Federica de Cesco (84), Grande Dame der Jugendliteratur
«Dumme Männer gehen mir auf den Wecker»

Vor 65 Jahren schrieb die in Luzern lebende Schriftstellerin Federica de Cesco den Weltbestseller «Der rote Seidenschal», den es seit dieser Woche mit intensivierten Liebesszenen in einer Neuauflage gibt.
Publiziert: 17.11.2022 um 15:36 Uhr
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Bestseller-Autorin Federica de Cesco im Wohnzimmer ihrer Wohnung in Luzern.
Foto: Nathalie Taiana
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Flavia SchlittlerRoyal- und People-Expertin

84 Jahre und kein bisschen leise. Federica de Cesco, die Grande Dame der Jugendliteratur, empfängt Blick in ihrer Wohnung in Luzern, in der sie mit Gatte Fotograf Kazuyuki Kitamura (75) lebt. Viele Wände im Eingangsbereich und im Wohnzimmer sind dunkelblau gestrichen, die anderen weiss gehalten. «So kommen die Bilder noch besser zur Geltung», erklärt sie.

Die Weltbürgerin, wie sie sich bezeichnet, empfängt uns herzlich. Wenig später serviert ihr Ehemann dem Besuch Kaffee, Tee für sie und Kekse. «Ich bin zu ungeschickt mit dem Geschirr, schmeisse alles um, also übernimmt dies Kazu. Dafür bin ich beim Organisieren besser als er, was er dann mir überlässt. Wir sind auf Augenhöhe», sagt sie, die von klein auf stereotype Rollenbilder kippte, was von ihrem Vater, dem Ingenieur und Sprössling einer vornehmen italienischen Familie von Grossgrundbesitzern, unterstützt wurde.

«Er erklärte mir den Sternenhimmel, lehrte mich das Schachspiel und nahm mich mit zu Fussballspielen und zum Billard. Ich war dabei, wenn ein Schwein geschlachtet wurde, was ich schrecklich fand, und am liebsten kletterte ich auf Bäume.» Sehr zum Missfallen ihrer deutschen Mutter aus konventionellem Elternhaus, «die mich stets an meine gute Kinderstube erinnerte», sagt de Cesco lachend.

Als Jugendliche zeichnete sie nackte Männer

Bis zu ihrem 15. Lebensjahr lebte sie in fünf verschiedenen Ländern: Äthiopien, Italien, Frankreich, Deutschland und Belgien. Anfangs sei es nicht einfach gewesen, neue Freundschaften zu schliessen. Doch sie hatte ihre eigene Methode. «Ich rief die Mädchen zu mir und zeichnete vor ihnen nackte Männer mit allen anatomischen Details, das kam an. Schockiert waren höchstens die Eltern, wenn sie davon erfuhren», erzählt sie mit einem schelmischen Blick und nippt an ihrer Teetasse.

Mit 15 Jahren schrieb sie ihren ersten Erfolgsroman, «Der rote Seidenschal», der diese Woche, zum 65-Jahr-Jubiläum des Buches, in einer Neuauflage erscheint. «Die Liebesszenen habe ich intensiviert, beim Wort ‹Indianer› bin ich geblieben», so de Cesco, der es wichtig ist, dass Inhalt über der Form steht. «Lasst uns darüber sprechen, was wir tun können, um Menschenhandel, Tiergemetzel und das Auslöschen von Kulturen zu verhindern, aber nicht über eine Wortwahl streiten.»

Deshalb trägt sie immer diese Halskette
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Federica de Cesco:Deshalb trägt sie immer diese Halskette

Wir hatten eine Sprache, nicht ein Wort

Dass es fünf Jahre nach #MeToo die Bewegung nach wie vor brauche, findet sie skandalös, Gleichberechtigung und Gleichstellung entwickeln sich für sie zu langsam. «Dumme Männer gehen mir auf den Wecker. Zu viele benehmen sich vermeintlich männlich, aber nicht menschlich, weil sie die Rollenbilder aufrechterhalten wollen. Das macht mich richtig sauer», wettert die Liebhaberin der Worte.

Worte – aus einigen macht sie sich schlicht nichts. So ist ihre Antwort auf die Frage, was für sie «smash», das Jugendwort des Jahres, bedeutet: «Ein Begriff aus der Tenniswelt.» Sie habe als Jugendliche kein Wort gehabt, sondern eine Sprache. «Wir setzten uns von der älteren Generation ab, indem wir, damals lebte ich in Belgien, in der Ganovensprache kommunizierten, zum Schrecken unserer Eltern, was wir grossartig fanden», sagt Federica de Cesco und lacht laut.

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