behördenentscheids sitzt man weiterhin fest.»
So verbringt Claudia Stahel ihren Tag
Während der Quarantäne werde man 24 Stunden am Tag in ein Hotelzimmer gesperrt. «Die Zimmertür darf man nur öffnen, wenn ein Covid-Test ansteht oder das Essen vor die Tür gestellt wird», ergänzt sie. Essen gebe es jeweils um 8 Uhr, 12 Uhr und 18 Uhr.
Wichtig während der Quarantäne sei ein geregelter Tagesablauf. «Jeden Morgen lerne ich als erstes Chinesisch. Zuerst im Selbststudium und danach von 10 bis 11 Uhr habe ich Onlineunterricht mit meiner Chinesisch-Lehrerin Grace», berichtet Stahel. Nach dem Mittag bis in den Abend hinein arbeite Stahel für das SRF. «Zum Beispiel habe ich für die ‹Tagesschau› einen Beitrag in meinem Hotelzimmer gedreht und geschnitten. Ich habe viel zu tun», so Stahel.
Mitte Oktober stehe der Parteikongress in Peking an: «Da gilt es, zu recherchieren, Geschichten anzustossen und alles neu zu überdenken.» Wegen des Lockdowns seien gewisse Drehs, die sie geplant habe, aber nicht mehr möglich. Während ihrer Freizeit hat die SRF-Korrespondentin nur wenig Möglichkeiten, sich zu beschäftigen: «Ich telefoniere regelmässig mit meiner Familie und Freundinnen und Freunden. Weil ich den ganzen Tag bereits am Computer sitze, habe ich während der Isolation keine Lust auf Binge-Watching. Ab und zu mache ich Sport. Aber das Zimmer ist klein. Die Yogamatte kann ich nur knapp ausrollen.»
Darauf freut sich die SRF-Korrespondentin am meisten
Auf Instagram berichtet die TV-Frau täglich vom «Covid-Wahnsinn in China». Anfangs zeigte die Journalistin dort noch ihren Quarantäne-Proviant mit Schweizer Scheibenkäse, Mayonnaise und Ovo-Schoggi. Weil sie nicht mit dem Lockdown gerechnet habe, habe sie zu wenig eingepackt. Mittlerweile ist sie froh um Essenslieferungen mit Gurken, Äpfeln und Tomaten: «Ist ja ganz nett. Aber ich hätte lieber meine Freiheit als Früchte und Gemüse», so Stahel zu ihren Followern auf Instagram.
Am Samstag darf sie das Quarantäne-Hotel verlassen. Vorbei ist das Corona-Chaos dann aber noch nicht. Am selben Tag sowie am Sonntag muss sie in ihrem Quartier zum Massentest antreten. Erst danach kann sie endlich ihre Freiheit geniessen. «Am meisten freue ich mich auf meine Freundinnen und Freunde in Shanghai, auf einen Cappuccino zum Frühstück und Salat», verrät Claudia Stahel.
Politische Gründe für drastische Massnahmen
Besonders wichtig zu betonen, sei ihr: «Meine Geschichte ist nur eine von vielen. Zum Teil sind in China ganze Städte abgeriegelt. Besonders in Xinjiang und Tibet ist die Lage dramatisch. Wie viele Menschen betroffen sind, weiss niemand so genau. Eine offizielle Übersicht gibt es nicht.»
Dass die Behörden so drastisch durchgreifen, habe auch politische Gründe. Die Journalistin erklärt abschliessend: «Mitte Oktober findet in Peking der 20. Parteikongress statt. Generalsekretär und Staatsoberhaupt Xi Jinping will sich dann eine dritte, historische Amtszeit sichern. Und nichts, schon gar nicht ein unkontrollierter Covid-Ausbruch, soll diese Feierlichkeiten trüben.»