Lo & Leduc über unsere Leistungsgesellschaft und wie Krisen ihre Songs beeinflussen
«Musik kann nicht nicht politisch sein»

Lo & Leduc haben am letzten Freitag ihr neues Album veröffentlicht. In «Luft» beleuchtet das Duo aus Bern gesellschaftliche Themen aus einem persönlichen Blickwinkel. Was Musik kann und wo sie an ihre Grenzen stösst, sagen die Künstler im Interview.
Publiziert: 06.11.2022 um 18:46 Uhr
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Sind mit ihrem neuen Album «Luft» in der Schweiz auf Tour: Luc «Leduc» Oggier (l.) und Lorenz «Lo» Häberli.
Foto: Thomas Meier
Interview: Jana Giger

Die erste Songidee für das Album Luft hatten Lorenz «Lo» Häberli (36) und Luc «Leduc» Oggier (33) vor vier Jahren. Seither haben sie an vielen Texten gearbeitet, zeitweise parallel für zwei Alben. «Mercato» erschien Anfang Jahr, «Luft» ist seit letztem Freitag draussen.

Blick: Wie haben Sie entschieden, welche Lieder auf welches Album gehören?
Lo:
Es hat sich relativ früh gezeigt, dass es zwei verschiedene Platten werden. Für uns vermitteln die beiden Alben ziemlich unterschiedliche Stimmungen. Auf dem neuen Album sind viele Instrumentalsoli der Band zu hören. «Luft» hat viel Live-Charakter, und wir freuen uns riesig darauf, damit auf Tour zu gehen.
Leduc: Wir hatten für die beiden Alben zwei komplett verschiedene Projektgruppen, zwischen denen wir hin und her gependelt sind. «Luft» hat sich viel Zeit genommen und tut das auch innerhalb der einzelnen Lieder. Sobald ich den ersten Song abspiele, der sich langsam aufbaut, sehe ich den blau-rauchigen Jazzkeller vor mir. Diesen warmen, analogen Sound haben wir gesucht.

Manche Songs haben etwas Melancholisches an sich.
Lo:
Ja, es hat auf jeden Fall ein paar nachdenkliche Lieder, und im Vergleich zu «Mercato» ist «Luft» ruhiger.
Leduc: Ich bin mir aber nicht sicher, ob das der grösste Unterschied ist.
Lo: Ich mir auch nicht. Vielleicht eher, dass man auf dem neuen Album einen persönlicheren Zugang zu den Themen spürt. Wir haben versucht, ein Thema nicht auf der allgemeinen Ebene abzuhandeln, sondern den eigenen Zugang zu finden. Dadurch zeigen wir uns wohl verletzlicher als früher.

In «The Dream» heisst es: «Du muesch nur dra gloube, denn wärde dini Tröim när wahr.» Gab es in Ihrer Musikkarriere einen Moment, in dem Sie ans Aufgeben dachten?
Lo:
Dieser Satz ist in unserer Leistungsgesellschaft sehr präsent, gleichzeitig ist er hochproblematisch. Er impliziert, dass es mein Verdienst ist, wenn ich Erfolg habe, und es meine Schuld ist, wenn ich keinen Erfolg habe. Das ist ein problematischer Fehlschluss.

Und Sie wollen damit zum Nachdenken anregen?
Lo: Das klingt immer so, als hätten wir es zu Ende gedacht. Haben wir nicht. Wir singen über Themen, die uns beschäftigen und die sich uns regelrecht aufdrängen. Und um auf Ihre eigentliche Frage über das Aufgeben zurückzukommen: Nein.

Eine Erfolgsgeschichte

Lo & Leduc kennen sich seit fast zwei Jahrzehnten und prägen mit ihren Mundartsongs die Schweizer Musikszene. Der Durchbruch gelang den beiden Freunden 2014 mit dem Album «Zucker fürs Volk». Bisher haben sie neun Platten veröffentlicht, unzählige Preise abgeräumt und mit «079» einen der grössten Schweizer Hits überhaupt geschrieben. Die Künstler aus Bern wussten schon im Kindesalter, dass sie Musik machen wollen. Mit der Unterstützung ihres Teams ist dieser Traum Wirklichkeit geworden.

Lo & Leduc kennen sich seit fast zwei Jahrzehnten und prägen mit ihren Mundartsongs die Schweizer Musikszene. Der Durchbruch gelang den beiden Freunden 2014 mit dem Album «Zucker fürs Volk». Bisher haben sie neun Platten veröffentlicht, unzählige Preise abgeräumt und mit «079» einen der grössten Schweizer Hits überhaupt geschrieben. Die Künstler aus Bern wussten schon im Kindesalter, dass sie Musik machen wollen. Mit der Unterstützung ihres Teams ist dieser Traum Wirklichkeit geworden.

Ein Journalist findet im «NZZ-Magazin» harte Worte für «Luft»: «Die Schweizer Hitlieferanten aus Bern haben ein Problem: Ihnen fällt nichts mehr ein.» Stimmt das?
Leduc: Zuerst muss man sagen, dass das ein sehr ausführlicher Artikel ist. Der Verfasser hat sich intensiv mit dem neuen Album auseinandergesetzt.
Lo: Nicht nur mit «Luft», sondern auch mit unseren früheren Platten. Aber die Kritik in diesem erwähnten Satz deckt sich nicht mit meinem Gefühl. Wir haben in einem Jahr zwei Alben herausgebracht. Ich würde nicht sagen, dass uns nichts mehr in den Sinn kommt. Interessant finde ich die inhaltlichen Ansprüche an das Album, die der Autor anspricht.

Dass Sie nicht auf die aktuellen Weltkrisen eingehen …
Leduc:
Genau, da die Weltlage eine gänzlich andere ist als vor einem Jahr, stellt er sich die Frage, wie man das nicht auf einem Album thematisieren kann. Die kurze Antwort: Wenn ein Album wie Luft mehrere Jahre braucht zum Entstehen, dann ist diese Latenz auch inhaltlich auszuhalten. Aber ich kann den Anspruch verstehen. Mit dem Song «Fründ» beleuchten wir die Gleichzeitigkeit des Ungleichen und benennen Krisen, die bereits zu Beginn des Albumprozesses 2018 aktuell waren – und es leider immer noch sind.

Muss Musik politisch sein?
Lo: Ich glaube, Musik kann nicht nicht politisch sein. Wenn man nichts sagt, sagt man auch etwas. Aber sobald man von Künstlerinnen und Künstlern verlangt, das politische Sprachrohr zu sein, dann hat jemand anderes seine Arbeit nicht gemacht. Wenn in den sozialen Medien nicht über politische Themen gesprochen wird, bedeutet das nicht, dass die Jugend apolitisch ist, sondern dass der Diskurs nicht mehr stattfindet. Und es ist eine gesellschaftliche Aufgabe, diesen wieder anzukurbeln.

Sie haben sich in der Vergangenheit ja durchaus politisch geäussert, wie mit dem Song «Aleppo», bei dem Sie sich mit Flüchtlingen solidarisieren.
Leduc: Ein anderes Beispiel ist unser Song «Ei hand die angeri», der einen sehr konkreten Bezug zur Pflegeinitiative hat. Auch dieser ist leider nach wie vor aktuell. Der Applaus ist verebbt, und der Personalmangel spitzt sich zu.

Sie, Lo, sind eher der Freestyler auf der Bühne und sagen über Leduc, dass er im Studio ein kreativeres musikalisches Verständnis hat. Wo sind Sie beide sich beim Musikmachen ähnlich?
Leduc: Gemäss dem Wikipedia-Eintrag über uns macht Lo die Texte und ich die Musik – das stimmt überhaupt nicht. Der Eintrag ist generell fehlerhaft, aber wir wissen nicht, wie wir ihn korrigieren können. Falls also jemand ein Admin-Login hat … Zurück zur Frage: Das Schreiben der Lieder funktioniert symbiotisch. Jemand von uns hat eine Idee für einen Song, und danach geht es hin und her, wie beim Pingpong.

Gibt es etwas, das Sie an Ihrem Künstlerleben nervt?
Lo: Die Öffentlichkeitsarbeit gehört nun mal dazu, ist aber sicher nicht der Lieblingsteil unserer Arbeit. Das Anstrengendste ist nicht das späte Zubettgehen nach drei Konzerten, sondern das Gefühl zu haben, ständig die Gesichter nach aussen zu sein.

Sie sind eines der wenigen Duos in der Schweizer Musikszene – was macht es besonders, diesen Weg zu zweit zu gehen?
Leduc: Wir waren nie nur zu zweit. Wir haben unsere Band sowie weitere Crew-Mitglieder und ganz viele Menschen in unserem Umfeld, die uns seit Beginn unterstützen.
Lo: Das alles alleine durchzuziehen, wäre zeitweise derart anstrengend gewesen, dass ich das Gefühl gehabt hätte, nicht mehr weitermachen zu wollen. Als Duo können wir die anstrengenden Arbeiten aufteilen und die vielen schönen Sachen gemeinsam erleben. Das ist ein Segen.

Am 18. November treten Lo & Leduc an der Energy Star Night im Zürcher Hallenstadion auf.

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