Chris von Rohr feiert 70. Geburtstag
«Das Beste im Leben gibt es oft gratis»

Er gehört zu den bekanntesten Musikern des Landes: Nun feiert Chris von Rohr seinen 70. Geburtstag – natürlich mit «meh Dräck», wie er Blick erzählt.
Publiziert: 24.10.2021 um 19:11 Uhr
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Aktualisiert: 24.10.2021 um 21:25 Uhr
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«Nackenschläge und Krisen gab es einige, aber die machen dich nur stärker», sagt Chris von Rohr.
Foto: zvg
Aufgezeichnet: Dominik Hug

Er hat Krokus gegründet, etliche Bestseller geschrieben, aber auch Hit-Alben von Gotthard und Patent Ochsner produziert. Heute Sonntag ist Chris von Rohr 70 Jahre alt geworden. Im Blick erzählt der Solothurner Rock-Philosoph die elf wichtigsten Erkenntnisse, die er aus 70 Jahren Leben gewonnen hat.

Nichts ist unmöglich

«Der Anfang war eher grau, die Voraussetzungen, am Jurasüdfuss durchzustarten, nicht unbedingt optimal. Trotzdem konnten wir uns im Laufe der Jahrzehnte durchsetzen. Warum? Weil wir alles auf eine Karte setzten und den Traum nicht nur träumten, sondern auch lebten. Ich verliess mich auf meinen Instinkt. Nackenschläge und Krisen gab es einige, die waren nicht schön, aber machen dich nur stärker und kreativer. Streitereien, Tod, mieses Management, Scheidungen und Discomusik konnten uns nicht niederstrecken. Krokus und ich sind der lebendige Beweis, dass vieles möglich ist, wenn man eine Vision, ein gemeinsames Ziel hat, dranbleibt und aus Fehlern lernt. Musik war, ist und bleibt meine Medizin und Triebfeder.»

Freude am Leben

«Das Beste im Leben gibt es oft gratis. Die Natur, der Zauber der kleinen Dinge, die Liebe, Freundschaften, Glück sind nicht käuflich. Das muss man im Herzen kultivieren. Natürlich ist das Leben immer wieder eine Herausforderung, gerade in diesen hektischen Zeiten. Aber ich hielt mich stets gerne an Hermann Hesse, der sagte: «Gegen die Infamitäten des Lebens sind die besten Waffen: Tapferkeit, Eigensinn und Geduld. Die Tapferkeit stärkt, der Eigensinn macht Spass, und die Geduld gibt Ruhe.» Ich habe zum Glück diese verspielte Freude und Neugier, allem wie ein Kind zu begegnen, nicht verloren. Das hilft, damit man kein ‹grumpy old man› wird.»

Kinder

«Meine Erfahrungen als Vater haben mich zu einem besseren Menschen gemacht. Die Kinder sind die Zukunft unserer Gesellschaft und sie wissen einiges mehr vom Leben als wir Erwachsenen. Sie zeigen uns, was es heisst, voll im Moment zu leben, zu staunen, zu lachen, zu spielen, wild und unerschrocken zu sein. Wir sind gut beraten, unsere Kinder in Ruhe zu lassen und von ihnen zu lernen, anstatt sie ständig zu drängen, einzugrenzen, zu belehren oder abzuschieben. Herbert Grönemeyer hat recht: Die Welt gehört in Kinderhände.»

Gesundheit

«Ohne Gesundheit ist alles nichts. Ich feiere jeden Tag, an dem mein Körper schmerzfrei funktioniert. Ich lernte im Laufe der Zeit, dass jede Krankheit auch eine psychische Komponente hat. Symptome sind das eine, Ursachen sind das, was wir checken müssen. Gestalte das Leben nicht zu kompliziert, halte es einfach und bürde dir nie zu viel auf. Wer mit zu vielen Bällen jongliert, verzettelt oder verliert sich. Weniger ist mehr. Im Alter empfiehlt es sich, nur halb so viel zu essen, dafür sich doppelt so viel zu bewegen. Die gesunde Balance ist alles.»

Freiheit

«Unser höchstes Gut sind die Freiheit und die direkte Demokratie. Doch schätzen wir verwöhnten Schweizer dies hoch genug ein, um sie uns auch zu erhalten? Wer über Generationen nie fremdbestimmt war und nie um seine Freiheit kämpfen musste, hat wenig Ahnung, welches Geschenk diese Unabhängigkeit ist. Und echte, innere Freiheit gibt es nicht gratis. Daran müssen wir arbeiten. Wer sich selbst und anderen gegenüber zu hart, zu rechthaberisch und moralisierend auftritt, blockiert seine eigene Freiheit und sein Glück. Selbstverantwortung abzugeben oder auf andere zu übertragen, ist gefährlich. Die schlimmsten Dinge auf dieser Welt geschahen nicht aus Ungehorsam, sondern wegen blinder Gehorsamkeit und Mitläufertum.»

Liebe

«Ich hatte das Glück, mit liebevollen Eltern aufzuwachsen. Sie lehrten mich, vieles zu lieben: die Mitmenschen, die Natur, die Tiere, die Musik, den Fussball, die Farben, die Kunst, gutes Essen. Später kam die Liebe der Frauen. Es war und ist bis heute ein grosser Segen. Wer seinen Schutzpanzer ablegen kann und sich hingibt, wird belohnt. Natürlich ist es wichtig, genau zu spüren, was einem guttut und was nicht, sonst hält der Love-Blues Einzug. 99 Prozent aller Songs handeln von der Liebe. Ein ewiger Lehr- und Freudenplatz. Ich schätze mich glücklich, mein Leben mit einer grossartigen Partnerin auf Augen-, Seelen-, Körper- und Herzebene teilen zu dürfen. Es ist ein Geschenk. Ja: All you need is love. Liebe ist die Antwort.»

Humor

«Das Wort Humor kommt aus dem lateinischen ‹humor›, was Feuchtigkeit bedeutet. Eine seelische Gemütslage der inneren Säfte also. Friedrich Dürrenmatt sagte einst, dass Humor der letzte Versuch der Objektivität sei, den man der Welt gegenüber habe. Ein Leben ohne Humor ist wie Musik ohne Töne. Humor wird oft unterschätzt und zu wenig praktiziert. Dabei kann er so vieles bewirken. Frohsinn ist ein sehr wichtiges Element der menschlichen Kommunikation und beschwichtigt das immer treibende Ego. Lachen ist nicht nur gesund, sondern befreit auch von der alltäglichen Unzulänglichkeit der Menschen und ihren Taten. Es hilft uns in dieser Granit-Welt, dem Ernst des Lebens locker und mit heiterer Gelassenheit zu begegnen und sich selbst auch nicht zu ernst zu nehmen.»

Meh Dräck

«Leben ist phasenweise das Gegenteil von durchgebürsteter Hygiene und Antiseptik. Leben ist meh Dräck: mehr Echtheit, Abenteuer, Natur, Musik, Liebe, Sex und vieles mehr, was uns Freude macht. Wir brauchen auch meh Dräck gegen jene, die uns vorschreiben wollen, wie wir zu leben haben. Ihr Plan ist nicht unser Plan. Das begann bei mir schon in der Schule, als man mir lauter unnützes Zeugs eintrichtern wollte. Meh Dräck bedeutete für mich schon immer, auch zu hinterfragen. Vertraue deinem eigenen Weg, laufe nicht mit der Masse.»

Frieden

«Streitereien, Auseinandersetzungen und Abwendung – wer kennt es nicht? Wir sehen und erleben es immer wieder, gerade in diesen uneinigen verwirrenden Zeiten. Man predigt Toleranz und Solidarität, lebt sie aber nicht. Das führt zur Spaltung und weg vom Frieden. Andere Sichtweisen sind nicht mehr erwünscht. Hass, Kampf und stures Unverständnis sind jedoch Gift und ungesund für alle Beteiligten. Verzeihen, auch sich selbst, ist der Weg. Irgendwann erkennen wir, dass jeder Mensch Opfer seiner Geschichte, seiner Vergangenheit ist und Liebe und Befreiung sucht. Das hilft, aufeinander zuzugehen. Der ganze Diskurs des Weltfriedens ist nur wirkungsloses Geplänkel, wenn keine Transformation im privaten Bereich stattfindet. Friede beginnt bei uns selbst und wichtig: Wer eine andere Meinung hat, ist längst kein Feind.»

Zukunft

«Auch wenn ich oft ins Zweifeln komme, will ich als Optimist nicht glauben, dass die Menschheit am Geschenk unseres Wohlstands, an der Gier der Reichen, an der Achtlosigkeit gegenüber Mutter Natur, an der Trägheit der Satten, an der Dummheit der Ausgebildeten und dem fehlenden Mitgefühl der Verhärteten zugrunde geht. Nein, ich bin kein Weltuntergangs-Bejubler, aber wir befinden uns klar in einem kritischen Stadium, wo gewisse Werte und Gepflogenheiten hinterfragt und geändert werden müssen. Wir können die Welt zwar nicht verändern – aber uns selbst und unser Leben verbessern.»

Vergänglichkeit

«Auch wenn es einem nicht schmeckt, aber ab einem gewissen Alter muss man sich mit dem Tod befassen. Das gehört zum Leben. Nach dem Tod kommt Erlösung, da bin ich mir sicher. Aber ich glaube auch heute an ein Leben vor dem Tod. Wie ein Flügelschlag gingen diese sieben Jahrzehnte vorbei. Ich bin dankbar, dass vieles gelang, dass ich wunderbare Menschen treffen konnte und keine Rechnungen offen habe. Durch meine Lebenssanduhr läuft gerade Platin, und ich reite freudig in den Sonnenuntergang. Danke, Leben – danke, Schicksal – danke, Freunde – und auch danke, Weggefährten, die schon vorausgingen.»

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