Silvia Tschui, SonntagsBlick-«Tatort»-Expertin, fand die Zürcher «Tatort»-Folge «Schoggiläbe» so langweilig und klischiert, dass sie am liebsten gar nichts darüber sagen würde. Ein Blick in die deutsche Medienlandschaft zeigt: Tschui ist nicht die einzige mit dieser Meinung. Denn die neue Folge um Isabelle Grandjean (Anna Pieri Zuercher, 41) und Tessa Ott (Carol Schuler, 33) findet wenig Anklang.
Besonders «Die Zeit» teilt gegen die Episode aus der Schweiz aus. Ein schwuler Sohn, der sich in einer Unternehmerfamilie schwer tut und eine Kommissarin, die mit sich hadert einen Schuss abzugeben – all das habe man schon zigfach zuvor gesehen. «‹Schoggiläbe› würde man am liebsten noch mal auf die Tatort-Originalitätsschule schicken, damit der Film ein paar Lektionen in Witz und Erfindungsgeist übt», urteilt der Autor Matthias Dell. «Die immer gleichen erzählerischen Standardsituationen werden hier auch noch schlecht ausgeführt.»
«Etwas lahmes Gesellschaftsporträt über die zwei Gesichter Zürichs»
Claudia Fromme von der «Süddeutschen Zeitung» fand ebenfalls, dass «Schoggiläbe» nicht an die «Wucht» der letzten Schweizer Folge «Züri Brännt» anschliessen konnte: «Der Fall ist derart betulich erzählt, dass man sich nicht in einem Krimi wähnt, sondern in einer Familiensaga oder einem etwas lahmen Gesellschaftsporträt über die zwei Gesichter Zürichs.» Besonders stört sich die Autorin dabei an dem Stilmittel, dass die Kommissarinnen die vierte Wand durchbrechen und sich direkt an das Publikum wenden: «Weil das Offenkundige im ‹Tatort› ständig dem Zuschauer erklärt werden muss, sprechen die Protagonistinnen das Publikum verschiedentlich direkt an, es geht um soziale Ungerechtigkeit in einer reichen Stadt und sie fragen mit pädagogischer Miene: ‹Was hätten Sie getan?› Den Kniff gelassen, ganz ehrlich.»
Für Oliver Jungen von der «Frankfurter Allgemeinen» ist der Schoggi-«Tatort» «gestreckte Industrieware statt exquisiter Bitternote». Der Familienzwist zwischen Tochter Claire (Elisa Plüss, 32) und ihrer vermeintlichen Grossmutter Mathilde (Sibylle Brunner, 81) verkomme schnell zu «einem dümmlichen Bitch-Fight». Zumindest die Kameraarbeit des Schweizer «Tatort» wird positiv hervorgehoben. Aber: «Dafür brauchte es offenbar einen Deutschen.» Verantwortlich dafür war Martin Langer (62), der aus Hannover stammt.
Auch positive Stimmen
«Schoggiläbe» hat aber auch einzelne Befürworter. Christian Buss vom «Spiegel» lobt die Frauenpower der Schweizer Folgen: «Der neue Zürich-»Tatort« entwickelt sich zu einem TV-Revier, wo so wenig Testosteron versprüht wird wie in keinem anderen.» Dass die Figuren sich direkt an das Publikum wenden, findet der Autor «stark».
Und was denkt das deutsche Publikum? Leider nicht viel Gutes. Das zeigt sich, wenn man auf die Facebook-Seite der ARD schaut. Dort wurden die User aufgefordert dem «Tatort» «eine Note von Eins bis Sechs» zu geben. In Deutschland ist Eins die Bestnote und Sechs das schlechteste Resultat. In den Kommentaren finden sich weitaus mehr ungenügende Noten, als genügende. «Der schlechteste ‹Tatort› seit langem. Setzen, Sechs», wettert etwa ein User. «In meinen Augen einfach nur Unterirdisch. So etwas hat nichts mehr mit einem ‹Tatort› zu tun» ein anderer. Aber es sind durchaus auch positive Stimmen zu finden. «Ich fand den ‹Tatort› gut. Note Zwei», lobt etwa eine Userin. «Da sieht man mal, wie die Geschmäcker verschieden sind.» (klm)
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