Ohrenbetäubendes Gekreische, Jubelschreie und Sprechchöre gestern um 20.08 Uhr am Flughafen Zürich-Kloten – solch einen Fan-Empfang hat es für einen Schweizer ESC-Vertreter schon lange nicht mehr gegeben. Kein Wunder, Luca Hänni (24) sorgte tags zuvor mit dem sensationellen vierten Rang für das beste Ergebnis seit 26 Jahren. «Ich bin mega-, megahappy, voller Glücksgefühle!», strahlt Hänni.
Im grössten Musikwettbewerb der Welt bot der Berner mit seinem Song «She Got Me» einen grandiosen Auftritt vor rund 200 Millionen TV-Zuschauern. Nur neun Punkte fehlten ihm zum Siegertreppchen, wo der Holländer Duncan Laurence (25) mit der Ballade «Arcade» zuoberst grüsste. «Ich bin überglücklich und hätte es mir nicht besser vorstellen können», schwärmte Hänni nach der Show.
Von langer Hand geplant
Eines der wichtigsten Geheimnisse seines Erfolgs: Er war von langer Hand geplant. Schon bei der Auswahl des diesjährigen Beitrags überliess das SRF nichts dem Zufall. Das deutsche Statistikunternehmen Digame war beauftragt, eine 20-köpfige Fachjury und ein 100-köpfiges Zuschauerpanel zusammenzustellen, das den Geschmack der ESC-Zuschauer und -Jurys ideal repräsentiert. Diese beiden Instanzen bewerteten die eingereichten Lieder und die möglichen Interpreten – das Resultat war der Beitrag von Luca Hänni. Dasselbe System wurde letztes Jahr beim deutschen Starter angewendet – auch Michael Schulte (29) landete auf Platz 4.
Rund zwei Wochen weilte Hänni in Tel Aviv, verlor bei den vielen Proben und Interviewterminen nie die Geduld und wirkte stets sympathisch. Vor seinem Auftritt war von Anspannung nicht viel zu spüren, die Lust auf die grosse Bühne überwog. «Ich kann es kaum erwarten. Jetzt heisst es Freude und Spass haben», sagte er vor dem Finale. Emotionen, die er den europäischen TV-Zuschauern weitervermittelte.
Vorjahressiegerin Netta sah Hännis Erfolg voraus
ESC-Kommentator Sven Epiney (47) erstaunte Hännis gutes Abschneiden nicht: «Das Gesamtpaket mit dem Song, dem Interpreten und der Inszenierung hat gepasst», sagt er. «Das brachte uns während des Finals in den Wettquoten sogar auf Platz zwei.»
Auch Musikerkollege Bastian Baker (28), der für das Westschweizer Fernsehen RTS kommentierte, war überzeugt: «Luca ist der perfekte Kandidat für diesen Wettbewerb.» Dies führte er vor allem auf die gute Mischung aller tragenden Komponenten zurück.
Und die israelische Vorjahresgewinnerin Netta Barzilai (26) schwärmte: «Luca ist total heiss und wird es weit bringen. Er braucht keine Tipps von mir, er soll nur Spass haben auf der Bühne, das überträgt sich auf die Zuschauer.»
Auch Mister ESC, Peter Reber, setzte auf Hänni
Schon im Vorfeld an ein Spitzenresultat geglaubt hat der Berner Hitsänger und -Komponist Peter Reber (70), der die Schweiz mit Peter, Sue & Marc sagenhafte vier Mal am ESC vertrat. «Luca bereitet sich jeweils akribisch vor und ist hochprofessionell, trotzdem wirkt er wohltuend frisch und spontan. Dazu kommt sein charmantes, einnehmendes Naturell.» Nie habe man das Gefühl, er würde sich anbiedern oder eine Rolle spielen, die ihm nicht behage. «Er ist ein ehrlicher, glaubwürdiger und aufrichtiger Künstler», sagt Reber.
Freundin Michèle im Gefühlshoch
Doch auch die Gefühlsebene war entscheidend. Hännis Freundin Michèle (26) war extra für fünf Tage nach Israel gereist und beim Finale in der Halle: «Ich war total nervös und habe immer beobachtet, wann die Leute klatschen und wie sie mitgehen.» Das Ergebnis freut sie: «Ich bin total stolz auf Luca. Das Publikum liebt ihn!» Was sie wohl am besten versteht.