Regisseurin Bettina Oberli
«Es reizte mich, ‹Neumatt› beenden zu dürfen»

Die Schweizer Regisseur Bettina Oberli drehte zuletzt fünf Serien in Folge im Ausland. Für die letzte Staffel der SRF-Reihe «Neumatt» kehrte sie in ihre Heimat zurück. Zusammen mit Cosima Frei führt sie das fiktive Epos um die Familie Wyss nun zu einem stimmigen Ende.
Publiziert: 14.10.2024 um 00:44 Uhr
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Aktualisiert: 14.10.2024 um 06:52 Uhr
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Die gebürtige Bernerin Bettina Oberli gehört seit ihrem Durchbruch vor 20 Jahren mit «Im Nordwind» zu den wichtigsten Regisseurinnen des Landes.
Foto: Gerry Nitsch

Auf einen Blick

  • SRF zeigt finale Staffel von «Neumatt»
  • Regie von Bettina Oberli und Cosima Frei
  • Jeweils ab 20.05 Uhr auf SRF 1
  • Die Serie behandelt Familiengeschichte und aktuelle Landwirtschaft
  • Homosexualität von Michi Wyss nicht mehr im Fokus
Die künstliche Intelligenz von Blick lernt noch und macht vielleicht Fehler.
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Jean-Claude GalliRedaktor People

Seit gestern zeigt SRF die finale Staffel der Serie «Neumatt» – weitere Doppelfolgen laufen heute und am 16. sowie 17. Oktober jeweils ab 20.05 Uhr auf SRF 1. Neu führt Bettina Oberli (51) zusammen mit Cosima Frei (37) Regie.

Blick: Frau Oberli, wie kam es dazu, dass Sie nun bei «Neumatt» übernehmen?
Bettina Oberli: Die Anfrage kam von Zodiac Films. Mit ihnen hatte ich 2022 schon die Komödie «Wanda, mein Wunder» realisiert. In Belgien drehe ich gerade meine fünfte Serie in Folge. Ich konnte mir in diesem Bereich also sehr viel Handwerk und Routine aneignen. Es ist für mich als Schweizer Regisseurin natürlich toll, international zu drehen, aber es war auch verlockend, wieder einmal zu Hause arbeiten zu können. Und es reizte mich, dies mit einer gleichgestellten Co-Regisseurin tun zu können.

Wie haben Sie sich aufgeteilt?
Ich war etwas früher dabei und übernahm bei den Vorbereitungen die Casting-Aufgaben. Ich blieb bis Schnittende, Cosima betreute die Postproduktion. Beim Dreh teilten wir uns gleichmässig auf, jede vier Folgen und gleich viele Drehtage. Wir hatten beide auch viel mit den Büchern zu tun und standen in engem Kontakt mit Showrunnerin und Headautorin Marianne Wendt. Es waren intensive Wochen, in denen wir die Bücher auf die neuen Schauspieler wie den «Borgen»-Star Peter Mygind anpassten, den ich von meinem Zweiteiler «Private Banking» her kannte.

Wo lagen die Schwierigkeiten?
Es ging vor allem darum, einen einheitlichen Stil durchzuziehen. Das Team blieb immer gleich. Die Aufteilung und die Kombination mit Cosima funktionierten aber enorm gut, obschon ich eine Generation älter bin und die Idee zu dieser Paarung nicht von uns, sondern von der Produktion kam.

Haben Sie «Neumatt» von Beginn weg verfolgt?
Als 2021 die Premieren-Staffel erschien, war ich gerade in München mit der Serie «37 Sekunden» beschäftigt, und das Ganze ging an mir vorbei. Erst als die Regie-Anfrage kam, begann ich, mich mit «Neumatt» zu beschäftigen. Was mich auch reizte, war, dass dies die letzte Staffel ist. Das ist erzähltechnisch spannender, weil man etwas beenden kann und nicht immer daraufhin inszenieren muss, dass unbedingt noch mal eine Fortsetzung möglich wäre.

Warum funktionierte die Serie so gut, dass sogar Netflix aufsprang?
Im Kern ist «Neumatt» eine Familiengeschichte, was sehr viele Anknüpfungspunkte zur eigenen Realität zulässt. Viele Leute fühlen sich angesprochen, können über ihre eigene Situation reflektieren und sich wiedererkennen. Die Figuren sind gut gezeichnet, man kann sich identifizieren damit. Und die Bauern werden nicht idyllisch und Heidi-mässig dargestellt, sondern nah an der aktuellen Situation. Die Landwirtschaft wird ernst genommen, mit all ihren heutigen Herausforderungen. 

Zur Person

Bettina Oberli wurde 1972 in Interlaken BE geboren und liess sich in Zürich zur Regisseurin ausbilden. 2006 gelang ihr mit «Die Herbstzeitlosen» einer der erfolgreichsten Schweizer Filme aller Zeiten. Gute Kritiken erntete sie auch für «Le vent tourne» (2018) oder «Wanda, mein Wunder» (2022). Zuletzt war sie mit der ARD-Serie «37 Sekunden» im Gespräch. Oberli lebt in Zürich und hat zwei Söhne, Léon (21) und Aurel (17).

Bettina Oberli wurde 1972 in Interlaken BE geboren und liess sich in Zürich zur Regisseurin ausbilden. 2006 gelang ihr mit «Die Herbstzeitlosen» einer der erfolgreichsten Schweizer Filme aller Zeiten. Gute Kritiken erntete sie auch für «Le vent tourne» (2018) oder «Wanda, mein Wunder» (2022). Zuletzt war sie mit der ARD-Serie «37 Sekunden» im Gespräch. Oberli lebt in Zürich und hat zwei Söhne, Léon (21) und Aurel (17).

In Staffel 1 und 2 war die Homosexualität von Hauptfigur Michi Wyss, gespielt von Julian Koechlin, ein prägnantes Thema, nun überhaupt nicht mehr. Weshalb?
Zunächst war ein Erzählstrang vorgesehen, bei dem es um eine neue Liebe von Michi gegangen wäre. Doch wir empfanden das als zu überladen. Wir hatten das Gefühl: Bevor Michi wieder in amourösen Verstrickungen landet, hat er zuerst ein anderes Bedürfnis, das in dieser Staffel erfüllt werden soll. Wir fanden, es müsse noch mal ganz stark um den Suizid seines Vaters gehen, der am Anfang der Serie erzählt wird. Und wie diese Tragödie die ganze Familie prägte. Wir wollten Michi mit der Frage nach seiner Identität konfrontieren, die weit über sein Liebesleben hinausgeht. Die Vatersuche interessierte uns mehr als seine Sexualität.

Schön fanden wir die Referenz an den grossen Schweizer Neo-Klassiker «Les petites fugues» von 1979, der das bäuerliche Leben ebenfalls kritisch beleuchtet und in dem Knecht Pipe mit seinem Töffli auf Entdeckungsreisen geht. Auch Jérôme Humm ist als Lorenz Wyss sehr oft mit dem Töffli unterwegs ...
Ja, doch bei ihm dient das Töffli noch einem weiteren Zweck, weil er damit zu seinem Kind gelangen kann, das zur Hälfte bei ihm und sonst bei seiner früheren Partnerin Jessie lebt. Zudem spielt das Töffli auf dem Land noch immer eine grosse Rolle bei den jungen Leuten. Es ist das schnellste und günstigste Mittel, um in die Stadt zu kommen. Auch Lorenz durchlebt wie Michi und die ganze Familie eine tiefgreifende Entwicklung. Bei ihm ist sie noch etwas dramatischer. Ich bin sehr gespannt, wie das Publikum auf diesen Erzählstrang reagiert. Generell bin ich neugierig darauf, ob es uns gellngt, nach wie vor dasselbe Publikum anzusprechen wie in den Staffeln 1 und 2. Ob es einsteigt auf die neuen Dinge, die wir ihm erzählen möchten.

SRF-Serienstrategie auf dem Prüfstand

SRF ist mit «Neumatt» unter Druck. Wollten die erste Staffel 2021 rund 430'000 Personen sehen, waren es bei Staffel zwei 2023 noch rund 250'000. Bei der Programmierung geht man beim Finale wieder «all in» und zeigt die acht Episoden bis 17. Oktober in Doppelfolgen. Interessant wird sein, zu verfolgen, ob die zum Teil schwere Kost nicht zu einer Überforderung führt. Und, nicht zu unterschätzen: In etlichen Kantonen sind Herbstferien, viele potenzielle Zuschauende sind weg.

Serien sind ein wichtiges Standbein im SRF-Programm, was auch die kommende SRG-Direktorin Susanne Wille (50) als Kulturchefin gefördert hat. Um Fans und auch Neueinsteiger von «Neumatt» bei der Stange zu halten, wird erzählerisch noch einmal aus dem Vollen geschöpft. Das bringt auch einen internationalen Star auf den Hof: Der aus «Borgen» bekannte Däne Peter Mygind (61) spielt den Investor Nic Olsson, der die Hauptfigur Michi Wyss (Julian Koechlin, 32) bei seinem Biolieferservice unterstützt. Michis Schwester Sarah (Sophie Hutter, 34) will den Hof mit einer neuartigen «Nachtmilch» retten. Und auch Mutter Katharina Wyss (Rachel Braunschweig, 56) wirbt mit einer Food-Firma um landliebende Städter. Ihr jüngster Sohn Lorenz (Jérôme Humm, 25) erlebt die grösste Veränderung. Vom stillen «Chrampfer» wird er zum fürsorglichen Vater und muss auch einen Umgang damit finden, dass Jessie (Rumo Wehrli, 26), die Mutter seines Kindes, jetzt offen als Mann lebt.

«Neumatt 3» greift noch intensiver als bisher Entwicklungen auf, die vor dem vermeintlich konservativen Bauernstand nicht Halt machen.

SRF ist mit «Neumatt» unter Druck. Wollten die erste Staffel 2021 rund 430'000 Personen sehen, waren es bei Staffel zwei 2023 noch rund 250'000. Bei der Programmierung geht man beim Finale wieder «all in» und zeigt die acht Episoden bis 17. Oktober in Doppelfolgen. Interessant wird sein, zu verfolgen, ob die zum Teil schwere Kost nicht zu einer Überforderung führt. Und, nicht zu unterschätzen: In etlichen Kantonen sind Herbstferien, viele potenzielle Zuschauende sind weg.

Serien sind ein wichtiges Standbein im SRF-Programm, was auch die kommende SRG-Direktorin Susanne Wille (50) als Kulturchefin gefördert hat. Um Fans und auch Neueinsteiger von «Neumatt» bei der Stange zu halten, wird erzählerisch noch einmal aus dem Vollen geschöpft. Das bringt auch einen internationalen Star auf den Hof: Der aus «Borgen» bekannte Däne Peter Mygind (61) spielt den Investor Nic Olsson, der die Hauptfigur Michi Wyss (Julian Koechlin, 32) bei seinem Biolieferservice unterstützt. Michis Schwester Sarah (Sophie Hutter, 34) will den Hof mit einer neuartigen «Nachtmilch» retten. Und auch Mutter Katharina Wyss (Rachel Braunschweig, 56) wirbt mit einer Food-Firma um landliebende Städter. Ihr jüngster Sohn Lorenz (Jérôme Humm, 25) erlebt die grösste Veränderung. Vom stillen «Chrampfer» wird er zum fürsorglichen Vater und muss auch einen Umgang damit finden, dass Jessie (Rumo Wehrli, 26), die Mutter seines Kindes, jetzt offen als Mann lebt.

«Neumatt 3» greift noch intensiver als bisher Entwicklungen auf, die vor dem vermeintlich konservativen Bauernstand nicht Halt machen.

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