Er habe geschrieben, gespielt, gleichzeitig auch noch Regie geführt – und dadurch gegen alle Regeln der Branche verstossen, sagt SRF-Fiktionsleiter Urs Fitze (64) über David Constantin (37). Fitze sagt dies bewundernd. Tatsächlich bewahrheitet sich mit der gestern Abend angelaufenen Serie «Tschugger» der lateinische Sinnspruch «Den Mutigen hilft das Glück».
Der Oberwalliser Constantin hat rund zehn Jahre mit grossem Risiko am Fünfteiler um einen Chaos-Polizeiposten gearbeitet. Mit der drei Millionen teuren Produktion spannte das SRF erstmals mit einem ausländischen Streamingdienst zusammen, Netflix-Konkurrent Sky möchte damit neue Märkte erobern.
Die Bildsprache von «Tschugger» ist mutig, frisch und trotzdem schwer verstaubt – natürlich pure Absicht! Die Gag-Dichte ist für Schweizer Verhältnisse einzigartig. Jede Folge brennt ein Feuerwerk von Zitaten und Verweisen ab und bindet nicht nur die Generation Social Media. Die Bandbreite reicht von den 1990ern (Kultfilm «Fargo») über die 1980er («Beverly Hills Cop») und 1970er («Die Strassen von San Francisco») bis zu den Spaghetti-Western der 1960er. Hallo, Raclette-Western!
Mutlose Programmierung
Weiteres Merkmal ist ein Grossaufgebot an Laiendarstellern und prominenten Gästen: Der von Izzy Projects bekannte Cedric «Cedi» Schild (29) spielt den Polizei-Praktikanten Smetterling, Sängerin Anna Rossinelli (34) gibt eine Bundespolizistin und Mike Müller (58) verkörpert ... einen Bestatter! Das ist alles herrlich unterhaltsam.
Dazu hagelt es in «Tschugger» Anspielungen auf reale Walliser Figuren wie den Hanfbauern Bernard Rappaz (68) oder Kapo-Chef Christian Varone (58). Die fiktive Rapperin Valmira, verkörpert durch Newcomerin Annalena Miano (21), lässt die Causa Loredana (26) anklingeln. 2019 ermittelte die Staatsanwaltschaft gegen die Erfolgsmusikerin, weil sie ein Walliser Ehepaar angeblich um 700'000 Franken erleichtert hatte.
Stellenweise derber Humor
Diese Trümpfe dürften sich gleichzeitig als Schwächen erweisen. Funktionieren die Insider-Pointen in der Üsserschwiiz? Wie lässt sich Dialektcharme in eine hochdeutsche Synchronversion retten, von einer geplanten englischen Variante ganz zu schweigen? Hinzu kommt: Der Humor ist stellenweise derb, er könnte ein weibliches Publikum verschrecken.
Auch das Schweizer Fernsehen witterte im Vorfeld der Ausstrahlung diese Gefahr: «Tschugger» wurde auf den Comedy-Platz nach dem «Tatort» gelegt, wenn wohl viele Zuschauerinnen und Zuschauer schon gemütlich vor sich hindämmern. Schade um den ganzen Mut der «Tschugger»-Macher.