Auf einen Blick
- Serie zeigt ehrliches Bild der Landwirtschaft und der Bauern
- Koechlin hat 14'500 Instagram-Follower, 14'000 allein wegen «Neumatt»
- Neues Projekt: Kinderbuch und Drehbuch für Serie in Planung
Meistens sieht er unheimlich müde und abgekämpft aus, Michi Wyss, Hauptfigur der SRF-Serie «Neumatt», deren dritte und letzte Staffel diesen Sonntag anläuft (SRF 1, Doppelfolge ab 20.05 Uhr, alle Folgen auch auf Play Suisse). Nach der tragischen Unfallnacht am Ende von Staffel 2 rappelt sich der Bauernsohn wieder auf und gründet einen Bio-Lieferservice.
Gespielt wird Wyss erneut von Julian Koechlin (32). «Auch wenn es komisch klingt, aber durch den Unfall bekam Michi eine Basis, die ihm nicht nur schlecht tat. Und das wurde auch für meine Arbeit entlastender», sagt der Basler. «Michi ist ruhiger geworden, weniger hektisch und gestresst.»
Die Rolle hat ihn während drei Jahren begleitet. «Ich habe wohl indirekt die Rolle mitverändert, indem ich älter geworden bin, als Mensch ruhiger und weniger aufgeregt, bodenständiger und geerdeter, was man nun auch Michi ansieht.» In Staffel 1 und 2 stand Wyss' Homosexualität im Vordergrund. Nun ist er der einzige Charakter, der in der Serie keinen Sex hat. Das ist auch Koechlin aufgefallen. «Wahrscheinlich ist seine Trauerphase massgebend. Und neben der Trauer ist er auch traumatisiert und schläft nicht viel.»
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«Guter Punkt, um aufzuhören»
Die Serie sei auch deshalb spannend und wichtig, weil sie kein verklärendes Bild von der Landwirtschaft und den Bäuerinnen und Bauern abgebe. «Ich hatte schon immer Respekt vor der Anstrengung des Handwerks und vor der Leidenschaft für die Natur. Die Vorbereitung auf die Serie zeigte mir dann noch deutlicher, wie viel Arbeit hinter dieser scheinbaren Idylle steckt, die man wahrnimmt, wenn man durch ein Bauerndorf fährt. Was es wirklich bedeutet, jeden Tag um fünf Uhr aufzustehen, in den Stall zu gehen und den ganzen Tag auf Trab zu sein.»
Seine Rolle loslassen könne er jetzt gut. «Michi war und ist in der Tat ein sehr anstrengender, zermürbender Charakter. Er ist ruhelos und weiss nie wirklich, was er will. Überall eckt er an, und man kann ihm nicht wirklich vertrauen. Die dritte Staffel ist ein guter Punkt, um aufzuhören. Mit ihr schliesst sich ein Kreis, und der Zuschauer wird in eine offene, aber versöhnliche Zukunft entlassen.»
Weltweite Anfragen auf Instagram
«Neumatt» hat Koechlin für seine weitere Karriere geholfen. Die Serie verzeichnete zu Beginn starke Quoten, die erste Staffel sahen sich fast eine halbe Million Menschen an. Mittlerweile ist «Neumatt» auch weltweit auf Netflix zu sehen. «Auf Instagram bekomme ich seit dem Netflix-Start täglich persönliche Nachrichten aus der ganzen Welt, viele aus Südamerika, aber auch aus den USA und England. Ich habe nun rund 14'500 Follower, 14'000 davon wegen ‹Neumatt›.»
Und er hat auch konkrete Jobangebote erhalten. «Am 24. Oktober läuft mit ‹Münter & Kandinsky› der erste deutsche Kinofilm an, in dem ich mitwirke.» Beleuchtet wird daran das Künstlerpaar Gabriele Münter und Wassily Kandinsky. Koechlin spielt den befreundeten Paul Klee. «Zu dieser Rolle kam ich unter anderem durch meine Netflix-Präsenz.»
Zu Klee hat Koechlin eine spezielle Beziehung. Von 2013 bis 2018 absolvierte er sein Schauspielstudium an der Hochschule der Künste Bern und wohnte am Breitenrainplatz, unweit vom Zentrum Paul Klee. «Für meine Rolle nahm ich Kontakt zum Museum auf und bekam eine Fülle von Dokumaterial zur perfekten Vorbereitung.»
Er plant nun ein Kinderbuch
Als die dritte Staffel von «Neumatt» gedreht wurde, ging gerade sein vierjähriges Engagement am Theater Aachen zu Ende. Anfang 2024 ist er wieder nach Basel gezogen, wo er aufgewachsen ist. «Beim Theater habe ich zurückgeschraubt. Ich bin zurzeit stark im Macher-Modus, anstatt selber auf einer Bühne zu stehen. Ich plane gerade ein Kinderbuch und habe während eines Jahres ein Drehbuch für eine Serie geschrieben, bei der ich später auch Regie führen möchte.» Worum es im Kinderbuch gehen soll, will er noch nicht verraten.
Viele Schweizer Schauspielerinnen und Schauspieler leben karrierebedingt in Deutschland, vorzugsweise in Berlin. Für Koechlin ist dies sekundär. «Wenn man in Deutschland mit mir arbeiten will, bin ich rasch dort. Nur in Deutschland zu wohnen in der Hoffnung auf mehr Anfragen, ist nicht meine Taktik. Ich bin lieber in ‹meinem› kleinen Basel, wo fast alles zu Fuss erreichbar ist. Und wo ich meine eigenen Projekte verfolgen kann, anstatt in Berlin auf Telefone zu warten.»