Während der National-Circus Knie Mitte Januar normalerweise in seinem Winterquartier in Rapperswil SG ruht, ist in dieser verrückten Spielzeit wirklich alles anders: Erst heute Sonntag finden in Lugano TI die zwei allerletzten Vorstellungen der laufenden Saison statt. Diese vermutlich einmalige Verlängerung in den Januar hinein hat die ganze Crew unter der künstlerischen Leitung von Géraldine Knie (48) noch einmal stark gefordert. «Vor Corona wäre eine solche Umstellung wohl schwierig bis unmöglich gewesen», sagt sie zu SonntagsBlick.
«Doch in dieser ausserordentlichen Situation haben wir gelernt, auch ausserordentlich zu denken und zu handeln. Wir waren so dankbar, dass wir Ende Juli überhaupt starten durften, dass dann alles andere in den Hintergrund gerückt ist. Nun sind wir einfach froh, es heil bis nach Lugano geschafft zu haben.»
Knie verhehlt aber nicht, dass die Umstände oft belastend waren. «Es war eine emotionale Achterbahn, die ganzen zwei Jahre lang. Aber ich möchte mich auf keinen Fall beklagen. Denn dadurch lernten wir auch, den Tag und den Moment noch besser zu geniessen.» Eminent wichtig war für sie dabei der familiäre Zusammenhalt. «Meine Cousine Doris und mein Mann Maycol, die mit mir in der Geschäftsleitung sind, gaben mir enorm viel Kraft. Und natürlich auch meine grossartigen Kinder Ivan, Chanel und Maycol junior.»
Wagemutiges Programm, neue Ära
Trotz aller Hindernisse ist es Géraldine Knie nach dem Rückzug ihres Vaters Fredy Knie jun. (75) gelungen, den National-Circus mit einem spektakulären Programm und dem musikalischen Headliner Bastian Baker (30) in eine neue Ära zu führen. «Ich hatte diese Show bereits vor Corona im Kopf, sie war mein Traum. Aber ich bin immer sehr selbstkritisch und zweifle viel. Umso glücklicher macht es mich, dass wir den Mut fanden, die Show wirklich so umzusetzen.» Das Publikum honorierte das Wagnis. «Wir hatten nach jeder Vorstellung eine Standing Ovation, ausnahmslos. Das gab es noch nie.»
Gerade auch deshalb mag Knie noch nicht daran denken, dass heute letztmals die Lichter ausgehen. «Ich habe schon als Kind gedacht, dass dies der einzige Wermutstropfen am Zirkusleben ist: dass wir immer wieder Abschied nehmen müssen. Und dieser Abschied wird noch trauriger sein als jeder der letzten hundert Jahre.» Denn der Zusammenhalt und die Solidarität im Unternehmen seien während der Pandemie noch stärker geworden. «Schon nur, dass sich alle Mitarbeitenden von sich aus impfen liessen, damit wir ohne Hindernisse starten konnten.»
Schlaflose Nächte für Géraldine Knie
Ein grosses Abschlussfest ist aktuell nicht möglich. «Wir werden noch am Abend mit dem Abbau beginnen und dann heimfahren. Aber wir werden uns bei jedem Einzelnen gebührend bedanken: vom Zeltarbeiter über die Artisten bis hin zu Bastian.»
Hinter den Kulissen laufen schon die Vorbereitungen für die Tournee 2022, die Details dafür sind Ende Januar spruchreif. «Ich habe aber bereits einige schlaflose Nächte gehabt und mich gefragt: Kann man eine solche Show noch toppen?», gesteht Knie. «Schon nur dieses tolle Level zu halten, wäre grandios. Wir geben alles, das verspreche ich.»