Stars ohne Rampenlicht
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Absagen, halbleere Ränge:Corona-Déjà-vu bei Künstlern und Veranstaltern

Tourneen abgesagt, halbleere Ränge, Ticketverkauf eingebrochen
Stars ohne Rampenlicht

Egal ob Musiker, Schauspielerinnen, Clowns, Zauberer, Artistinnen oder die Mitarbeitenden hinter den Kulissen: Auf die Schweizer Event- und Showbranche kommt wieder ein ganz harter Winter zu. Blick hat sich in der Unterhaltungsbranche umgehört.
Publiziert: 08.12.2021 um 00:42 Uhr
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Aktualisiert: 08.12.2021 um 11:04 Uhr
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Beatrice Egli musste die geplanten Konzerte ihrer Tournee in den nächsten Frühling verschieben. «Das tut mir sehr weh und ist hart. Aber ich tröste mich mit dem Sprichwort 'Aufgeschoben ist nicht aufgehoben'.»
Foto: imago images/POP-EYE
Katja Richard, Michel Imhof und Jean-Claude Galli

Unschönes Déjà-vu für Künstler und Veranstalter in der Schweiz und ganz Europa: Aufgrund der steigenden Fallzahlen bahnt sich im Event- und Showbereich für diesen Winter eine ähnlich prekäre Situation wie vergangenes Jahr an. In den letzten Tagen häuften sich Verschiebungen und Absagen.

Beatrice Egli bricht es das Herz

Prominentes Beispiel ist Beatrice Egli (33), die ihre Tournee nun in den März 2022 verlegt. «Es bricht mir das Herz, die schon so oft verschobenen Konzerte nun auch im Dezember wieder nicht spielen zu können», sagt der Schlagerstar. «Die aktuellen Umstände machen ein unbeschwertes Zusammensein in der geplanten Grössenordnung allerdings derzeit einfach nicht möglich.»

Krokus-Frontmann Marc Storace (70) hätte heute Mittwoch Plattentaufe seines Solo-Albums «Storace» in Zürich gehabt, er hat die Show nun auf Mitte Mai verschoben. «Wir hätten uns einen schöneren Jahresabschluss mit vielen Konzerten gewünscht», sagt er, «doch es ist unglaublich schwierig, die momentane Lage genau abzuschätzen.»

Auch die Tessiner Rockband Gotthard verlegt ihre Dezember-Konzerte in den nächsten Frühling: «Aufgrund der aktuellen Corona-Entwicklung kann eine sichere Durchführung nicht gewährleistet werden. Wir sind zutiefst enttäuscht.»

Fest vom Virus weggepflügt

Doch trifft es nicht nur Musiker: Clownin Gardi Hutter (68) musste zuletzt Auftritte in Lugano und Mailand streichen, während ihr Gastspiel im ägyptischen Kairo von nächster Woche offiziell noch nicht abgesagt ist. «Umgekehrt wäre einfacher gewesen», scherzt sie. Nun hofft sie auf die Auftritte im Zürcher Theater am Hechtplatz im Januar. «Sie sind der Ersatz meines 40-Jahr-Jubiläums. Mein Fest wurde vom Virus einfach weggepflügt.»

Über 150 Auftritte fielen seit Beginn der Pandemie schon weg. «Und auch wenn sie später stattfinden, ist der Verlust trotzdem da, weil ich dann nichts Neues annehmen kann.» Hutter rechnet mit einer Einbusse von mehreren Hunderttausend Franken. «Doch ich bin nicht existenziell bedroht. Wir Schweizer Künstler sind gut von den Ämtern unterstützt worden. Die meisten wenigstens.»

Angst vor Ansteckungen

Komiker Beat Schlatter (60) ist mit seinem Programm «Ab die Post» unterwegs. Absagen gibt es bei ihm vorerst nicht, seine Sorgen sind grundsätzlicherer Natur. «Jedes Mal, wenn mein Telefon klingelt, habe ich Angst, jemand aus dem Ensemble sagt mir, in seiner Familie habe sich jemand angesteckt.» Schlatter macht sich ebenfalls auf Einbussen gefasst. «Wir haben ungefähr 50 Prozent weniger Besucher. Bei fünf Schauspielern und einem Techniker wirkt sich das auf die Einnahmen fatal aus. Aber würden wir die Vorstellungen absagen, bestraften wir die falschen Leute, nämlich die, die sich auf unsere Komödie freuen.»

Ähnlich tönt es bei Comedian Tamara Cantieni (47), die mit dem Programm «Bad Influencer» tourt. «Es ist enorm schwierig, neue Termine zu buchen. Die Theater sind sehr zurückhaltend, weil massiv weniger Tickets verkauft werden.» Doch sie betont auch: «Ich will nicht jammern. Die Leute, die kommen, sind dafür ein umso grossartigeres und begeisterungsfähiges Publikum.»

Davon schwärmt auch Adrian Steiner (53) von «Das Zelt», der am Spielort Bern bis Ende Dezember bisher jede Show durchführen konnte.

Hanna Scheuring (56) leitet das Bernhard Theater in Zürich. Sie sagt: «Seit die fünfte Welle anrollt, spüren wir einen starken Rückgang der Ticketkäufe. Mit Oktober und November waren wir einigermassen zufrieden, aber jetzt sieht die Lage wieder so anders aus. Trotz der grossen Sicherheitsvorkehrungen haben aktuell viele Menschen Angst. Wir haben zurzeit nur etwa ein Drittel der Auslastung als in früheren Jahren. Das ist für die grossen Winterproduktionen katastrophal.»

Firmenanlässe abgesagt

Viktor Giacobbo (69), Komiker und VR-Präsident des Casinotheaters Winterthur, weist auf ein zusätzliches Problem hin, das Spielstätten wie die seinen besonders in Bedrängnis bringt. «Wir mussten bisher keine öffentlichen Vorstellungen absagen, ausser beim Dinner-Spektakel ‹Stille Kracht› wegen einzelnen positiven Fällen unter den Künstlern. Allerdings werden rund 95 Prozent der privaten Firmenanlässe abgesagt, was natürlich sehr schmerzt.» Giacobbo beziffert die Einbussen auf rund 300'000 Franken.

Gestrichene Firmenanlässe sind das eine, dazu kommen Ausfälle in der Gastronomie. Rico Fischer von der Agentur Starfish GmbH sagt: «Schwierig wird es vor allem bei Konzerten mit Stehplätzen. Mit der nun geltenden 3G-Regel verlieren die Veranstalter einen Grossteil des Food & Beverage-Umsatzes. Und ohne diesen sind die meisten Konzerte defizitär.» Von einer Umstellung auf 2G hält Fischer eigentlich viel: «Aber jetzt die Spielregeln zu ändern, würde einen enormen Aufwand bedeuten und wäre mit zusätzlichen Kosten verbunden. Zudem haben die Fans ihre Tickets unter anderen Voraussetzungen gekauft, weswegen viele Rückgaben zu erwarten wären.»

Knie ist auf Marathon-Strecke

Ebenfalls nicht umstellen will der National-Circus Knie. «Wir spielen seit Tourbeginn mit 3G. Nun kommt die Maske wieder dazu, aber die stört uns nicht. Wir haben auch beim Publikum festgestellt, dass es die Massnahmen sehr gut akzeptiert», sagt Sprecherin Catherine Bloch. Ausser einzelnen Apéro-Absagen sei die Lage zurzeit stabil. «Wir sind dankbar, dass wir weiterspielen können. Aber wir sind auf einer Marathon-Strecke. Niemand kann voraussehen, was alles noch kommt.» Stellvertretend für die ganze Szene sagt sie: «Wichtig ist, dass sich unser Publikum sicher fühlt. Den Menschen zwei Stunden Auszeit vom Alltag zu schenken, ist unsere Aufgabe.»

Angst vor neuem Lockdown

Einerseits spürt man Zweckoptimismus und Durchhalteparolen. Anderseits ist da die andauernde «Planungsunsicherheit und die Angst vor einem neuen Lockdown», wie Hallenstadion-CEO Philipp Musshafen (47) die Sorgen der Besucher und Veranstalter gleichermassen umschreibt.

Was in dunklen Zeiten höchstens ein wenig Sicherheit gibt: Beide Räte haben bereits für den Verlängerungsbedarf der Ausfallentschädigungen votiert. Die Corona-Hilfen für den Sport sollen bis Ende Saison 2021/2022, jene für die Kultur bis Ende 2022 weiterlaufen.

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