SonntagsBlick Magazin: Herr Burger, Sie sind eine dankbare Quelle für Anekdoten aus dem Schweizer Nachtleben. Eine handelt von einem Baby-Elefanten im Mascotte.
Freddy Burger: Das war in den 1970er-Jahren, als ich mit Udo Jürgens und Pepe Lienhard das Mascotte führte. Franco Knie gastierte mit dem Zirkus in Zürich und brachte an einem Abend einen jungen Elefanten mit und zeigte ihn auf der Bühne dem Publikum. Der Club ist im ersten Stock – die beiden nahmen den Warenlift.
Im Mascotte, das als erster Club der Schweiz gilt, tanzten erstmals sogenannte Go-go-Girls.
Sie bewegten sich in einer Art Käfig zur Musik. Die allerersten Go-go-Girls, die ich von England nach Zürich holte, hiessen Pam und Joyce – das weiss ich noch genau. Sie trugen Ganzkörperanzüge, die komplett mit Pailletten bestickt waren. Paillettenkleider waren damals etwas ganz Neues.
Tiere im Club, Frauen in Käfigen – klingt nach einem Unterhaltungsprogramm, das heute nicht mehr bei allen gut ankäme.
Klar, das waren ganz andere Zeiten. Im Mascotte gaben wir damals rund 600'000 Franken pro Jahr nur fürs Entertainment aus. Das war sehr viel Geld für diese Zeit und für eine Stadt, in der um Mitternacht wegen der Polizeistunde alles dichtmachen musste. Auch am Wochenende.
Ihre Karriere begann schon früher. Vor fünfzig Jahren gründeten Sie Ihre erste Firma, Rent-a-Show. Wie sah das Showbiz in der Schweiz der 1960er-Jahre aus?
Jazz-Musik war angesagt, es gab sehr viele Big Bands, die live spielten. Sogar das Tessiner Radio hatte eine fest angestellt. Hazy Osterwald, dessen Manager ich später werden sollte, brachte die sogenannten Floor Shows aus den USA nach Europa. Zwischen der Darbietung der Songs führte er kleine Sketche auf.
Wie darf man sich das vorstellen?
Bevor Osterwald zum Beispiel seinen Hit «Der Fahrstuhl nach oben ist besetzt» anstimmte, fuhr eine Kulisse in Form einer Lifttüre auf die Bühne, vor der er dann einen witzigen Showblock aufführte. In den späteren Sixties kamen die Rolling Stones und die Beatles, die etwas absolut Neues, Frisches in die Musik brachten.
Welches Erlebnis hat Sie beruflich am meisten geprägt?
Das ist nach wie vor mein erstes Konzert, für das ich als 19-Jähriger den Sänger Cliff Richard ins Hallenstadion nach Zürich holte. Statt der erwarteten 6000 Zuhörer kamen nur 4000. Ich sass danach auf 20'000 Franken Schulden. Bis heute habe ich Angst, dass mir so etwas wieder passieren könnte.
Jetzt stapeln Sie aber tief – wenn Sie keine sichere Hand fürs Geschäft hätten, würden Sie heute kein Jubiläum feiern.
Das stimmt, doch in der Unterhaltungsbranche bleibt immer eine unberechenbare Komponente. Manchmal kommen einfach keine Zuschauer an eine Show, von der sich der Veranstalter Grosses erhofft hat. Auch ich muss noch heute ab und zu Flops wegstecken. Trotzdem sage ich immer, dass ich den schönsten Beruf der Welt habe. Weil es dabei darum geht, Menschen glücklich zu machen.
Sie selbst waren in Ihrem Leben nicht immer glücklich, hatten mit dreissig Jahren einen psychischen Zusammenbruch, als Sie sich von Ihrer ersten Frau trennten. Sie sprechen auch offen darüber, wie Sie mit sechzig zum zweiten Mal in ein tiefes Loch fielen. Was war ausschlaggebend?
Dass ich mich kräftemässig total verausgabte und meine Grenzen nicht erkannte. Metaphorisch formuliert lief und lief ich auf einen felsigen Abgrund zu und hörte eine Stimme sagen: «Achtung, Freddy, da gahts s Loch abe!» Ich ignorierte sie und fiel gerade noch so günstig, dass ich mich irgendwo weit unten an einem Ast festhalten und wieder hinaufkraxeln konnte.
Was heisst das konkret?
Als es mir zum zweiten Mal so schlecht ging, hatte ich gerade die Feier zum 100-Jahr-Jubiläum der Fifa auf die Beine gestellt, die grösste Organisation der Welt, inklusive einer Fernsehproduktion, die den Anlass in alle Länder der Welt übertrug. 1400 Gäste sassen auf dem Zürcher Sechseläutenplatz unter einem Zelt ohne Masten – damals das einzige auf der Welt. Während des Essens öffneten sich Vorhänge, und eine Zirkusshow begann. Über allem leuchtete eine 360-Grad-Projektion – auch das eine Weltpremiere. Es durfte absolut nichts schieflaufen.
Warum nicht?
Wenn die einflussreichsten Menschen der Welt unzufrieden sind mit dir, blamierst du dich bis ans Lebensende. Wir waren mit dem Restaurant Sonnenberg, das ich betreibe, auch noch dafür verantwortlich, dass innerhalb von fünf Minuten alle Gäste einen Gang serviert bekamen. Es lief zum Glück alles gut. Doch als alles vorbei und die ganze Anspannung weg war, war ich nervlich völlig am Ende.
«Bitte nicht weinen, Freddy, wenn du das liest», schrieb Udo Jürgens, den Sie 35 Jahre lang gemanagt haben, wenn er Ihnen neue Liedtexte zur Begutachtung schickte. Sie scheinen ein emotionaler Mensch zu sein.
Ich bin nah am Wasser gebaut, daraus mache ich kein Geheimnis. Selbst wenn ich beim Fernsehschauen in Siegerehrungen eines Schweizer Sportlers hineinzappe, laufen mir schnell einmal die Tränen herunter. So etwas berührt mich einfach.
Am 21. Dezember jährt sich der Todestag von Udo Jürgens zum fünften Mal. Mit welchen Gefühlen sehen Sie dem Datum entgegen?
Lange Zeit musste ich das Radio ausschalten, wenn einer seiner Songs lief. Gleichzeitig war ich als Co-Produzent am Kinofilm zum Musical «Ich war noch niemals in New York» beteiligt, das sich aus seinen besten Songs zusammensetzt. Das war nicht immer einfach. Zwischenzeitlich kann ich besser mit dem Tod meines guten Freundes umgehen. Ich tröste mich, indem ich mir sage, dass Udo zu einem Zeitpunkt von dieser Welt ging, als er beruflich alles erreicht hatte.
Wie meinen Sie das?
Als ich sein Manager wurde, war er vierzig – im Showbiz bist du damit bereits ein alter Mann. Ich habe ihm aber damals gesagt, dass er mit 75 noch die grossen Hallen füllen wird, wenn er mit mir zusammenarbeitet. Seine letzte Tour, die er mit 80 Jahren beging, war mit Abstand seine erfolgreichste.
Was ist eigentlich aus Jürgens’ durchsichtigem Acryl-Flügel geworden?
Einer ist vor vielen Jahren versteigert worden und steht einer Stiftung für Behinderte in Berlin zur Verfügung. Einer steht im Museum des Klavierbauers Schimmel, der die Glasflügel auch gebaut hat. Der ist aber unglücklicherweise kaputt gegangen.
Wie denn?
Es handelt sich um das Piano, auf dem Udo auf dem Jungfraujoch-Gletscher spielte, als wir ein neues Album von ihm bewarben. Beim Transport mit dem Helikopter hob der Wind den Deckel, wobei sich ein Riss im Glas bildete.
Die PR-Aktion sorgte 1983 für grosses Aufsehen. Einen solchen Aufwand würde man für eine Albumveröffentlichung heute nicht mehr betreiben, oder?
In Zeiten, in denen immer weniger physische Tonträger verkauft werden, ist das unrealistisch. Udo hatte unter dem weissen Smoking, den er bei seinem Auftritt auf dem Gletscher trug, übrigens einen Taucheranzug an. Sonst wäre er erfroren.
Sie standen sich sehr nahe. In welchen Situationen zeigte sich das am besten?
Wenn wir uns verabredeten, trugen wir oftmals genau dieselben Farben. Es wirkte, als hätten wir uns abgesprochen, was wir aber nie taten. Bei Pepe Lienhard, den ich auch schon lange manage, ist es dasselbe. Es muss etwas mit unserer engen Beziehung zu tun haben. An Zufall glaube ich nicht.
Was ist Ihr Erfolgsrezept?
Ich setze nie auf eine Nische, sondern versuche immer, den Geschmack der Masse zu treffen. Aber alles, was unter dem Label Freddy Burger Management läuft, gefällt mir selbst. Ich kann mich mit allem identifizieren.
Sie sind heute auch der grösste Musical-Veranstalter in der Schweiz und betreiben je ein Theater in Basel und Zürich. Wann begann Sie dieses Genre zu interessieren?
In den 1980er-Jahren gab es ein Musical, von dem alle sprachen: «Cats». Ich sah mir die erste deutsche Version in Wien an und wollte die Show nach Zürich holen. Doch der Theaterproduzent Eynar Grabowsky machte das Rennen. Ich wurde erst erfolgreich mit diesem Genre, als ich das Musical Theater Basel übernahm. In Zürich musste ich fast zehn Jahre kämpfen, um das Theater 11 zu realisieren.
Welches ist Ihr Lieblingsmusical?
Wahrscheinlich «Lion King» – es ist sehr spektakulär. Ich war mit Udo an der Weltpremiere in New York. Wie am Anfang die Menschen in Tierkostümen durchs Publikum gehen – das hat uns beide überwältigt.
Sie haben «Lion King» in die Schweiz geholt – wie oft haben Sie die Show bis heute gesehen?
Ich schätze zehn, zwölf Mal. Aus geschäftlicher Sicht sind Musicals entweder Cash-Cows oder Geldvernichtungsmaschinen. Für «Lion King» mussten wir 15 Millionen Franken Anzahlung leisten. Es war wahnsinnig schwierig, von Disney die Rechte zu erhalten. Wir haben fünf Jahre dafür gekämpft, wurden von Anwälten durchleuchtet und unterschrieben schlussendlich einen 50-seitigen Vertrag. Es hat sich gelohnt. Wir haben 300'000 Tickets verkauft.
Das Genre hat hierzulande nicht bei allen einen guten Ruf. Sind die Schweizer zu ernst für Musicals?
Schweizer haben tendenziell länger, bis sie auftauen. Das ist aber nicht nur bei Musicals so. Sie wissen aber Qualität zu schätzen und sind im Gegensatz zu den Deutschen sehr offen für Aufführungen in englischer Originalsprache.
Dass ein Mann vor Kollegen für Musicals schwärmt, kommt bei uns fast nie vor. Sind Frauen die dankbarere Zielgruppe?
Es klingt zwar klischiert, aber es kommt noch immer häufig vor, dass die Frau zum Mann sagt: «Du gehst immer nur an Fussball- und Eishockey-Matches, jetzt komm einmal mit mir wohin, und wir machen uns einen schönen Abend.» Udo hat ja am Schluss seiner Konzerte immer noch die Mitgeschleppten begrüsst. Die Mitgeschleppten sind sehr wichtig fürs Showgeschäft.
Freddy Burger kam in Zürich-Schwamendingen zur Welt und wuchs in einfachen Verhältnissen auf. Nach einer Lehre zum Hochbauzeichner begann er Konzerte zu veranstalten und legte 1969 den Grundstein für das Freddy Burger Management. Es umfasst heute zwanzig Firmen aus dem Show-, Gastro- und Eventbereich, für die rund 150 Festangestellte arbeiten. Burger war unter anderem Manager von Udo Jürgens (1934–2014), organisierte jahrzehntelang die Touren von Nana Mouskouri (85), ist Mitbesitzer der TV-Produktionsfirma B&B Endemol Shine und Inhaber der Thunerseespiele. Er wohnt mit seiner dritten Ehefrau in Küsnacht ZH und hat drei erwachsene Söhne. Der zweitjüngste, Oliver Burger (32), wird langfristig die Geschäfte seines Vaters übernehmen.
Freddy Burger kam in Zürich-Schwamendingen zur Welt und wuchs in einfachen Verhältnissen auf. Nach einer Lehre zum Hochbauzeichner begann er Konzerte zu veranstalten und legte 1969 den Grundstein für das Freddy Burger Management. Es umfasst heute zwanzig Firmen aus dem Show-, Gastro- und Eventbereich, für die rund 150 Festangestellte arbeiten. Burger war unter anderem Manager von Udo Jürgens (1934–2014), organisierte jahrzehntelang die Touren von Nana Mouskouri (85), ist Mitbesitzer der TV-Produktionsfirma B&B Endemol Shine und Inhaber der Thunerseespiele. Er wohnt mit seiner dritten Ehefrau in Küsnacht ZH und hat drei erwachsene Söhne. Der zweitjüngste, Oliver Burger (32), wird langfristig die Geschäfte seines Vaters übernehmen.
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