Die Königin von Arles (F) wird Präsidentin von Locarno TI: Maja Hoffmann (67), Kunstsammlerin, Mäzenin und Initiantin des weltbekannten Luma-Kulturkomplexes in der Provence, führt ab 2024 das internationale Filmfestival im Tessin. 1946 gegründet, gehört es neben Venedig (I) und Cannes (F) zu den ältesten Filmfestspielen der Welt.
Noch vor der Eröffnungszeremonie der 76. Ausgabe am 2. August auf der Piazza Grande präsentiert die von RSI-Direktor Mario Timbal (46) geleitete Findungskommission somit eine Nachfolge für Marco Solari (78). Der Tessiner Manager war seit 2000 Präsident und kündigte im Januar seinen Rücktritt an.
«Nachdem ich viele Jahre mit der Ausarbeitung und Produktion zahlreicher Projekte in der Schweiz und im Ausland verbracht habe, freue ich mich nun, meine Erfahrung und mein Wissen für die Zukunft dieses prestigeträchtigen Festivals einzusetzen und zur Entwicklung der Kultur in der Schweiz beizutragen», sagt Hoffmann bei der Präsentation. «Locarno hatte stets eine starke Identität.» Dies sei eine grundlegende Voraussetzung für die Stärkung der Positionierung des Festivals auf internationaler Ebene.
Eine der einflussreichsten Personen der Kunstwelt
Mit der Baslerin Hoffmann übernimmt erstmals eine Frau und eine Person aus dem deutschsprachigen Raum den Vorsitz. Ihre Aufgabe wird es unter anderem sein, für ein ausgeglichenes Budget zu sorgen und das Festival nach aussen zu vertreten. Künstlerischer Leiter ist seit 2020 und bis auf weiteres der frühere Filmkritiker Giona Antonio Nazzaro (58).
Maja Hoffmann ist Urenkelin des Chemiekonzern-Gründers Fritz Hoffmann-La Roche (1868–1920). Die Roche-Holding AG mit Sitz in Basel ist aktuell eines der grössten Pharmaunternehmen weltweit, machte letztes Jahr einen Umsatz von 63,3 Milliarden Franken und befindet sich mehrheitlich in Familienbesitz.
Schon die Grossmutter Maja Hoffmann-Stehlin, spätere Sacher-Hoffmann (1896–1989), interessierte sich für Kunst, sammelte Werke von Malern wie Picasso, Arp, Tinguely, Braque und gründete 1933 die Emanuel-Hoffmann-Stiftung zu Ehren ihres im Jahr zuvor verstorbenen ersten Ehemanns.
Enkelin Maja Hoffmann ist heute Vize-Präsidentin des Stiftungsrats. Ausserdem ist sie Vorstandsmitglied der Stiftung Vincent van Gogh Arles, des New Yorker New Museum of Contemporary Art, der Londoner Serpentine Gallery und des Tate International Councils.
Nicht zufällig zählte das US-amerikanische Kulturmagazin «W» Maja Hoffmann schon 2012 zu den einflussreichsten Personen der modernen Kunstwelt; und bei «ARTnews» rangiert sie aktuell unter den 200 bedeutendsten Kunstsammlerinnen und -sammlern weltweit.
Französische Medien schrieben von der «Königin von Arles»
Kunst und Kino – passt das zusammen? Und wie! Denn bevor Hoffmann Kunst zu sammeln begann, studierte sie in New York Film. Zudem ist sie verheiratet mit dem Filmproduzenten Stanley Buchthal (76) – gemeinsam produzierten sie Dokumentarfilme über die Performerin Marina Abramovic (2012) und die Sammlerin Peggy Guggenheim (2015).
Hoffmann und Buchthal haben zusammen zwei Kinder: Lukas und Marina. Nach ihnen ist die 2004 gegründete Luma-Stiftung benannt, mit der Hoffmann freie Kunstschaffende aus den Bereichen Kunst, Publizistik, Fotografie, Multimedia und Dokumentarfilm unterstützen will.
Um dieser Idee Raum zu geben, erwarb Hoffmann 2010 ein ehemaliges Industriegelände in der südfranzösischen Stadt Arles und liess dort bis 2021 einen Kulturkomplex bauen – mit einem von Frank Gehry (94) entworfenen Turm als Hauptattraktion. Man hofft in Arles auf den Bilbao-Effekt, wo sich das Gehry-Museum zum Besuchermagnet entwickelte.
Doch das Grossprojekt in Sichtweite zum römischen Amphitheater – Hoffmann soll mehr als 150 Millionen Franken investiert haben – stiess im beschaulichen Arles auch auf Widerstand: «Königin von Arles» nannten sie französische Medien, und das Satiremagazin «Le Ravi» karikierte sie neben dem Schild «Bienvenue à Majahoffmarles».
Mit dem Amphitheater kennt sie sich aus, nun also die Piazza Grande. So wie Hoffmann in Arles eine Industriebrache nebenan wiederbelebte, so dürfte während ihrer Amtszeit als Präsidentin in Locarno eine nahe Ruine wieder auferstehen: das Grand Hotel – nicht als schillernder Gehry-Bau, sondern in seiner alten Pracht der Belle Epoque.
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