SRF-Chefin Nathalie Wappler über den Ausstieg ihrer Aushängeschilder
«Den Abgang von Nik Hartmann bedauere ich»

SRF-Chefin Nathalie Wappler hat nicht nur einige prominente Abgänge wie letzte Woche den von Nik Hartmann zu verzeichnen, sie muss auch 3000 Angestellte durch die Corona-Krise führen.
Publiziert: 04.04.2020 um 23:48 Uhr
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Aktualisiert: 29.10.2020 um 20:00 Uhr
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SRF-Direktorin Nathalie Wappler, porträtiert im August 2019 in den SRF-Studios in Zürich-Oerlikon.
Foto: Keystone
Interview: Peter Padrutt und Jean-Claude Galli

Mitten in der belastenden Corona-Krise wurde diesen Donnerstag auch noch der Abgang von Publikumsliebling Nik Hartmann (47) bekannt. SRF-Direktorin Nathalie Wappler (52) spricht im SonntagsBlick-Interview über Druck, personelle Baustellen und Finanzlöcher.

Frau Wappler, was macht Ihnen im Moment mehr Sorgen: die Einbrüche bei der Werbung oder dass Ihnen die Stars davonlaufen?
Nathalie Wappler:
Den Weggang von Nik Hartmann bedaure ich persönlich sehr. Es sind jedoch drei Themen, die meinen Alltag momentan sehr stark prägen: Die immensen Werbeeinbrüche sind eines davon, der Schutz der Mitarbeitenden und die Programmgestaltung in Zeiten von Corona die anderen.

Die Moderatoren Jonas Projer, Steffi Buchli und Reto Scherrer sind gegangen. Kurt Aeschbacher und Roger Schawinski wurden in die Pension geschickt. Nun wandert auch Hartmann ab. Wie gross sind Ihre Sorgen?
Bei SRF haben wir eine ganze Reihe bekannter und beliebter Moderatorinnen und Moderatoren. Personelle Wechsel bieten aber auch immer die Möglichkeit, neue Talente zu entdecken und zu fördern. Nehmen wir Fabienne Bamert beim «Samschtig-Jass», Sibylle Eberle beim Sport oder Angélique Beldner, die neben der «Tagesschau» neu auch «1 gegen 100» moderiert.

Warum können Sie die guten Leute nicht mehr halten?
In der Schweiz gibt es heute einen funktionierenden Privatfernsehmarkt, das war vor ein paar Jahren noch anders. Es ist nur zu verständlich, dass die Sender sich gutes Personal holen, auch bei uns. Auf der anderen Seite: Wenn wir eine Vakanz haben, schauen wir uns bei den Privaten um. Und manch einer kehrt auch wieder zu SRF zurück, siehe Urs Gredig, der zweieinhalb Jahre bei CNN Money Switzerland war.

Wie haben Sie von Hartmanns Abgang erfahren?
Anfang Woche hat mich Unterhaltungschef Stefano Semeria über die Kündigung informiert. Wenn jemand nach über zwanzig Jahren den Wunsch nach einem Wechsel verspürt, muss man eine Person ziehen lassen.

Verliert SRF derart an Attraktivität?
SRF verliert nicht an Attraktivität. Moderatorinnen und Moderatoren haben heute aber eine echte Alternative zu SRF. Dass der eine oder die andere da mal ein verlockendes Angebot annimmt, ist nachvollziehbar. Jobwechsel gehören in unserer Branche genauso dazu wie in jeder anderen Branche.

Der Fokus liegt im Moment wegen Corona auf Ihren News-Stars. Sie sind Figuren, welche die Bevölkerung durch die Krise begleiten. Tragen Sie dieser Last Rechnung – mit einer Lohnerhöhung etwa?
Unsere Moderatorinnen und Moderatoren wie auch alle Mitarbeitenden hinter den Kameras machen unter erschwerten Arbeitsbedingungen einen super Job. Dafür sage ich aus ganzem Herzen Danke.

Nathalie Wappler persönlich

Die in Kreuzlingen TG aufgewachsene Nathalie Wappler (52) studierte in Konstanz (D) Geschichte, Kunstgeschichte, Politikwissenschaften und Germanistik. Sie arbeitete später für Sendungen wie «Kulturzeit» (3sat), die ARD-Talkshow «Joachim Gauck», das ZDF-Kulturmagazin «Aspekte» und den ZDF-Talk «Maybrit Illner». Ab 2005 war sie für den SRF-«Kulturplatz» zuständig, wurde Gesprächsleiterin der Sendung «Sternstunde». 2016 wechselte sie zum Mitteldeutschen Rundfunk (MDR), wo sie Programmdirektorin wurde. Im März 2019 trat sie ihr Amt als SRF-Direktorin an. Wappler ist mit dem deutschen Medienwissenschaftler Wolfgang Hagen (70) verheiratet.

Die in Kreuzlingen TG aufgewachsene Nathalie Wappler (52) studierte in Konstanz (D) Geschichte, Kunstgeschichte, Politikwissenschaften und Germanistik. Sie arbeitete später für Sendungen wie «Kulturzeit» (3sat), die ARD-Talkshow «Joachim Gauck», das ZDF-Kulturmagazin «Aspekte» und den ZDF-Talk «Maybrit Illner». Ab 2005 war sie für den SRF-«Kulturplatz» zuständig, wurde Gesprächsleiterin der Sendung «Sternstunde». 2016 wechselte sie zum Mitteldeutschen Rundfunk (MDR), wo sie Programmdirektorin wurde. Im März 2019 trat sie ihr Amt als SRF-Direktorin an. Wappler ist mit dem deutschen Medienwissenschaftler Wolfgang Hagen (70) verheiratet.

Umgekehrt bricht der Sport total weg. Warum machen Sie SRF zwei eigentlich nicht zum Reprisen-Kanal mit Wiederholungen von Unterhaltungsperlen und Filmen?
Seit Mitte der zweiten Woche haben wir auf SRF 1 ausserhalb der Infosendungen, die meist monothematisch sind, auch wieder Unterhaltungs- oder Kultursendungen im Programm. Und auf SRF zwei ist schon vieles passiert: Wir haben das Kinderprogramm ausgebaut, zeigen auf vielfachen Wunsch aus dem Publikum ein tägliches Sportprogramm für zu Hause und haben wie gewohnt Filme und Dokumentation im Programm. Weiter denken wir intensiv über E-Sports nach, auch Archivinhalte sind ein Thema.

Sportmoderatoren wie Rainer Maria Salzgeber oder Sascha Ruefer sitzen untätig zu Hause. Wenn die Krise andauert: Wie wollen Sie sie einsetzen?
Die Corona-Krise führt dazu, dass in einigen Bereichen des Unternehmens mehr als genug zu tun ist, in anderen weniger. Unter den Redaktionen gibt es eine unglaubliche Solidarität, sodass man sich hinter den Kulissen gegenseitig unkompliziert aushilft.

Salzgeber weiss nicht einmal, ob heuer der «Donnschtig-Jass» noch stattfindet. Was denken Sie?
Ausser einigen Erkundungen vor Ort, die verschoben wurden, laufen die Vorbereitungen wie gewohnt. Gleichzeitig überlegen wir uns auch Szenarien, falls Grossveranstaltungen im Sommer noch nicht erlaubt sind. Bei solchen Fragen ist in der aktuellen Situation Agilität gefragt.

Gibt es durch Corona Schwierigkeiten für Ihre Serien und Filmproduktionen? Konkret: Wie ist der Stand bei «Wilder 3», dem neuen Schweizer «Tatort» und dem Sechsteiler «Frieden»?
Da hatten wir ziemliches Glück im Unglück: Die «Tatorte» und «Frieden» sind abgedreht, die Ausstrahlungen Ende Jahr auf Kurs. Bei «Wilder» sind die Dreharbeiten wegen der Corona-Krise unterbrochen. Es fehlen noch zwölf Drehtage, die wir hoffentlich irgendwann dieses Jahr nachholen können.

Gibt es eigentlich Momente, in denen Sie denken: «Wäre ich doch lieber beim MDR geblieben»?
Nein. Es ist ein Privileg, diesen Job machen zu dürfen. Auch gerade in der aktuellen, sehr schwierigen Situation. Jetzt erhält der Begriff Service public als Dienst an der Gesellschaft eine ganz neue Bedeutung.

Was vermissen Sie persönlich am meisten an der Isolation?
Die persönlichen Kontakte mit den Mitarbeitenden und dass ich nicht bei den Teams vor Ort sein kann. Aber alle, deren Funktionen sich aus dem Homeoffice erledigen lassen, müssen jetzt einfach zu Hause bleiben. So schützen wir die Leute, die vor Ort arbeiten müssen, am besten.

Kommen Sie noch zu Ihrem geliebten Klavierspiel?
In der jetzigen Situation etwas mehr als auch schon, weil ich manchmal einfach zwischendurch einen Moment lang spielen kann, um den Kopf zu lüften.

Welches klassische Stück gibt Ihnen im Moment besonders Halt?
Es gibt eine schöne, vierhändige Version von Beethovens Violinkonzert. Genau das Richtige im Beethoven-Jahr.

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