Anja Zeidler (26) ist die bekannteste Influencerin der Schweiz. Ihre knapp 300'000 Instagram-Fans begleiteten sie auf ihrem Weg zum international gefragten Fitnessmodel. Nach Essstörungen, Anabolika-Missbrauch und Fitnesssucht erlitt sie einen psychischen Zusammenbruch. Zeidler krempelte ihr Leben um. Heute setzt sie auf Natürlichkeit und Selbstliebe und lässt ihre Fans ungefiltert an ihrem Leben teilhaben – zu dem seit 28. Januar 2020 auch ihre Tochter Jela gehört.
BLICK: Wie geht es Ihnen, Frau Zeidler?
Anja Zeidler: Es geht mir super! Ich bin glücklich mit meiner Familie. Ich habe die letzten Jahre viele alte Muster losgelassen und mich selbst gefunden. Aber ich hätte nie gedacht, dass das Mamisein einen noch mehr erfüllen kann als all das.
Das klingt, als seien Sie bei sich angekommen.
Ich glaube, zu hundert Prozent kommt man im Leben nie an. Ich bin erst 26 und werde hoffentlich noch viel erleben dürfen.
Am 28. Januar kam Ihre Tochter Jela zur Welt. Wie geht es ihr?
Sie ist kerngesund und ein absolutes Strahlekind. Ihr Lachen öffnet mein Herz. Wenn ich gestresst bin oder mich über etwas aufrege, dann brauche ich sie nur anzuschauen, und die Welt ist wieder in Ordnung. Sie ist magisch.
Wie sieht Ihr Alltag mit Jela aus?
Jeder Tag ist anders. Meistens geht es relativ gut. Ich kann viel von zu Hause aus arbeiten. Wenn Jela wach ist, lasse ich Handy und Laptop liegen, sie bekommt meine volle Aufmerksamkeit. Wenn sie schläft, produziere ich meinen Content für Social Media.
Sie waren zuvor häufig unterwegs oder sind öffentlich aufgetreten.
Ja, auch diese Dinge gehören zu meinem Job, aber darauf verzichte ich gerade. Ich bin nicht Mami geworden, um mein Kind abzugeben. Jela ist immer an erster Stelle. Deswegen habe ich auch eine Haushälterin eingestellt, die mich mehrmals pro Woche unterstützt. Sie geht einkaufen, macht Wäsche und hält die Wohnung sauber.
Nicht alle können sich eine Haushälterin leisten.
Das hat für mich mit Selbstliebe zu tun. Ich spare lieber bei anderen Dingen. Das ist es mir wert. Oder: Das bin ich mir selbst wert. Hilfe annehmen heisst, dass man sich selbst schätzt. Mutter zu sein, ist ein Vollzeitjob. Daneben noch mal zu hundert Prozent in einem Job tätig zu sein, welcher Kamerapräsenz, Energie, Ideenreichtum und Kreativität fordert – das braucht viel Kraft.
Woher nehmen Sie die?
Ich habe es mir bewusst so ausgesucht und mich dafür entschieden. Ich möchte weder Jela noch meinen Partner Milan, noch unsere zwei Katzen missen. Ich hatte die vergangenen Jahre viel Zeit, mich intensiv um mich zu kümmern, und das wird auch wieder kommen. Alles zu seiner Zeit. Aber ja, ich bin Jelas Betreuungsperson und gleichzeitig Businessfrau. Eine «Working Mom». Es erfüllt mich.
Aber es gibt sicher auch Momente, in denen nicht alles so einfach ist.
Wie bereits erwähnt, will ich Jela nicht abgeben. Ich kann es noch gar nicht. Ich vermisse sie bereits, wenn sie mal dreissig Minuten nicht bei mir ist. Kürzlich ging ich zur Pédicure und Jela zu ihrer Grossmama. Alle meinten: ‹Super, geniesse es, jetzt kannst du mal entspannen.› Aber das war kein Entspannen, sondern total komisch, und ich will es so schnell nicht wieder tun. Ich bin danach zu Jela geeilt, als hätte ich sie eine Woche lang nicht bei mir gehabt.
In der Schweiz müssen Frauen ihre Kinder schon nach 16 Wochen in die Betreuung geben, um wieder zur Arbeit gehen zu können.
Die WHO empfiehlt sechs Monate lang ausschliessliches Stillen. Aber die Mutter soll nach 16 Wochen wieder arbeiten gehen? Wie bitte soll das gehen? Das ist ein Widerspruch. Über den Vaterschaftsurlaub von ein bis drei Tagen kann ich nur lachen. Ich finde unser Schweizer System in dieser Hinsicht eine Katastrophe, wirklich peinlich. Wir sollten uns ein Vorbild an Schweden nehmen. Dort ist die Elternzeit sensationell geregelt. Wäre ich in der Politik, würde ich mich für geteilte Elternzeit einsetzen.
Unterstützt Sie Ihr Partner?
Milan unterstützt mich, wo er kann. Letzthin gab es einen Moment, wo Jela stundenlang geweint hat, da sie bereits zahnt. Ich habe mit ihr in den Armen im Türrahmen auf Milan gewartet und sie ihm direkt in die Arme gedrückt, als er hereinkam. Danach brach ich in Tränen aus und versank auf der Couch. Milan kam mich trösten und sagte mir, dass er mich bewundert, wie toll ich das alles meistere. Ich solle mir ein Bad einlassen, er gehe mit Jela spazieren.
Sie haben auf Instagram erzählt, dass es mit dem Stillen Ihrer Tochter nicht so funktioniert hat, wie Sie es sich gewünscht hätten.
Oh ja. Ich habe immer davon geträumt, meine Kinder möglichst lange stillen zu können. Leider hat das nicht geklappt. Ich habe mir selbst viel Druck gemacht. In der Stillberatung stellte sich heraus, dass Jela nicht effizient saugt und somit die Muttermilchproduktion zu wenig anregen konnte. Aber das Thema Stillen war mir nun mal besonders wichtig.
Wie geht es Ihnen heute damit?
Es tut auch heute noch weh, wenn jemand furztrocken fragt: ‹Und? Stillst du?› Oder die abschätzenden Blicke, meist von älteren Damen, wenn man in der Öffentlichkeit die Flasche gibt. Die denken sich wohl: ‹Aha, da will eine lieber frei statt ein richtiges Mami sein.› Ich hätte mir das Stillen so sehr gewünscht.
Sie zeigen in den sozialen Medien auch diese Seite.
Ja, denn ich möchte anderen Frauen sagen, dass sie mit ihren Stillproblemen nicht alleine und trotzdem gute Mütter sind. Ausserdem zeige ich gerne, was ich gelernt habe und dass es Alternativen zum Fläschchen und zur Pulvermilch gibt. Jela bekommt übrigens Spendermuttermilch von einer Freundin von mir. Ich kenne sie seit meiner Kindheit. Sie ist selbst Hebamme und hat ein Baby im ähnlichen Alter. Jela geht es bestens, und ich habe alles, was ich nur kann, in unsere Stillbeziehung investiert. Ich weiss, dass sie das spürt.
Haben Sie sich Gedanken darüber gemacht, ob Sie Jela in den sozialen Netzwerken zeigen wollen?
Wir haben uns lange Zeit Gedanken darüber gemacht und für uns klare Grenzen gesetzt. Wir zeigen einiges von Jela, aber niemals alles. Sie ist Teil von uns und nun mal 24 Stunden mit dabei. Aber trotzdem gibt es ganz vieles von ihr, was die Öffentlichkeit nicht weiss, und das soll auch so bleiben. Zudem steht für uns eines fest: Wir werden nie einen eigenen Instagram-Account für sie verwalten, wie es einige Influencer-Eltern tun. Aber diese Entscheidung treffen alle Eltern selbst, und ich will niemanden dafür verurteilen. Ich finde es generell doof, wenn sich andere in die Erziehung anderer einmischen wollen, egal zu welchem Thema.
Wie hat sich die Beziehung zwischen Ihnen und Milan nach der Geburt von Jela verändert?
Absolut positiv. Vor allem die Geburt hat uns enorm zusammengeschweisst. Er sagte mir, dass er, seit er das miterlebt hat, jetzt erst recht vollsten Respekt vor mir hat und vor jeder Frau seinen Hut zieht. Er und ich sind ein tolles Team und verfolgen dieselben Ziele und Träume im Leben. Klar gibt Jela den Takt an, aber wir haben trotzdem genügend Zeit für uns, auch wenn sich diese etwas anders gestaltet als zum Beispiel früher mit spontanen Wochenend-Trips. Wir können uns stundenlang mit dem Kartenspiel Uno beschäftigen und freuen uns jetzt schon, wenn Jela mitspielen kann.
Wurden Sie mit Vorurteilen zum Thema Muttersein konfrontiert?
Oh ja, mit allen möglichen. Alle wollen es besser wissen und Tipps geben. Aber das ist normal, wenn man sich in der Öffentlichkeit positioniert hat. Ich wurde zum Beispiel angegriffen, als ich während der Schwangerschaft verkündet habe, dass ich mich auf die Geburt freue. Ich sei sehr überheblich für eine Erstgebärende und werde bei der Geburt wörtlich auf die Welt kommen.
Und dann?
Nun ja, ich habe versucht, nicht hinzuhören – und habe eine wunderschöne Hypnobirthing-Geburt erlebt (unter Hypnobirthing, auch sanfte Geburt genannt, versteht man eine Geburt ohne technische Hilfsmittel. Dabei werden Entspannungstechniken und mentales Training angewandt; Anm. d. R.). Darf ich noch etwas sagen?
Gerne.
Ich möchte allen, die Eltern werden, sagen: Hört nicht hin. Ihr wisst am besten, was gut für euer Kind ist. Lasst euch nicht verunsichern und macht eure eigenen Erfahrungen.
Wünschen Sie sich weitere Kinder?
Milan und ich sprechen davon. Ich wünsche mir zukünftig schon noch weitere Kinder, aber jetzt ist erst mal Jela im Mittelpunkt. Wenn es nach Milan gehen würde, hätten wir vermutlich jetzt schon eine Fussballmannschaft.
Anja Zeidler wurde am 27. Juli 1993 geboren und wuchs in Luzern auf. Bekannt wurde sie 2012 als erfolgreichste Fitness-Persönlichkeit der Schweiz. Nach Anabolika-Missbrauch und einem psychischen Zusammenbruch kehrte sie der Fitness-Welt den Rücken und krempelte ihr Leben um. Mit ihrer Geschichte, die sie in ihrem Buch «Sei glücklich, nicht perfekt» verarbeitete, will sie andere ermutigen, sich selbst treu zu bleiben. Sie ist Geschäftsführerin ihrer eigenen Firma (Anja Zeidler GmbH) und lebt mit ihrem Partner, dem Fussballer Milan Anicic, und der gemeinsamen Tochter Jela in Luzern.
Anja Zeidler wurde am 27. Juli 1993 geboren und wuchs in Luzern auf. Bekannt wurde sie 2012 als erfolgreichste Fitness-Persönlichkeit der Schweiz. Nach Anabolika-Missbrauch und einem psychischen Zusammenbruch kehrte sie der Fitness-Welt den Rücken und krempelte ihr Leben um. Mit ihrer Geschichte, die sie in ihrem Buch «Sei glücklich, nicht perfekt» verarbeitete, will sie andere ermutigen, sich selbst treu zu bleiben. Sie ist Geschäftsführerin ihrer eigenen Firma (Anja Zeidler GmbH) und lebt mit ihrem Partner, dem Fussballer Milan Anicic, und der gemeinsamen Tochter Jela in Luzern.