Nicht nur Locarno oder Zürich, auch Genf hat ein eigenes Filmfestival! Ab heute findet bereits zum 28. Mal das GIFF, das Geneva International Film Festival statt, das viel mehr als nur ein Treffen der Filmindustrie ist. Vom 4. bis 13. November werden zwar viele Spielfilme gezeigt, darunter auch Vorpremieren, Schweizer Premieren oder Weltpremieren. Aber auch Serien, Performance-Filme und bemerkenswerte immersive digitale Installationen stehen im Mittelpunkt des Festivals. Das GIFF hat sich nämlich seit seiner Lancierung im Jahr 1995 zum Ziel gesetzt, die Barrieren zwischen den Genres aufzubrechen, um das audiovisuelle Schaffen im Gesamten zu feiern. Deshalb stehen heute auch immersive Theaterstücke und Virtual Reality auf dem Programm.
Blick hat für dich eine Auswahl mit Highlights aus dem GIFF-Programm zusammengestellt.
Prestigeträchtige Gäste
Der Star des diesjährigen GIFF ist Nicolas Winding Refn (52), der umstrittene dänische Filmemacher, dem wir unter anderem die fabelhafte Darstellung von Ryan Gosling (41) in weisser Jacke, Handschuhen und Zahnstochern zwischen den Lippen im Kultfilm «Drive» zu verdanken haben. Der Regisseur wird am Freitag, 11. November, eine Masterclass unterrichten, bevor er den Geneva Award entgegennimmt. Das GIFF nutzt die Gelegenheit, um einige von Refns Filmen (insbesondere «Pusher», «The Neon Demon» und «Only God Forgives») erneut zu zeigen, aber vor allem seine neue Serie «Copenhagen Cowboy» in einer Vorpremiere vorzustellen. Die Serie bietet eine Rückkehr zu Refns Wurzeln, die neonbeleuchtete Düsternis verspricht, wie immer beim dänischen Regisseur.
Am Samstag, 5. November, hat das Publikum die Möglichkeit, Alexandre Astier (48) kennenzulernen. Der Werdegang des französischen Autors deckt sich mit dem Wunsch des GIFF, Brücken zwischen den Künsten zu bauen. Der Schöpfer der Kultserie «Kaamelott», die nun auch als Film erscheint, ist nicht nur Drehbuchautor, Schauspieler und Regisseur, sondern auch Produzent und Komponist der Musik seiner Werke.
Auf der Seite der Filme
Es ist schwierig, eine Auswahl der Filme am GIFF zu treffen, da das Programm so reichhaltig ist. Zwei bemerkenswerte Werke sind «EO» und «Pacifiction», zwei Überflieger, die bei den letzten Filmfestspielen in Cannes (F) gezeigt wurden. Der erste folgt den Abenteuern eines Esels, der zweite einem französischen Hochkommissar, der durch Polynesien wandert.
Ein weiterer mit Spannung erwarteter Film ist «Saint Omer», der den Prozess gegen eine kindermordende Mutter aus der Sicht einer Schriftstellerin erzählt. Dieser kraftvolle und unbequeme Spielfilm der französischen Regisseurin Alice Diop (43) stellt die Frage nach der gesellschaftlichen Stellung der Frau und der komplexen Beziehung zur Mutterschaft und wurde von den Filmfestspielen in Venedig (I) mit zwei Preisen, darunter dem Silbernen Löwen, ausgezeichnet.
Bei den lokalen Produktionen ist es unmöglich, sich nicht von «Unrueh» des Zürchers Cyril Schäublin (37) angezogen zu fühlen. Auf den ersten Blick könnte das Thema kaum schweizerischer sein: ein Spielfilm über eine Uhrenfabrik in einem kleinen Dorf in den Alpen Ende des 19. Jahrhunderts. Doch als eine Arbeiterin den Weg eines kommunistischen Geografen kreuzt, nimmt der Film eine ganz andere, politische und verträumte Gestalt an, die sich nicht mehr einordnen lässt.
Vorpremieren in Serie
Auch bei den Serien ist das Programm reichhaltig, mit einigen Perlen («Toutouyoutou», eine humorvolle Mischung aus Industriespionage, Luftfahrt und den Anfängen des Aerobics im Frankreich der 1980er-Jahre) und verlockenden Vorpremieren. Den Anfang macht «Headhunters», ein norwegischer Krimi nach einem Roman von Jo Nesbø (62) über einen Headhunter, der vor kurzem in einem grossen Unternehmen angestellt wurde und beschliesst, seinem neuen Arbeitgeber ein Gemälde zu stehlen. An den Reglern sitzen die Produzentinnen einer anderen sehr erfolgreichen norwegischen Serie, «Occupied», die einen mit schwarzem Humor gefärbten Thriller bieten.
Eine gehörige Prise schwarzer Humor wird auch bei «Des gens bien» geboten: eine belgisch-französische Serie über den Mord an einer Frau, die von ihrem Ehemann, einem Polizisten, umgebracht wurde. Der Liebhaber des Opfers, ein Gendarm, leitet die Ermittlungen. In der portugiesischen Serie «Thieves like Us» geht es nicht um Mord, sondern um eine Einbruchsserie in den 1980er-Jahren. Im Zentrum steht ein Paar im Stil von Bonnie und Clyde, das schliesslich die Nationalbank ins Visier nimmt.
Immersive Kunstwerke
Zwei immersive Werke haben Blick besonders beeindruckt: Das erste ist «Evolver», das bereits auf dem Tribeca-Festival in New York (USA) gezeigt wurde. Dieses Werk bietet den Zuschauern die Möglichkeit, in das Herz eines menschlichen Körpers zu gelangen. Dazu müssen sie nur einen Virtual-Reality-Helm aufsetzen und sich, geführt von der Stimme des Hollywoodstars Cate Blanchett (53), durch Bilder und Klänge führen lassen, die den Atem, den Blutkreislauf und die kleinsten Pulsschläge der Organe wiedergeben. Eine besinnliche Reise, die vom König der Tiefsinnigkeit, dem Filmemacher Terrence Malick (78, «Tree of Life»), produziert wurde.
In «Les Aveugles» mischt sich die virtuelle Realität mit dem Theater. Zwölf Zuschauer, die ebenfalls mit einem Headset ausgestattet sind, werden auf die Bühne eingeladen, um sich den Raum, das Licht und den Ton eines Stückes anzueignen, das auf einem Text des belgischen Schriftstellers Maurice Maeterlinck (1862–1949) basiert. Dieser erzählt die Geschichte von zwölf Blinden, die von einem Priester, der sie zum Hospiz begleiten sollte, in einem Wald ausgesetzt werden. Nach und nach verschmelzen die Zuschauer mit den Figuren. Faszinierend.