Géraldine Knie im grossen Interview
«Meine Kinder sind mein Spiegelbild»

Alle Jahre auf ein Neues: Als künstlerische Direktorin des Schweizer National-Circus fangen Druck und das Ziel, das Publikum zu verzaubern, immer wieder von vorn an. Die Grande Dame des Zirkus über stille Momente, Stabilität und Dankbarkeit.
Publiziert: 24.03.2024 um 09:59 Uhr
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Aktualisiert: 24.03.2024 um 10:49 Uhr
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Géraldine Knie gehört zur siebten Generation der Knie-Dynastie …
Foto: Philippe Rossier
Aurelia Robles, GlücksPost
Glückspost

Die Musik der Proben dringt durch das Chapiteau des National-Circus Knie in Rapperswil SG. In der Manege herrscht Hochbetrieb, Nervosität und Druck. Kommt auch das neue Programm nach über 200 Jahren Zirkus-Geschichte noch an? Géraldine Knie (51), künstlerische Direktorin, hat wie jedes Jahr um diese Zeit schlaflose Nächte. Zum Glück brauche sie nicht viel Schlaf, erklärt sie.

GlücksPost: Ist es anstrengend, jedes Jahr neu anzufangen?
Géraldine Knie: Ja, es ist herausfordernd und auch jedes Jahr traurig. Nach zehn Monaten müssen wir immer eine Show und Leute verabschieden. Man lebt in dieser Zeit so intensiv zusammen. Aber das ist seit meiner Kindheit so, und meine Kinder erleben es jetzt ebenso. Ich sehe in ihnen mein Spiegelbild. Unser Leben bedeutet: immer auf ein Neues!

Worauf freuen Sie sich dieses Jahr?
Der Auftritt meiner Kinder ist das Highlight meines Herzens. Wie sie mitfiebern, ihr Herzblut – das ist für mich als Mutter sehr emotional. Maycolino, mein Jüngster, hat gar um mehr Aufgaben gebeten. Jetzt ist er wie ein Gastgeber, führt etwas durch die Show. Und es wird ganz viel zum Lachen geben. Das ist in dieser emotionalen, ausserordentlichen Zeit sehr wichtig.

Ihre Kinder prägen also das Programm mit?
Ja, ich bin auf die Inputs von meinen drei angewiesen. Mein Prinz Ivan ist 22, Chanel ist mit 13 Jahren ein Teenager und Maycolino der Kleine – ich habe alle wichtigen Altersstufen daheim, die wir auch als Publikum ansprechen wollen. Meine Kinder zeigen mir durch ihre Augen, was ihre Generation cool findet. Für sie ist das aber noch nicht ein Job im Sinne von Arbeit. Und generell ist es mir wichtig, dass wir im Team entscheiden, wie die Show aussieht oder sich anhört.

Wie halten Sie den Druck, den Sie als Direktorin haben, von Ihren Kindern fern?
Ich glaube, es klappt gut, weil meine Kinder einen gewissen Altersunterschied haben und sich auch gegenseitig ausgleichen. Ich will meinen Stress und meine Unsicherheiten nicht auf sie abfärben lassen. Kinder sollen ruhig und gelassen aufwachsen. Aber sie fühlen mit. Wollen auch Freude bereiten.

Was machen Sie, wenn Sie nur Zeit für sich haben?
Die ist sehr rar, da ich auch für die 220 Angestellten da bin. Irgendwie ist das meine Aufgabe, für alle da zu sein. Ich schalte ab, wenn alle daheim am Schlafen sind. Im Halbdunkeln, ohne Kerzen, kehre ich etwas in mich, lasse den Tag Revue passieren und konzentriere mich auf den nächsten Tag. Das ist dann meine Erholung, das reicht mir. Ich habe auch gelernt, nicht mehr alles auf mich zukommen zu lassen, dass ich nicht mehr in einen mentalen Stress komme, sondern wirklich eines nach dem anderen angehe. Allein wegen meiner Blutdruckprobleme ist das wichtig und klappt ganz gut.

Was unternehmen Sie mit Ihrem Mann?
Wir gehen höchstens mal zwei Tage pro Jahr ins Spa. Aber auch dann reden wir über den Zirkus. Die Leute sagen mir stets, ich soll mal abschalten, in die Ferien gehen. Aber für uns stimmt es so, wie es ist. Da sprechen Maycol und ich die gleiche Sprache.

Sie sind nie ohne Kinder?
Wissen Sie, die Kinder haben nie für Stress gesorgt. Ich kann gut mit ihnen reden. Ich könnte so 15 Kinder haben! Und natürlich habe ich mit Alma eine sensationelle Nanny an meiner Seite. Ich sage immer: «Alma della mia vita». Sie ist Gold wert, denn ich bin eine ängstliche Mutter.

Wovor haben Sie Angst?
Ich glaube wirklich, dass Gesundheit alles im Leben ist. Meine Kinder sind meine besten Freunde, ich bin ihnen sehr nah, aber auch sehr ängstlich in Bezug auf alles, was ausserhalb des Zirkus oder des Zelts passiert. Die Kinder fahren Velo, Ivan jetzt auch Auto. Ich will diese Angst nicht zeigen, sie unterdrücken und einen Mittelweg finden. Aber ich bin schon eine besorgte Mutter.

Kennen Sie auch Existenzangst?
Klar, die existiert immer im Hinterkopf. Mein Mann, Doris Knie und ich müssen als nicht-subventioniertes Familienunternehmen jeden Franken umdrehen, aber dürfen dabei die Qualität der Show nicht vernachlässigen. Da gibt es unglaubliche Preise. Das ist aber unser Problem, blöde gesagt, und wir dürfen nicht jammern. Wir haben ein treues Publikum in der Schweiz. Dafür bin ich unglaublich dankbar. Ich hoffe einfach, dass wir so weitermachen können. Lassen Sie mich Holz anfassen!

Wie ist es, wenn man so saisonal und in einem Jahresrhythmus lebt?
Für mich ist dies das Leben, seit ich denken kann. Kurz vor Saisonbeginn, wenn das Chapiteau wieder steht, verspüre ich Herzklopfen. Früher hatten wir längere Winterpausen, da habe ich immer gelitten. Es war so schlimm, auf Entzug zu sein. Deshalb bin ich heute glücklicher.

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In den Pausen könnten Sie in die Ferien.
Nein, das brauche ich nicht. Unser Leben ist abwechslungsreich genug. Mein grosses Glück ist, dass mein Mann und ich in dieser Hinsicht gleich empfinden. Und Maycol erfüllt all meine Wünsche. Träume kann man viele haben, aber man braucht auch jemanden, der sie umsetzen kann. Maycol ist als technischer Leiter weltweit die Nummer 1! Es gibt keinen reisenden Betrieb, der diese aufwendige Technik hat wie wir.

Mit dem Zirkus sind Sie ständig unterwegs. Was gibt Ihnen Stabilität?
Meine Familie. Ich könnte überspitzt gesagt auch unter einer Brücke wohnen. Solange meine Familie dabei ist, bin ich glücklich. Mein Mann, meine drei Kinder, meine Eltern und auch Doris sind mein Leben, meine Felsen in der Brandung.

Auf welchen Werten basiert Ihre Familie?
Auf der Liebe zueinander, ganz einfach. Wenn diese vorhanden ist, ist man gegenseitig aufmerksamer und trägt einander Sorge. Wir reden viel und offen, haben auch Meinungsverschiedenheiten, das ist logisch. Aber wir haben alle das Gleiche vor Augen, reden die gleiche Sprache.

Wenn man den Namen Knie sagt, wissen alle, um welche Familie es geht. Fluch oder Segen?
Oh nein, ein Fluch ist das nicht, denn wir sind hier fürs Publikum. Sonst müssten wir einen anderen Beruf ausüben. Ich habe das grosse Glück, dass ich Beruf und Hobby in einem habe.

Kehren Sie auch bald als Artistin zurück?
Irgendwann sicher. Aber wir sind bestens besetzt mit unserer achten Generation. Aber ich sage nicht Nie. Mein Moment wird wieder kommen.

Reiten Sie noch aus?
Ja, mit Chanel. Sie ist unglaublich, ist eine Pferde-Fanatikerin. Das ist nicht nur Liebe. Wenn ich sie suche, ist sie im Stall. Sie geht mit den Pferden baden, ausreiten, schläft fast in den Boxen und küsst sie. Auch für mich bleiben meine Pferde meine Familie.

Persönlich

1973 kommt die Tochter von Fredy Knie jun. und Mary-José Knie zur Welt. Im Alter von drei Jahren steht Géraldine erstmals mit ihrem Grossvater in der Manege. Ihre grösste Leidenschaft sind die Pferde. Seit 2009 ist sie in zweiter Ehe mit Artist Maycol Errani verheiratet. Gemeinsam mit ihm als technischer Direktor und Doris Knie als administrative Direktorin hat sie 2019 in siebter Generation den Schweizer National-Circus übernommen. Knie ist Mutter von drei Kindern, den Söhnen Ivan und Maycol junior sowie von Tochter Chanel.

1973 kommt die Tochter von Fredy Knie jun. und Mary-José Knie zur Welt. Im Alter von drei Jahren steht Géraldine erstmals mit ihrem Grossvater in der Manege. Ihre grösste Leidenschaft sind die Pferde. Seit 2009 ist sie in zweiter Ehe mit Artist Maycol Errani verheiratet. Gemeinsam mit ihm als technischer Direktor und Doris Knie als administrative Direktorin hat sie 2019 in siebter Generation den Schweizer National-Circus übernommen. Knie ist Mutter von drei Kindern, den Söhnen Ivan und Maycol junior sowie von Tochter Chanel.

Wovon träumen Sie persönlich?
Ich habe alles, es fehlt mir an nichts. Und das weiss ich zu schätzen.

Wie drücken Sie diese Dankbarkeit aus?
Ich sage meinen Kindern in unserer Familiensprache Italienisch oft Danke, dass sie existieren. Mein Mann hört es ebenfalls oft: «Grazie di esistere».


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