Der Film «Nachtzug nach Lissabon» (2013) beginnt in Bern: Auf der Kirchenfeldbrücke begegnet der alternde Gymnasiallehrer Raimund Gregorius (im Film von Jeremy Irons gespielt) der scheinbar suizidgefährdeten Portugiesin Catarina Mendes (Sarah Spale). Damit setzte Pascal Mercier seiner Stadt und seiner Schule ein Denkmal.
Am 23. Juni 1944 in Bern war Peter Bieri zur Welt gekommen. Er erlernte im Gymnasium Kirchenfeld Latein, Griechisch sowie Hebräisch und begann danach an der Universität Bern ein Studium der Altphilologie, das er wegen einer Frau abbrach und mit ihr nach London zog. Seiner Liebe zu den Sprachen blieb er aber treu.
Sprachbesessene Hauptfiguren in den Romanen
Das zeigt sich vor allem in seinen internationalen Bestsellerromanen, in denen es immer wieder um sprachbesessene Protagonisten geht – in «Nachtzug nach Lissabon» (2004) um den Sprachlehrer Gregorius und zuletzt in «Das Gewicht der Worte» (2020) um den Übersetzer Leyland; Gregorius ist ein Denkmal für seinen Schulmeister, Leyland ein Selbstporträt Bieris auf dem Weg zum Schriftstellertum.
Bieri war ein spät berufener Literat: Er war schon über 50 Jahre alt, als er 1995 unter dem Pseudonym Pascal Mercier – in Anlehnung an den französischen Philosophen Blaise Pascal (1623–1662) und den französischen Schriftsteller Louis-Sébastien Mercier (1740–1814) – seinen ersten Roman «Perlmanns Schweigen» veröffentlichte.
1998 folgte Merciers Zweitling «Der Klavierstimmer», nach dessen Publikation er das Pseudonym lüftete und seine wahre Identität offenbarte: die des Philosophieprofessors an der Freien Universität Berlin. Und als solcher hatte Bieri damals schon eine beachtliche Karriere hingelegt und ging bereits 1981 mit dem Begriff «Bieri-Trilemma» in die Wissenschaft ein.
Mit dem Begriff beschreibt er ein Leib-Seele-Problem: Auf der einen Seite sind Gedanke nicht physisch, auf der anderen Seite haben alle physischen Phänomene eine physische Ursache. Und trotzdem können auch Gedanken physische Wirkungen haben – zum Beispiel, dass man wegen Angst wegrennt.
Bieri hatte genug von der Universität
Doch Bieri spürte in sich immer mehr den Mercier: «Die Fantasie, wenn man sie ihre Wege gehen lässt, schafft ihre eigene Art von Gegenwart: die Gegenwart von Poesie», sagte er einmal. Und nach dem Grosserfolg mit dem Roman «Nachtzug nach Lissabon» – mehr als zwei Millionen verkaufte Exemplare alleine im deutschsprachigen Raum und Übersetzungen in mehr als 40 Sprachen – kündigte er 2007 seinen Hochschuljob.
«Die Situation an der Universität macht mich wütend», sagte er damals in einem Zeitungsinterview. «Da ist der Professor nur noch der Vollzugsbeamte der Module.» Auch wenn er die Freie Universität Berlin vor der Pensionierung verliess, der Stadt blieb er treu. Nun ist er dort, wo er mit seiner Frau – der Malerin Heike Bieri-Quentin – lebte, zu Beginn seines 80. Lebensjahres gestorben.