Schweizer TV-Shows
Weshalb das Volkstümliche so hoch im Kurs steht

Die Appenzeller Familien-Kapelle Tüüfner Gruess gewann letztes Wochenende die neue SRF-Castingshow «Stadt Land Talent». Dass volkstümliche Formationen in Schweizer TV-Wettbewerben ähnlich begabte Kandidaten aus anderen Sparten regelmässig ausstechen, ist kein Zufall.
Publiziert: 16.10.2021 um 18:36 Uhr
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Aktualisiert: 16.10.2021 um 22:24 Uhr
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Die Appenzeller Familen-Kapelle Tüüfner Gruess mit Vater Werner Nef am Akkordeon und seinen Söhnen Nino am Hackbrett und Kilian an der Bassgeige (v.l.), aufgenommen vor ihrem Bauernhaus in Teufen AR.
Foto: Nathalie Taiana
Peter Padrutt/Jean-Claude Galli

Die Überraschung war nicht gespielt, als Moderatorin Viola Tami (40) vor einer Woche die Familien-Kapelle Tüüfner Gruess aus Teufen AR zur Siegerin der neuen SRF-Castingshow «Stadt Land Talent» ausrief. Mit ihren urigen Klängen übertrumpften Werner Nef (50) und seine Söhne Kilian (13) und Nino (11) Artisten, Akrobaten und Tänzer.

Ungläubig schauten sie auf die Resultattafel, zumal zum ersten Rang auch eine Prämie von 100'000 Franken gehört. Den entscheidenden Vorsprung holten die Nefs nicht bei der Jury, sondern beim TV-Publikum. Ihre Verwunderung hält bis heute an. «Wir sind immer noch sprachlos», sagt Landwirt Werner Nef zu SonntagsBlick. «Für uns ist das eine Riesenehre, als Appenzeller Bauern und mit dieser Art von Musik gewinnen zu können.»

In seiner unaufgeregten Art erinnert das Trio an die aus der TV-Werbung bekannten Appenzeller Bauern, die ihr Käsegeheimnis hüten.

Das macht «Tüüfner Gruess» nach dem Sieg
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Gewinner «Stadt Land Talent»:Das macht «Tüüfner Gruess» nach dem Sieg

Zusatzschub dank Pandemie

Dass volkstümliche Formationen bei TV-Wettbewerben triumphieren, ist kein neues Phänomen. Beispiele sind der Jodlerklub Wiesenberg («Das Feyr vo dr Sehnsucht») oder Oesch's die Dritten («Ku-Ku-Jodel»). Seit dem Sieg von Ruedi Rymann (1933–2008) mit «Dr Schacher Seppli» bei den «Grössten Schweizer Hits» 2007 hält der Trend an.

Für Sibylle Marti (49), die früher die Redaktion «Volksmusik» bei SRF leitete, kein Zufall: «Heimatgefühle, Wurzeln und Authentizität sprechen den Zeitgeist an und gewinnen in schwierigen Zeiten wie der gegenwärtigen Pandemie an Wert.»

Wenn dann noch Eltern gemeinsam mit ihren Kindern in «Potzmusig»-Sendungen auftreten, komme das besonders gut an, konstatiert Volksmusik-Moderator Nicolas Senn (32), der die «Tüüfner» Buben schon zweimal in seiner Sendung hatte. «Die generationenübergreifende Leidenschaft für folkloristische Musik wirkt auf zuschauende Familien besonders ansteckend.» Junge Zuschauer könnten sich mit Gleichaltrigen identifizieren, «vor allem wenn sie so sympathisch rüberkommen».

Unvergessen die Luzerner Brüder Florian (14) und Seppli (11), die nach ihrem Sieg beim «Silvesterstadl» 2010 zu einer kurzen, steilen Karriere bis zum Stimmbruch ansetzten.

Die Sehnsucht nach dem Heimatlichen

Für den Musikethnologen Johannes Rühl (67) ist klar: «Dass karge Formationen ohne grossen optischen Schmuck gewinnen, lässt sich mit der Sehnsucht nach dem Heimatlichen erklären, wie sie in der deutschsprachigen Schweiz vorherrscht. Deshalb sind auch Schwingfeste populär, weil sie ohne äussere Einflüsse auskommen und nur schlecht kopiert werden können.»

Nicolas Senn gibt zu bedenken, «dass volkstümliche Interpreten in Castingshows oft für sich alleine stehen, weil die Konkurrenz in anderen Genres auftritt. Es gab bei ‹Stadt Land Talent› eine grosse Dichte an hervorragenden Artisten und Tanz-Formationen».

Den Sieg hätten sie mit ihrer unverwechselbaren Spielfreudigkeit aber auf jeden Fall verdient. Der beliebte Hackbrettspieler erinnert sich, wie er vor einigen Wochen später am Abend in ein Dorfrestaurant einkehrte. «Die Tüüfners kamen gerade von einem Auftritt und packten spontan ihre Instrumente aus. Sofort gab es ein Riesenfest. Die Stimmung war einfach phänomenal.»


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