TV-Moderatorin Angélique Beldner hat ein Buch über Rassismus geschrieben
«Ich konnte mich der Thematik nicht mehr länger entziehen»

Sie hat rassistische Äusserungen lange weggesteckt und sich dem Schmerz entzogen. Jetzt hat SRF-Moderatorin Angélique Beldner (45) ihre Erlebnisse in einem Buch verarbeitet.
Publiziert: 15.08.2021 um 00:51 Uhr
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Aktualisiert: 15.08.2021 um 09:36 Uhr
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Angélique Beldner hat ein Buch zum Thema Rassismus geschrieben.
Foto: SRF/Oscar Alessio
Interview: Peter Padrutt

Angélique Beldner (45) meldet sich morgen mit ihrem Quiz «1 gegen 100» aus der Sommerpause zurück. Die Bernerin pendelt erfolgreich zwischen News und Unterhaltung. Gleichzeitig hat sie auch ein engagiertes Buch geschrieben, in dem sie schildert, wie sie selber Rassismus erlebt hat.

SonntagsBlick: Sie sind bei «1 gegen 100» schon erfolgreich in die Fussstapfen von Susanne Kunz getreten. Jetzt wird wieder ein spannender Job bei SRF frei. Ueli Schmezer hört beim «Kassensturz» auf. Das wäre doch was für Sie?
Angélique Beldner: Ich mache News und Quiz. Das ergänzt sich wunderbar und erfüllt mich ausreichend. Danke!

25 Jahre moderierte Schmezer den «Kassensturz». Da wäre es doch an der Zeit, wenn ihn eine Frau ablöst?
Warum nicht? Aber es gibt ja glücklicherweise viele Topmoderatorinnen bei Schweizer Radio und Fernsehen und auch ausserhalb. Ausserdem moderiert mit Kathrin Winzenried bereits eine hervorragende Journalistin den «Kassensturz».

Wie viele Fragen haben Sie als Moderatorin von «1 gegen 100» schon gestellt – und welches war die vielleicht speziellste?
Das waren wohl so rund 1400 Fragen. Wie schön es wäre, wenn ich mir all deren Antworten hätte merken können! Doch einiges bleibt schon hängen. Ich weiss zum Beispiel nur dank «1 gegen 100», dass der Gürtel für den höchsten Meistergrad im Judo gar nicht der schwarze, sondern der rote ist. Als ich die richtige Antwort vor mir sah, wollte ich sie erst gar nicht sagen, weil ich überzeugt war, dass der Redaktion ein Fehler unterlaufen ist.

Im September erscheint Ihr Buch «Der Sommer, in dem ich Schwarz wurde». Sie thematisieren darin, dass Sie sich erst 2020 Ihrer Hautfarbe bewusst wurden. Was war der Auslöser?
Mir war selbstverständlich immer bewusst, wie ich aussehe. Doch ich hätte mich früher nie als schwarze Frau bezeichnet, weil ich, wenn man es genau nimmt, ja schwarz und weiss zu gleichen Teilen bin. Ein Elternteil ist «schwarz», der andere «weiss». Ich wollte in der Vergangenheit nicht, dass man meine Hautfarbe zum Thema macht. Ich selbst wollte sie nicht zum Thema machen.

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Und das hat sich im Sommer 2020 geändert?
Ich musste mir selbst eingestehen, dass wir einfach noch nicht so weit sind, dass Hautfarben keine Rolle mehr spielen. Ich musste und wollte mir meiner Erlebnisse rund um die Hautfarbe bewusst werden und mich ihnen stellen. Eine Art Emanzipation und ein Zu-mir-selbst-Finden. Ich wollte mich der Thematik nicht länger entziehen, konnte es nicht mehr. Weil ich direkt betroffen bin und dies auch als Verantwortung empfinde. Und als «schwarz» im Sinne einer Hautfarben-Beschreibung sehe ich mich übrigens immer noch nicht. Der Begriff «Schwarz» wird heute von vielen als politische Selbstbezeichnung verwendet.

In der Ankündigung heisst es: «Angélique Beldner hat lange geschwiegen, rassistische Äusserungen entschuldigt, weggesteckt und so versucht, sich dem Schmerz zu entziehen.» Welche Anfeindungen waren in ihrem Leben am schlimmsten?
Es sind nicht die einzelnen Erlebnisse, sondern die Summe von ganz vielen. Und nachhaltig schmerzhaft sind für mich die Erlebnisse, mit denen man sich so allein fühlt, weil sie oft von Menschen, die davon nicht betroffen sind, nicht verstanden, verharmlost oder negiert werden. Die offensichtlichen rassistischen Erlebnisse kann man erzählen und stösst immer auf sehr viel Verständnis und Unterstützung. Da fühlt man sich getragen und nicht alleingelassen.

Persönlich

Angélique Beldner kam 1976 in Bern zur Welt, ihr Vater stammt aus dem westafrikanischen Land Benin. Nach einer Typografenlehre ging sie ihrem Traum vom Schauspielen nach, allerdings schreckte sie die berufliche Unsicherheit rasch ab. Kontakte zu Medien knüpfte sie als Assistentin im traditionsreichen Berner Konzertlokal Bierhübeli. Ab 2000 erlangte sie beim Berner Radio Förderband Kultstatus. 2008 wechselte sie zum SRF. Beldner ist verheiratet und Mutter zweier Buben.

Angélique Beldner kam 1976 in Bern zur Welt, ihr Vater stammt aus dem westafrikanischen Land Benin. Nach einer Typografenlehre ging sie ihrem Traum vom Schauspielen nach, allerdings schreckte sie die berufliche Unsicherheit rasch ab. Kontakte zu Medien knüpfte sie als Assistentin im traditionsreichen Berner Konzertlokal Bierhübeli. Ab 2000 erlangte sie beim Berner Radio Förderband Kultstatus. 2008 wechselte sie zum SRF. Beldner ist verheiratet und Mutter zweier Buben.


Jana Pareigis, die neue «Heute»-Moderatorin im ZDF, hat Wurzeln aus Simbabwe. Bei ihrem Start sagte sie: «Ich hoffe, dass es selbstverständlich wird, dass es schwarze Moderatorinnen gibt.» Würden Sie ihr beipflichten?

Schwarz, grün, gelb, dick, dünn, mit Glatze oder Afro – ja, ich wünsche mir, dass die Diversität, die wir in unserer Gesellschaft haben, auch im gleichen Mass sichtbar ist. Überall, nicht nur im Fernsehen.

Ist mit Frauen wie Ihnen oder Jana Pareigis beim Fernsehen ein Stück weit Normalität eingekehrt?
Wir sind sicher noch nicht da, wo wir sein sollten. Normalität ist für mich dann eingekehrt, wenn das Buch, das ich zusammen mit dem Schriftsteller Martin R. Dean geschrieben habe, obsolet ist und wenn solche Fragen, wie Sie sie mir hier stellen, überholt und überflüssig sind.

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Ist man aufgrund der Herkunft auch für andere gesellschaftliche Themen sensibilisiert?
Sie sagen es: Sensibilisiert sein ist das Zauberwort. Wenn wir alle mit offenen Augen und Ohren durch die Welt gehen, einander zuhören, wenigstens versuchen, einander zu verstehen, dann werden wir weiterkommen. Davon bin ich überzeugt. Die rasche Abwehrhaltung, die oft zu spüren ist, die, finde ich, könnten wir überdenken. Wir alle – ich schliesse mich da selbst nicht aus.

Wie haben Sie eigentlich Ihre Kindheit erlebt? Waren Sie angepasst oder rebellisch?
Grundsätzlich war ich sehr angepasst – ich hatte schon nur aufgrund meiner Hautfarbe das Gefühl, es sein zu müssen. Denn wenn ich es nicht war, hiess es manchmal: «typisch» oder «Wer sich hier nicht unterordnen will, kann gehen». Auf der anderen Seite war ich ein enorm lebhaftes Kind, konnte mich gar nicht so sehr anpassen, wie ich das eigentlich gerne wollte. Ich schwatzte zum Beispiel zu viel während der Schulstunde und wurde auch mal vor die Tür geschickt. Und rebellisch war ich dann, wenn ich etwas als ungerecht empfand – allerdings nie in Bezug auf erlebten Rassismus. Da habe ich stets geschluckt.

Gibt es heute noch negative Reaktionen auf Ihre Wurzeln?
Aber sicher.

Wenn Sie heute eine Nachricht aussuchen könnten, die Sie am liebsten verlesen würden – welche wäre das?
Ich wünsche mir vor allem Nachrichten, die ich nicht mehr vermelden muss. Wie Themen zu fehlender Gleichberechtigung und zu Diskriminierung – ich welcher Art auch immer.

Und wann und wo erschaudern Sie immer wieder – bei welchen Nachrichten?
Mich macht wütend, wenn Menschenrechte mit Füssen getreten werden. Und Wegschauen, wenn man die Möglichkeit und die Freiheit hätte, etwas dagegen zu tun, beelendet mich ebenfalls.

Können Sie aus der Sendung «1 gegen 100» eigentlich auch Nutzen für die «Tagesschau»-Arbeit ziehen?
Ich glaube, dass ich ein Stück weit Gelassenheit in die «Tagesschau»-Arbeit nehmen kann.

Schauen Ihre Kinder gelegentlich «1 gegen 100», und wie finden sie das Mami?
Ja, gelegentlich schauen wir die Sendung gemeinsam. Sie wollen dann immer schon die Antwort wissen, bevor ich sie im TV sage. Doch das verrate ich ganz konsequent nie. Da sind sie immer ein bisschen genervt. Aber ehrlich gesagt weiss ich manchmal die richtige Antwort selbst nicht mehr (lacht).

Was für ein Format würden Sie am liebsten moderieren?
Vielleicht irgendwann mal ein neues Newsformat, in dem viel getalkt wird, das aber auch einen gewissen Unterhaltungswert hat? Träumen darf man ja.

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