Sie kann es noch immer nicht fassen: Beatrice Egli (33) hat am Donnerstag mit ihrer Bergführerin Suzanne Hüsser (54) das Matterhorn bestiegen. «Bis ich das Ganze realisiere, braucht es noch einige Zeit. Ich bin überglücklich, aber auch erleichtert», sagt die Schwyzerin zu SonntagsBlick. Ganz ohne Zwischenfall ist das Abenteuer nicht verlaufen. Egli hatte mit rutschigem Schnee zu kämpfen.
«Ich bin zweimal ausgerutscht», sagt sie. Der Abstieg vom Gipfel sei das Herausforderndste gewesen. Aufgrund des schlechten Wetters in diesem Jahr gabs auf dem Berg noch viel Schnee und Eis. «Meine Bergführerin hat mir grosse Sicherheit gegeben und mich in den Schreckmomenten gehalten. Mit ihr fühlte ich mich immer sicher, die Angst habe ich ausgeblendet.»
Um 4.30 Uhr gings direkt steil los
Um 4.30 Uhr ging es für das Team Egli von der Hörnlihütte (3260 m ü. M.) los aufs «Horu». «Es geht direkt ans steile Klettern. Dass wir zuerst eineinhalb Stunden im Dunkeln heraufgestiegen sind, war ein riesiger Vorteil. So habe ich nicht gesehen, wie weit hoch es ist», erzählt Egli.
Auf 4003 Höhenmetern, bei der Solvayhütte, hatte sie den ersten Moment zum Durchschnaufen. «Es gab vor einem schwierigen Abschnitt einen kleinen Stau. Deshalb konnten wir den Sonnenaufgang über dem Nebelmeer beobachten.» Zur Motivation habe sie auch ein paar Zeilen ihres am Freitag erscheinenden Songs «Matterhorn» gesungen: «Chumm, mir laufed zäme los, am Morge früeh, für de Sunneufgang ufem Matterhorn.»
Um 8.42 Uhr war es geschafft
Die letzten 400 Höhenmeter seien besonders intensiv gewesen. Die Höhe machte Egli zu schaffen. «Da fehlte mir immer wieder mal der ‹Schnuuf›. Aber Menschen, die mir auf dem Weg begegnet sind, haben mich immer angefeuert und motiviert.»
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Um 8.42 Uhr war es dann so weit: Egli hat den 4478 Meter hohen Berg bezwungen. Vor Freude fiel sie ihrer Bergführerin um den Hals und konnte ihre Gipfeleroberung kaum fassen. «Ich habe lange auf diesen Moment hintrainiert und bin so dankbar für diese Erfahrung.»
Der Abstieg war am anspruchsvollsten
Trotz der Freude auf dem Horu: Gipfelwein gab es für Egli, die auch sonst keinen Alkohol trinkt, keinen. Der schwierigste Teil folgte noch. «Der Abstieg war die grösste Herausforderung. Man ist schon erschöpft vom Aufstieg, die Konzentration lässt nach und man muss doch fokussiert bleiben. Jeder Tritt muss sitzen, sonst kann das fatal enden. 80 Prozent der Abstürze passieren beim Abstieg.» Der Rückweg hat auch bei ihr das grösste Andenken hinterlassen. «Den Muskelkater in den Oberschenkeln merke ich bis heute. Treppen hinuntersteigen ist eine Qual», sagt sie und lacht.
Bereits am Tag nach dem Matterhorn-Abenteuer stand Beatrice Egli im deutschen Stuttgart wieder auf der Bühne. Wie sie das schafft? «Ich bin selbst gerade erstaunt über meine Kräfte», sagt sie. Das intensive Training werde nun ein bisschen zurückgeschraubt, die Kondition wolle sie aber beibehalten.
Geht Beatrice Egli bald aufs Täschhorn?
Mit Eglis Matterhorn-Aufstieg sind 47 der 48 Viertausender im Rahmen der von Schweiz Tourismus gestarteten «100% Women Peak Challenge» von Frauen bestiegen worden. Ob Egli nun mit dem Bergsteigen abgeschlossen hat? «Vorerst schon», sagt sie. Und fügt mit einem Lachen an: «Aber wenn niemand auf den verbleibenden Gipfel der Challenge klettert, dann wird man mich wohl bald auf 4490 Metern über Meer sehen, auf dem Täschhorn.»