Ihr erster Auftritt auf der literarischen Bühne war fulminant: 1994 gewann die Schweizer Schriftstellerin Ruth Schweikert (†57) beim Ingeborg-Bachmann-Wettlesen im österreichischen Klagenfurt das Bertelsmann-Stipendium für ihre Erzählung «Fünfzig Franken».
Im selben Jahr veröffentlichte sie mit der Erzählsammlung «Erdnüsse. Totschlagen» ihr viel beachtetes und hoch gerühmtes Debüt. Die sieben Geschichten handeln von heimat- und ziellosen Frauen. Aus kühler Distanz schrieb Schweikert über Inzest, Abtreibung und Kindsmord.
«Man sollte sie alle totschlagen, denkt sie», heisst es etwa über die 38-jährige Protagonistin in der Erzählung «Totschlagen». Sie denkt über ihre verflossenen Männer nach und das Kind, das sie alleine erzieht. Doch die einzige Energie, die sie aufbringt, ist ihre Stelle als Verkäuferin zu quittieren – sonst hätte man ihr gekündigt.
Das Leben im Griff, aber der Tod liess sie nie los
Schweikert, in Lörrach (D) zur Welt gekommen und in Aarau aufgewachsen, war damals selber alleinerziehende Mutter von zwei Kindern. Zuletzt lebte sie mit dem Dokumentarfilmer Eric Bergkraut (65) in Zürich, mit dem sie drei weitere, gemeinsame Söhne aufzog. Das Leben hatte sie voll im Griff.
Doch der Tod liess sie nicht los – dieses Mal real und nicht literarisch: 2016 erhielt Schweikert die Diagnose Brustkrebs. Chemotherapie, Haarausfall, Perücke – in «Tage wie Hunde» (2019) beschreibt die Schriftstellerin schonungslos das Schicksal, das danach auf sie zukam. Sie galt als geheilt und widmete sich dem Tod wieder auf literarische Weise.
Für die Ausstellung «The End – My Friend?» auf dem Zürcher Friedhof Sihlfeld schrieb Schweikert 2021 auf einen an Lungenkrebs verstorbenen Freund einen lyrischen Text. Auf sich selbst bezogen sagte sie damals der «NZZ»: «Ich habe beschlossen, dass die Krebserkrankung hinter mir liegt.» Doch der Krebs holte sie leider wieder ein: Am Sonntag starb Schweikert in ihrem Zürcher Zuhause, wie ihr Ehemann Eric Bergkraut am Dienstag bekannt gab.
«Mir wird Ruth nicht nur ihrer kraftvollen und eigenwilligen Literatur wegen in Erinnerung sein, sondern ebenso sehr als unglaublich hingebungsvolle Schreibdozentin, die ihre Studierenden wie eine Mutter umsorgt und unterstützt hat», sagt der Schweizer Schriftsteller Tim Krohn (58), der sieben Jahre mit ihr am Schweizerischen Literaturinstitut in Biel BE unterrichtete. «Sie war ein Mensch, der fast unerschöpflich Liebe verschenkte.»