Der viermonatige Kater mit dem ausgefallenen Namen «Picchu-Wülchli» rennt bei Isabelle Flachsmann (50) daheim über den Korkboden, ihr Sohn Fridolin (9) fängt ihn ein und kuschelt dann mit dem weissen Wollknäuel. Seit ein paar Wochen gehört das Büsi (Rasse Heilige Birma) zur Familie der Musical-Darstellerin und erkundet eifrig das Haus in Rüfenacht BE. «Sowohl mein Mann wie auch ich sind mit Katzen aufgewachsen», erzählt Flachsmann und schliesst die Haustüre, damit Picchu nicht entwischt.
Frischen Wind verspürt Isabelle Flachsmann nicht nur daheim, sondern auch im Berufsleben. Vor einer Woche haben die Proben für «Greatest Days – s’offizielle ‹Take That›-Musical» in Luzern begonnen, wo sie eine der Hauptrollen spielt. «Die Probezeit ist immer die intensivste», sagt sie. Die Welthits der britischen Boyband einzustudieren, mache ihr aber grosse Freude. «Ich realisiere erst jetzt, was für tolle Musik sie haben. Eine Mischung aus Elton John und den Beatles.»
Erste Begegnung mit 20
Die Boyband um den heute in Gstaad BE lebenden Robbie Williams (49) hat Isabelle Flachsmann einst sogar persönlich getroffen. «Ich war damals 20 und ein Freund kannte die Jungs. Howard hatte Geburtstag und ich sang ‹Happy Birthday›.» Nie hätte sie damals gedacht, dass die Band mal so eine Karriere machen würde. Und auch nicht, dass sie selbst drei Jahrzehnte später mit 50 noch immer voller Neugier und Tatendrang auf der Bühne stehen würde. «Es ist erstaunlich, was sogar tänzerisch noch alles geht und wie ich mir die Freude bewahren konnte», schwärmt sie. «Der Beruf hält mich jung, weil er immer wieder neu ist. Es ist so ein Glück, dass ich verschiedene Dinge machen kann.»
In ihrer über 30-jährigen Karriere hat Isabelle Flachsmann einiges erlebt. Nach der Matura absolviert die gebürtige Zugerin eine Tanz-, Musical- und Schauspiel-Ausbildung und ergattert eine Rolle im Comedy-Musical «Keep Cool» von Marco Rima (62). Mit 23 spielt sie Hauptrollen in Deutschland. Sie gewinnt eine Green Card und zieht nach New York, um ihren Traum von einem Broadway-Engagement zu verwirklichen. Fast zehn Jahre lang bleibt sie in den USA, schlägt sich kurz im Service durch, arbeitet dann auf grossen Bühnen und schliesslich drei Jahre am Broadway. Als ihre Mutter gesundheitliche Probleme hat, kehrt sie in die Schweiz zurück. «Da war ich 30 und merkte, dass ich immer nur bis zum Broadway gedacht habe, aber nicht, was danach kommt.» Es fällt ihr schwer, sich wieder einzufinden. Flachsmann fängt von vorne an, erhält in Deutschland einen Plattenvertrag. «Mein erster Auftritt war gleich im Hallenstadion, da konnte es nur bergab gehen», meint sie heute gelassen. Da ihr Lied «nur» in den Top 40 landet, gilt es als Flop.
Dennoch sei es eine tolle Erfahrung gewesen. «Ich habe in dieser Zeit fast hundert Songs mit einigen der besten Songwriter Deutschlands geschrieben und viel gelernt.» Und so arbeitet sie danach erneut mit Marco Rima zusammen und realisiert das Musical «Die Patienten», «das Erste, bei dem ich federführend war».
Die Fäden selbst in der Hand
Fridolin kommt aus dem Zimmer. Isabelle Flachsmann setzt sich mit ihm und einem Buch aufs Sofa. «Meine erste Liebe als Kind war das Lesen», sagt sie. Vor allem «Die unendliche Geschichte» von Michael Ende (1929–1995) hatte es ihr angetan. «Wenn es um Storys geht, konnte ich mir den Kinderkopf bis heute bewahren.» Am 25. November startet «Die Bremer Stadtmusikanten – reloaded» im Maag Areal Zürich. Für das Familienmusical hat Flachsmann Buch, Songtexte und Titelmelodie geschrieben. «Mir war es wichtig, dass die Geschichte in die heutige Zeit passt. Zum Beispiel spielt den Güggel bei mir nun eine Frau.» Beim Schreiben der Figuren und der Lieder hat sie Sohn Fridolin – ihn hat sie nach einer Lieblingsbuchfigur aus der Kindheit benannt – immer wieder um dessen Meinung gefragt. «Ich wollte von ihm wissen, wie er’s findet, ob die Figur cool ist oder nicht», sagt sie. Und es war auch sein Zutun, dass die Musikanten nicht nur singen, sondern auch mal rappen.
Dieser Artikel wurde erstmals in der «Glückspost» veröffentlicht. Mehr aus der Welt der Schweizer Prominenz, Royals und Sportstars erfährst du immer montags in unserem Gratis-Newsletter! Zur Anmeldung
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Seit Isabelle Flachsmann mit 41 Jahren Mutter wurde, haben sich ihre beruflichen Tätigkeiten verändert – beziehungsweise sind vielseitiger geworden. Sie schreibt oder inszeniert vermehrt. «Es ist auch mal schön, abends nach Hause gehen zu können, und ich bin darum dankbar, dass ich selber nicht immer auf der Bühne stehe und mich trotzdem verwirklichen kann.» Vor allem die Kinderbetreuung für einen Job, der immer wieder anders ist, sei herausfordernd. Glücklicherweise kann Gatte und Grafik-Designer Lukas Bürki (43) in ihren intensiveren Zeiten sein Pensum runterschrauben.
Wenn seine Mama abends auf der Bühne steht, fehlt Fridolin das Geschichtenerzählen. Wie einst ihr Vater, der für sie jeden Abend fortlaufend die Geschichte des Zwergli weitererzählte, hat Isabelle Flachsmann für ihren Sohn Füchsli Wusi erfunden. Dessen Abenteuer spinnen sie zu zweit täglich weiter. «Wusi und seine Freunde waren schon in der Antarktis, im Urwald, haben eine verlorene Schwester wiedergefunden, sind jetzt auf dem Piratenschiff – es ist wie in einer Seifenoper», sagt Flachsmann.
Auch ihre persönliche Geschichte spinnt sie eigenständiger denn je weiter. Vor elf Jahren hat sie mit drei Kolleginnen die Showtruppe «Die Ex-Freundinnen» gegründet, «gemeinsam erschaffen wir uns unsere Welt, nach unseren Bedingungen». Überhaupt werde sie heute ernster genommen, könne mehr reissen, sei mutiger. «Wenn es eine Rolle nicht gibt, mache ich sie mir eben selbst», sagt Flachsmann. «Mit 50 fühle ich mich wohler als mit 30 oder 40 – auch wenn ich wohl bald eine Gleitsichtbrille brauche.»