Durch die Panoramafenster der 270 Quadratmeter grossen Wohnung in Rorschach SG sieht man direkt auf den Bodensee. An der Wand lehnt ein deckenhoher silbern gerahmter Spiegel, gegenüber hängt ein überdimensionaler Tierschädel aus Plastik. Chris Djuritschek (53) sitzt barfuss auf dem giftgrünen Samtsofa dazwischen und erzählt von seinem Projekt «Miss Bellyfoo».
Miss Bellyfoo ist die von Djuritschek erfundene Hauptfigur einer Animationsserie. Sie spürt musisch begabte Kinder auf und nimmt sie mit ins «Daba Diba Duba Land». In dieser 3D-animierten Welt sehen die Gebäude aus wie Musikinstrumente, und die Bösewichte heissen Molls. Die Kinder beweisen ihr Können im Singen, Geigespielen oder Stepptanzen und retten so die Welt. Die Message: Mit kleinen Talenten kann man viel erreichen.
Ein Lebenswerk
Mehr als zehn Jahre hat der Deutsche an diesem Konzept gefeilt. Die Idee für Miss Bellyfoo war zuerst musikalisch ausgerichtet: Alles begann mit dem «Daba Diba Duba Song», das Lied einer mittlerweile aufgelösten brasilianischen Band, das er auf einem alten Tonträger fand. Djuritschek coverte das Stück und ging damit zum Plattenlabel Universal Music in Hamburg: «Dort sagte man mir, ich solle mich nur auf den Namen Miss Bellyfoo konzentrieren und eine Serie draus machen.»
Djuritschek selber kommt nicht aus dem Filmbusiness, sondern aus der Musikindustrie. In den Neunzigerjahren war er Mitglied einer siebenköpfigen Boyband namens Construction, die zwei Charthits landete, von Radio Schleswig-Holstein einen Preis bekam und dann verschwand. 2014 war «Chris Dee» im Fernsehen, bei «Familie im Brennpunkt» und «Das perfekte Dinner».
Seine Leidenschaft sind aber Musik und Tanzen. Als Kind wurde das bei ihm nicht gefördert. Stattdessen sollte er Fussball und Tennis spielen. Gerade wegen seiner eigenen Geschichte ist Djuritschek Miss Bellyfoo so wichtig: Sie soll den Kindern vermitteln, dass ihre individuellen Talente wichtig und wertvoll sind. Rund eine halbe Million Franken hat Djuritschek bisher aus eigener Tasche in die Entwicklung von Miss Bellyfoo gesteckt. «Sie ist mein Lebenswerk», erklärt der inzwischen 53-Jährige. «Das ist es, was diejenigen, die mir gesagt haben, ich solle mir besser ein Eigenheim kaufen, als in dieses Projekt zu investieren, nicht verstanden haben.»
Internationales Team
Animationsfilme sind eine vielversprechende Branche, mit der viel Geld zu machen ist: Zu den 30 erfolgreichsten Kinofilmen aller Zeiten gehören insgesamt vier Zeichentrickfilme. Der einträglichste davon, «Die Eiskönigin 2», hat 2019 rund 1,43 Milliarden US-Dollar eingespielt und zwar allein an den Kinokassen. Ein grosses Budget ist aber auch die wichtigste Voraussetzung, damit sich ein Animationsfilm überhaupt umsetzen lässt. Dieses kommt traditionellerweise durch Filmförderprogramme zusammen. Ansonsten besteht das Erfolgsrezept aus einem überzeugenden Design, einer klaren Haltung oder Message und dem nötigen technischen Know-how.
Für das Fachwissen setzt Djuritschek auf ein internationales Team: Das Animationsteam ist in Indien stationiert. Seine Designer und Zeichner sowie Martin Wilton De Grey, der die Filmmusik macht, und die 22-jährige Projektmanagerin leben auf den Philippinen. Und der 25-jährige Autor arbeitet von Chile aus.
Miss Bellyfoo gegen den Rest der Welt
Was Djuritscheks Projekt besonders macht, ist vor allem das Aufeinandertreffen von real gedrehten Szenen mit echten Kindern und einer fantastischen 3D-Welt. Die Animationen sind hochwertig, die Geschichte hinter der Serie leuchtet ein und kann beliebig ausgeweitet werden.
Statt mit einer der etablierten Produktionsfirmen zusammenzuarbeiten, hat Djuritschek kurzerhand seine eigene GmbH gegründet: Foo Entertainment. Das eigene Unternehmen war Djuritschek wichtig: «Ich wollte keinerlei Rechte oder Kontrolle abgeben. Dann kommt es am Ende nie so heraus, wie man will.» Ein Quereinsteiger ohne Fördergelder, im Alleingang gegen die Profis im Business – das ist riskant.
Djuritschek machte sich auf eigene Faust auf Investorensuche und wurde in Baar ZG fündig. Wer diese Investoren sind, will er nicht sagen: «Die stehen alle nicht in der Öffentlichkeit. Es sind Privatpersonen mit Firmen in den Bereichen Immobilien, Bauwirtschaft und Personaldienstleistung.» Von denen bekam Miss Bellyfoo eine Vorinvestition von vier Millionen Franken.
Produktion läuft – Verträge hoffentlich bald
Mit diesem Geld produziert das Team seit Januar. Die Pilotepisode steht schon, drei weitere sind in der Pipeline. Trotz der Mitarbeiter, die von überall auf der Welt kommen, bewirbt Djuritschek seine Serie als «made in Switzerland», hauptsächlich wegen der inländischen Investoren und weil er selbst «in der Schweiz zum ersten Mal richtig angekommen ist». Ausserdem wurden die Real-Life-Szenen für die ersten vier Episoden alle in der Schweiz gedreht, zum Beispiel im Chinagarten in Zürich und im Schloss Wartegg in Rorschach.
Vom 12. bis 23. Oktober wurde die Serie an der coronabedingt online stattfindenden Mipcom vorgestellt, der weltweit grössten Messe für Unterhaltungsinhalte. Dort will Miss Bellyfoo sich eine weltweite Abdeckung mit verschiedenen Fernsehstationen und Vermarktungspartnern sichern. Parallel laufen erste Verhandlungen für Senderechtsverträge. «An der Messe waren wir mit Lead Joy, einer Firma aus China, und Samsung in Kontakt. Dort ging es darum, dass Miss Bellyfoo bei Samsung Plus einen eigenen Kanal erhält.»
Neben der Serie sollen obendrein ein Kinofilm, diverse Themenparks überall auf der Welt und schliesslich eine Talentshow entstehen. Diese Pläne stecken allerdings noch in den Kinderschuhen.
Wenn der Nürnberger seine ersten Skizzen der Figuren im «Daba Diba Duba Land» neben die fertige Pilotepisode hält, wird deutlich: Hier hat sich einiges getan. Doch die Feuerprobe für Djuritscheks Herzensprojekt steht noch bevor: In den nächsten Monaten wird sich zeigen, ob sich die harte Arbeit gelohnt hat und in Zukunft Kinder an der Seite von Miss Bellyfoo unsere Welt retten.
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