Im ersten Radio-Interview spricht DJ Christopher S über seine Haftzeit
«Im Gefängnis bleibt die Zeit stehen»

In der Morgenshow von Radio Energy Bern spricht DJ Christopher S über seine Haftzeit, die er im März 2022 angetreten hatte. «Ich möchte einfach nie mehr zwei solche Jahre erleben. Freiheitsentzug ist alles andere als geil. Vor allem, wenn man Familienvater ist.»
Publiziert: 05.01.2025 um 19:34 Uhr
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Aktualisiert: 06.01.2025 um 00:53 Uhr
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Christoph Spörri bei seinem ersten TV-Auftritt nach der Haftzeit, am 16. Dezember 2024 in der SRF-Sendung «Gesichter & Geschichten».
Foto: Screenshot SRF

Auf einen Blick

  • DJ Christopher S nach Haftstrafe frei. Er blickt optimistisch in die Zukunft
  • Spörri arbeitete im Gefängnis und telefonierte täglich mit seiner Familie
  • Vier Jahre Haft wegen Brandstiftung, bis März 2026 Bewährung
Die künstliche Intelligenz von Blick lernt noch und macht vielleicht Fehler.
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Jean-Claude GalliRedaktor People

Vor genau einem Monat kam der Berner Christoph Spörri (55), auch bekannt unter seinem DJ-Namen Christopher S, auf Bewährung frei. Wegen Brandstiftung und Versicherungsbetrug wurde er 2018 zu vier Jahren Haft verurteilt, im März 2022 trat er seine Strafe an. Bei Energy Bern gibt er in der Morgenshow von Montag, ab 6 Uhr, sein erstes Radio-Interview, nachdem er Mitte Dezember bei SRF zu sehen war.

Spörris oberste Maxime, die er auch gegenüber Blick unterstreicht: «Mir geht es gut. Und ich schaue nun vorwärts.» Weihnachten verbrachte er im Kreis seiner Familie – er ist verheiratet und hat zwei Söhne. «2025 ist wie ein Neustart. Ich habe den Reset-Knopf gedrückt, schon im Dezember, als ich das Gefängnis verlassen konnte», sagt er bei Energy.

Vor allem der Anfang der Haftzeit sei mental brutal gewesen. «Erst nach acht Monaten konnte ich das erste Mal einen Kurzurlaub beantragen.» Die Verurteilung sei schon eine grosse Strafe gewesen. «Aber die noch grössere Strafe war, mit Menschen zusammen zu sein, mit denen du das oft gar nicht willst. Die Bandbreite reichte von Leuten, die eine Busse nicht bezahlt hatten, bis hin zu Mördern. Erstaunlicherweise bin ich mit jenen mit schweren Delikten am besten ausgekommen. Mit denen waren die Gespräche spannender.»

«Das System ist wirklich hart»

Die meisten Insassen hätten von sich aus über ihre Taten gesprochen. «Und von mir wussten viele schon, wer ich bin, als ich nach Witzwil kam. Aber es gab auch ein paar andere bekannte Gesichter», meint Spörri vielsagend. Zuerst arbeitete er im Hausdienst und war für seine Wohngemeinschaft mit zwanzig Insassen verantwortlich. Später konnte er in eine Aussenwohngruppe wechseln und in einem Personalrestaurant arbeiten.

Optisch wirkt Spörri topfit. «Ich habe meine Ernährung angepasst und vor allem viel gearbeitet», sagt er. «Ich wollte, dass die Zeit vorbeigeht. Denn im Gefängnis bleibt sie stehen.» In seinem Zimmer hatte er einen TV-Apparat und ein Telefon, mit dem Gespräche nach draussen möglich waren. «Ich habe mehrmals täglich mit meiner Familie telefoniert. Aber wer meint, das Leben dort sei wie ein Hotelaufenthalt, der irrt bös. Das System ist wirklich hart.»

Bevor er erstmals Heimurlaub bekam, besuchte ihn seine Familie wöchentlich. Und wenn er später Freigang hatte, besuchte er als Fan am Sonntagnachmittag auch mal ein YB-Heimspiel. «Viele Leute schauten komisch, weil sie meinten, ich sei schon wieder draussen. Nach der zehnten solchen Frage sagte ich dann scherzhaft, ich sei auf der Flucht. Worauf Ruhe eintrat.»

Grundsätzlich beteuert Spörri immer noch seine Unschuld. «Doch der Richter hat entschieden. Ob es eine andere Täterschaft war, spielt schlussendlich keine Rolle. Rechtskräftig ist rechtskräftig.» Und ob er in der Haft zu einem «besseren Menschen» geworden sei, könne er nicht beurteilen. «Ich möchte einfach nie mehr zwei solche Jahre erleben. Freiheitsentzug ist alles andere als geil. Vor allem, wenn man Familienvater ist.»

Bis zum endgültigen Strafende im März 2026 bekommt er Bewährungshilfe. «Ich sehe meine Betreuungsperson etwa alle zwei Monate und bin froh, sie zu haben.»

Buchprojekt und DJ-Comeback

Was Spörri sehr positiv wertet, ist, dass seine Kinder in der Schule nie gehänselt worden seien. «Und ich spüre bisher auch selber keine grosse Ablehnung. Wer Fragen hat, kommt meist direkt auf mich zu. Und merkt dann rasch, ob ich antworten will.» Grundsätzlich müsse er in einer Stadt wie Bern und als halbwegs öffentliche Person damit leben, dass ihn die Leute erkennen und auch mit seiner Verurteilung in Zusammenhang bringen würden. «Aber Bern ist meine Homebase. Ich hätte mich nun auch zum Wegzug entschliessen können. Aber das wäre wie eine Flucht gewesen.»

Spörri arbeitet zu hundert Prozent in einem Gastrobetrieb. Und er hat bereits im Gefängnis begonnen, an neuen Songs zu arbeiten. Die Single «Catch Me (if You Can)» ist schon erschienen. «Wer mich kennt, weiss, dass ich gern ein wenig provoziere», kommentiert er den Titel. Auch möchte er wieder als DJ auftreten. «Es gibt erste Anfragen. Doch ich will nicht mehr jedes Wochenende drei oder vier Mal im Einsatz sein, vielleicht noch zweimal im Monat.»

Nebst der Musik verfolgt Spörri auch ein Buchprojekt. «Der Inhalt soll keine Abrechnung werden, denn ich habe im Gefängnis nicht nur Schlechtes erlebt. Ich möchte die Leute viel eher dafür sensibilisieren, wie es so weit kommen konnte.» Jeden Tag habe er einen Brief nach Hause geschickt, in dem er seine Gedanken beschrieben habe. Aus diesen Briefen soll der Buchinhalt entstehen. Und auch ein Podcast ist geplant. «Aber nun bin ich zuerst einmal heilfroh, endlich wieder frei zu sein.»

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