Barbara Miller über Dreharbeiten mit dem Dalai Lama
«Er hat uns jegliche Nervosität sofort genommen»

Die Zürcherin Barbara Miller hat mit «Wisdom of Happiness» einen Film über den Dalai Lama gedreht. Wie sie das geistige Oberhaupt der Tibeter erlebt hat und was Hollywood-Schauspieler Richard Gere über das Projekt sagt.
Publiziert: 09.12.2024 um 19:20 Uhr
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«Weisheit des Glücks», läuft jetzt im Kino. Der Dalai Lama ganz nah – etwa auf dem Laufband in den Privatgemächern seiner Residenz in Dharamsala in Indien.
Foto: Das Kollektiv GmbH
Vanessa Buff
Schweizer Illustrierte

Barbara Miller (54) ist es gewohnt, Leute zu schminken. Die Zürcher Dokumentarfilmerin arbeitet gern mit kleinen Crews und übernimmt die Maske oft gleich selber. Doch als sie im Juli 2019 das Gesicht des Dalai Lama (89) pudern soll, ist sie unsicher. Darf man das geistige Oberhaupt der Tibeter anfassen? Und wenn ja, wie?

Heute, fünf Jahre später, lacht die 54-Jährige über die Episode. Im Oktober feierte «Wisdom of Happiness» am Zurich Film Festival Premiere. Der Film, für den Miller zusammen mit Philip Delaquis (50) Regie geführt hat und der von Hollywood-Star Richard Gere (75) mitproduziert wurde, fokussiert auf die Lebensweisheit des Dalai Lama.

Darf man das geistige Oberhaupt der Tibeter anfassen? Barbara Miller am Set in Dharamsala.
Foto: Manuel Bauer

«Es war von Anfang an klar, dass wir keine klassische Biografie drehen. Im Zentrum sollte vielmehr die Frage stehen, wie die Philosophie des Dalai Lama uns im Alltag helfen kann.»

In den Privaträumen des Dalai Lama

Das Resultat ist fast so etwas wie eine Privataudienz bei Tenzin Gyatso, wie der 14. Dalai Lama in der Geschichte des tibetischen Buddhismus mit bürgerlichem Namen heisst. Dabei beugt er sich vor, spricht direkt zu seinem Publikum. Das 21. Jahrhundert sei kein einfaches, sagt er. Deshalb brauchten die Menschen Wissen, wie sie destruktiven Impulsen standhalten und stattdessen positive Gefühle fördern könnten. «Der eigentliche Zweck unseres Lebens ist Glück, Freude», so der Dalai Lama.

«Ich will die Welt ein wenig besser machen»: «Wisdom of Happiness»-Regisseurin Barbara Miller über ihr Engagement.
Foto: Geri Born

Die unmittelbare Wirkung des Films hängt auch mit dem Set zusammen, das die Crew im Kloster der indischen Stadt Dharamsala aufgebaut hat: Mithilfe von Spiegeln konnten sich Barbara Miller und der Dalai Lama während des einstündigen Interviews ansehen; trotzdem wirkt es im Film so, als schaue er in die Kamera. Der Rest des Raums musste zudem mit schwarzen Tüchern abgedunkelt werden, um die volle Aufmerksamkeit auf die Hauptperson zu lenken.

Schon vier Tage vor dem Dreh hätten sie das Set in einem anderen Raum getestet, sagt Miller. «Danach hatten wir 48 Stunden Zeit, um das Ganze in den Privatgemächern des Dalai Lama zu wiederholen.»

«Brüder und Schwestern!» Das geistige Oberhaupt der Tibeter spricht das Publikum im Film direkt an.
Foto: Das Kollektiv GmbH

Dass die Crew dorthin vorgelassen wurde, ist eine Seltenheit. Denn die Sicherheitsvorkehrungen rund um den tibetischen Geistlichen sind enorm: Seit er im Zuge der chinesischen Besetzung 1959 aus seiner Heimat flüchten musste, lebt der Dalai Lama in Dharamsala. Der indische Staat garantiert für seine Sicherheit, hinzu kommen die Vorgaben der tibetischen Exilregierung. So wurden sämtliche Teammitglieder und das Material umfassend kontrolliert.

Aufwendige Organisation

Die Logistik stellte eine spezielle Herausforderung dar. Die Spiegel für die Kamera etwa wurden an drei verschiedenen Orten bestellt, damit mindestens einer den Weg nach Dharamsala schaffen würde. Ein Teil der Crew reiste aus der Schweiz an, der Rest wurde in Indien rekrutiert, so etwa zwei «Focus Puller», deren einzige Aufgabe es war, die Bildschärfe während des Drehs zu kontrollieren. Und schliesslich musste auch noch der Weg nach Dharamsala zurückgelegt werden, eine Stadt am Fuss des Himalaja, die etwa so gross ist wie Schaffhausen und so hoch gelegen wie der Engadiner Schneesportort Scuol.

In der Schweiz wurden historische Aufnahmen des jungen Dalai Lama für den Film aufwendig digitalisiert.
Foto: Das Kollektiv GmbH

Drei Monate hätten sie für die Vorbereitung gebraucht, sagt Barbara Miller. Als dann alles bereit war, hiess es zunächst, der Dalai Lama habe einen schlechten Tag, es sei unsicher, ob er das Interview machen könne. Doch er kam, und zwar «strahlend», wie Miller sagt. «Er hat unseren Tonmeister freundschaftlich in die Wangen gekniffen und uns jegliche Nervosität sofort genommen.» Auch das Schminken habe problemlos geklappt. Der Dalai Lama habe sogar noch gescherzt, ob sie denn keinen Lippenstift für ihn habe, erzählt Miller.

Artikel aus der «Schweizer Illustrierten»

Dieser Artikel wurde erstmals in der der «Schweizer Illustrierten» publiziert. Weitere spannende Artikel findest du auf www.schweizer-illustrierte.ch.

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Intime Aufnahmen aus dem Archiv

In der Schweiz mussten unter anderem die historischen Aufnahmen, die von der tibetischen Exilregierung zur Verfügung gestellt wurden, aufwendig digitalisiert werden. Dazu reiste der Generalsekretär des Dalai Lama mit vier Koffern voller alter, teilweise verschimmelter Filmrollen nach Zürich. Die Archivbilder verleihen dem Film eine zusätzliche Tiefe, sie zeigen den Dalai Lama als Kind oder im Kreis seiner Familie. Die ebenfalls dokumentierte Flucht, mit Mauleseln und kaum Gepäck durch die karge Landschaft des Himalaja, gehört zu den eindrücklichsten Momenten in «Wisdom of Happiness».

Geschafft: die Filmcrew aus Indien und der Schweiz mit dem Dalai Lama nach dem Interview.
Foto: Manuel Bauer

Für Barbara Miller steht ihr neuer Film in einer Linie mit ihren bisherigen Arbeiten. In «#Female Pleasure» setzte sie sich mit Fragen rund um weibliche Sexualität auseinander. «Mein Antrieb ist, die Welt ein wenig besser zu machen», sagt sie. Der Dalai Lama seinerseits sei bekannt für sein Engagement für Klimagerechtigkeit und Frieden. Er habe zudem Frauen gefördert, etwa indem er sich dafür einsetzte, dass sie in buddhistischen Klöstern in hohe Ämter aufsteigen können, so Miller.

Richard Gere hofft, dass der Film als Katalysator wirkt, «um sich selbst und die Welt auf eine andere Weise zu betrachten». Der Schauspieler kennt den Dalai Lama seit 40 Jahren und kam über dessen Generalsekretär zum Projekt. Gere knüpfte Kontakte nach Hollywood und arbeitete am Schnitt des Rohmaterials mit. «Was wir letztlich aus dem Film mitnehmen können, ist ein Gefühl der Verantwortung für uns selbst und für unsere Gemeinschaft», sagt er. «Dass es wirklich möglich ist, freundlich, grosszügig und mitfühlend zu sein.»

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