Ein feministischer Tausendsassa: Lisa Christ (31) ist nicht nur eine der erfolgreichsten Satirikerinnen des Landes. Sie ist auch eines der grössten Talente im Bereich Comedy und Slam-Poetry und prägt aktuell die Schweizer Kulturszene mit ihrem Kampf für Frauenrechte und Gleichstellung. Auf die Frage, welche Berufsbezeichnung sie selber am liebsten mag, hat die wortgewandte Solothurnerin Mühe zu antworten.«Sagen wir es so: Ich verdiene Geld, indem ich meine Gedanken teile», sagt Christ im Gespräch mit SonntagsBlick und ergänzt lachend: «Aber ich vergesse oft selber die Hälfte von dem, was ich alles mache.»
Seit über 13 Jahren auf der Bühne
Verständlich. Die Autorin, Kabarettistin und SRF-Comedy-Moderatorin tritt seit über 13 Jahren an Poetry-Slams auf, bei denen sie Titel wie den der U20-Schweizer-Meisterin oder Thurgauer Slam-Königin gewann. Eine Auswahl ihrer besten Texte hat Christ 2018 in ihrem ersten Buch «Im wilden Fruchtfleisch der Orange» veröffentlicht. Zusammen mit der Journalistin Miriam Sutter betreibt sie zudem den feministischen Podcast «Faust & Kupfer», und seit zwei Jahren tourt sie mit ihrem Soloprogramm «Ich brauch neue Schuhe» durch die Schweiz. Aktuell steht Christ im Casinotheater Winterthur im satirischen Jahresrückblick «Bundesordner» auf der Bühne. «Ich bin zu vielseitig interessiert, als dass ich mich nur auf eine Richtung festlegen könnte», sagt sie. «Wichtig ist mir aber bei jeder Arbeit, dass es Raum für Humor und Ironie hat. Es darf nicht nur ernst sein.»
Als Kind wollte Christ Modedesignerin werden. «Ich habe mir jeden Monat mein Sackgeld zusammengespart, um mir die ‹Vogue› zu kaufen», sagt sie. Noch heute hat die studierte Kunstvermittlerin eine Leidenschaft für modische Stylings. So trägt sie Leopardenmuster zu Neon-Prints, durchsichtige Regenmäntel zu Leggins. Ihren Körper zieren unzählige Tattoos, viel Haut zeigt sie bei ihren Auftritten allerdings selten. «Ich habe festgestellt, dass wenn ich auf der Bühne zu sexy bin, mir das Publikum nicht mehr richtig zuhört», sagt Christ und ergänzt: «Aber ich werde sowieso lieber auf meine Worte reduziert als auf meinen Körper.»
Christ setzt sich für Feminismus und Gleichstellung ein
Ihren Sinn für Feminismus entdeckte die Bühnenpoetin bereits im Alter von 18 Jahren. «Ich hatte meinen grössten Aha-Moment, als ich realisierte, dass ich Frauen nicht mehr als Konkurrentinnen, sondern als Freundinnen und Unterstützerinnen wahrnehme. Anders als die Gesellschaft mir das beigebracht hatte. Das änderte für mich alles.» Von da an macht Christ das Thema Frausein zu einem ihrer Hauptthemen, prangert Sexismus und fehlende Gleichstellung an. «Wir klopfen uns in diesem Land auf die Schulter, dass wir seit 50 Jahren das Frauenstimmrecht haben oder dass dieses Jahr die Ehe für alle eingeführt wird – dabei ist es in beiden Fällen beschämend, dass es so lange gedauert hat», ärgert sich Christ. «Wir ruhen uns bei Gleichstellungsfragen auf einem Niveau aus, das unterirdisch ist.» Um etwas zu ändern, setzt sich die Künstlerin im Verein Slam Alphas dafür ein, Frauen in der Slam-Poetry-Szene sichtbarer zu machen. «Zu Beginn meiner Karriere war ich bei Auftritten meist die einzige Frau. Zum Glück ändert sich das kontinuierlich, und immer mehr Frauen erobern die bisher männerdominierten Bühnen.»
Anfeindungen und Anmachen im Netz
Durch ihr öffentlich feministisches Engagement erlebt Christ vor allem in den sozialen Medien auch Anfeindungen oder skurrile Annäherungsversuche. «Ich mache Screenshots und blockiere die betreffenden Profile. Sind die Nachrichten besonders plump oder absurd, veröffentliche ich sie manchmal auch auf meinem Profil», sagt sie. Von ihrem Weg als Künstlerin lässt sie sich dadurch aber nicht abbringen – im Gegenteil. «Heftige Reaktionen zeigen ja bloss, dass ich mit meinen Aussagen einen Nerv treffe – und das ist gut so.»
Zurzeit arbeitet Lisa Christ, die seit zweieinhalb Jahren in Zürich lebt, an ihrem neuen Soloprogramm, mit dem sie im Herbst auf Tournee gehen möchte. Auch da dürfen sich die Zuschauer wieder auf eine geballte Ladung feministische Satire freuen, von einer Künstlerin, die kein Blatt vor den Mund nimmt.