Bänz Friedli, Ihr neues Programm heisst «S isch kompliziert». Was denn zum Beispiel?
Bänz Friedli: Unser Alltag ist kompliziert: Will ich nachhaltig einkaufen, bin ich drei Stunden im Coop oder in der Migros, weil ich alles genau anschauen muss.
Aber dafür gibt es Bio-Labels, die Ihre Arbeit erleichtern.
Das ist eben nicht so einfach. Unter Umständen hat ein Bioapfel aus der Schweiz die schlechtere Ökobilanz als ein herkömmlicher aus Südafrika. Nachhaltig zu leben, ist ein Full-Time-Job.
Ist Ihre Arbeit auch kompliziert?
Durchaus. Es gibt ein paar Leute, über die man sich lustig machen kann; solche Personen müssen national bekannt sein. Zum Beispiel Andreas Glarner und Magdalena Martullo-Blocher. Aber dann trete ich in Domat/Ems auf, reisse meine Witze …
… und Sie bekommen Probleme?
Es kommen dann halt Zuschauer zu mir: «Aber wissen Sie, Frau Martullo ist eine soziale Arbeitgeberin und sorgt für die ganze Region.» Selbst Linke sagen das, und ich denke mir: «Okay, es ist ein bisschen komplizierter.»
War das früher einfacher?
Für mich schon. Als ich mit 20 jüngster Schweizer Exekutiv-Politiker für eine grüne Bürgerinitiative in Wohlen bei Bern war, musste ich die Welt in Schwarz und Weiss einteilen. Ich hatte einen Gemeinderat gegen mich, der mich meist mit acht Gegenstimmen bodigte, musste meine Position also radikal vertreten und durfte nicht noch zweifeln.
Bänz Friedli kommt 1965 in Bern zur Welt und wächst als jüngstes Kind einer Lehrerfamilie in Wohlen BE auf. Von 1983 bis 2005 spricht und schreibt er über Sport und Populärkultur u. a. für das Berner Privatradio Förderband und das Schweizer Nachrichtenmagazin «Facts». Eine grosse Leserschaft erreicht Friedli ab 2000 mit seiner Kolumne «Pendlerregel» für die Gratiszeitung «20 Minuten», ab 2005 mit «Der Hausmann» für das «Migros-Magazin». 2011 tritt er mit seinem ersten Bühnenprogramm «Sy no Frage?» auf und erhält 2015 den Salzburger Stier, den bedeutendsten deutschsprachigen Kleinkunstpreis. «S isch kompliziert» ist Bänz Friedlis fünftes Soloprogramm. Er lebt mit seiner Frau und den beiden erwachsenen Kindern in Zürich.
Bänz Friedli kommt 1965 in Bern zur Welt und wächst als jüngstes Kind einer Lehrerfamilie in Wohlen BE auf. Von 1983 bis 2005 spricht und schreibt er über Sport und Populärkultur u. a. für das Berner Privatradio Förderband und das Schweizer Nachrichtenmagazin «Facts». Eine grosse Leserschaft erreicht Friedli ab 2000 mit seiner Kolumne «Pendlerregel» für die Gratiszeitung «20 Minuten», ab 2005 mit «Der Hausmann» für das «Migros-Magazin». 2011 tritt er mit seinem ersten Bühnenprogramm «Sy no Frage?» auf und erhält 2015 den Salzburger Stier, den bedeutendsten deutschsprachigen Kleinkunstpreis. «S isch kompliziert» ist Bänz Friedlis fünftes Soloprogramm. Er lebt mit seiner Frau und den beiden erwachsenen Kindern in Zürich.
Zweifeln Sie heute?
Ich höre einfach die Zwischentöne. Rede ich nach einem Auftritt im St. Galler Rheintal mit einem Unternehmer, der die zwölf Arbeitsstellen seiner Firma retten will, merke ich: Hoppla, der hat eine komplett andere Meinung zur Steuerreform. Und ich kann sie nachvollziehen, denn ich leide an einer gewissen Überempathie.
Ihr Programm heisst im Untertitel «Bänz Friedli schafft Unordnung». Sorgt eine differenzierte Sicht für Unordnung?
Vermutlich ja. Früher hatte ich Freude, wenn ich die Menschen mit einem Aha-Erlebnis nach Hause schicken konnte – im Programm «Gömmer Starbucks?» wollte ich den Leuten eine Botschaft mitgeben und die Jugend erklären.
Und jetzt?
Will ich eher sagen: «Hey, es ist okay so, wie es ist. Habt eure Zweifel! Ich kann die Welt nicht erklären und euch dann in die Nacht entlassen.» Banal gesagt: Noch nie stand ich so sehr als ich selbst auf der Bühne. Und das ist nicht nur lustig.
Aber müssten Sie nicht gerade heute eine klare und dadurch vielleicht vereinfachende Haltung einnehmen?
Wir Satirikerinnen und Satiriker, ihr Medienleute und die Politiker müssen vereinfachen – es ist unser Grundjob. Mag ich nun nicht mehr zuspitzen, dann kille ich eigentlich mein eigenes Metier.
Eben!
Aber soll ich mich denn auch noch lauthals rechthaberisch auf eine Seite schlagen? Eine Impfpflicht fordern? Journalisten wollten, dass ich den Anti-Marco-Rima gebe. Doch ich mag mich nicht zu einer öffentlichen Haltung nötigen lassen.
Aber Sie sind eine öffentliche Figur, deren Meinung interessiert!
Ganz zu Beginn der Pandemie liess ich mich mit Schutzmaske in eine ÖV-Kampagne einbinden. Ich sagte auf dem Plakat nur, ich fahre lieber mit Maske S-Bahn, als ohne im Stau zu stehen.
Und?
Die E-Mails, die ich darauf morgens um vier Uhr von gefakten Accounts bekam, will niemand lesen. Ich werde mich nicht in dieses Thema verrennen. Natürlich wünschte ich, wir hätten eine höhere Impfquote, und ich könnte wie andere meinen Job wieder ungehindert ausüben. Dennoch ist es für mich wie mit der Religion: Lasst es mir privat, dann lasse ich es euch auch privat.
Wollen Sie also keine Stellung beziehen?
Ach, es ist kompliziert. Impfgegner pochen auf ihre «Freiheit» und vergessen die Gesellschaft. Rasen auf Quartierstrassen ist verboten, es gefährdet Leben. Nicht impfen gefährdet auch Leben und beeinträchtigt das Leben anderer, also bin ich fürs Impfen.
Ich höre ein Aber.
Doch das Gespräch darf nicht abbrechen: Ich respektiere die Haltung meiner ungeimpften Shiatsu-Therapeutin, sie respektiert meine. Was mir sauer aufstösst: wie viele derzeit die «absolute Wahrheit» pachten. Kurt Tucholsky sagte mal: «Ich glaube jedem, der die Wahrheit sucht. Ich glaube keinem, der sie gefunden hat.»
Trotzdem sehnen sich die Menschen nach einem klaren, einfachen Leben. Weshalb eigentlich?
Das ist die Grundfrage meines neuen Programms. Ich verstehe, dass viele es gern einfacher hätten, aber es ist nun mal so, dass wir vor jedem Gemüseregal mit Konflikten ringen müssen.
Machen Sie es sich nicht zu kompliziert?
Nein. Machen wir es uns nicht zu einfach! Man kann nicht in einen Tesla sitzen und meinen, damit den Planeten zu retten.
Sie touren stattdessen ab Januar mit dem ÖV durch die Schweiz und suchen den Dialog mit dem Publikum. Lassen Sie tatsächlich Gespräche zu?
Dass Zuschauer «dreinheepen» ist recht selten.
Weil im Publikum eh nur Leute sitzen, die Ihre Meinung teilen?
Kleinkunst findet in einer Bubble statt, ja. Aus der trete ich aber gerne heraus: In den Löwen-Saal von Schangnau im Emmental etwa kommt das ganze Dorf – da ist man ganz anders gefordert.
Wie denn?
Auf dem Land kennen sie die Spielregeln eines Kabarett-Abends nicht. Sie lachen an anderen Stellen, sind auf eine Art kritischer, hören mir aber zu, weil sie mich einen «glatten Cheib» finden. Da gelingt mir vielleicht eine Verbindung, weil ich selber vom Land bin.
Und bei Auftritten in der Stadt?
Das städtische Publikum hat es schampar gern, wenn ich über Ueli Maurer herziehe. Da mache ich mich dann grad extra über Frau Sommaruga lustig, um die Zuschauenden zu «chutzele».
Gibt es also diesen Stadt-Land-Graben?
Schon Jahre vor dieser Stadt-Land-Diskussion sagte ich meinen Zürcher Freunden: «Hey, Leute, es ist im Fall ein bisschen komplizierter.» Manchen täte ein Ausflug aufs Land gut. Ich will das Land nicht verherrlichen, es gibt «Muggigringe» und «stuuri Sieche», aber ich habe dort gelernt, eine Sache zu Boden zu reden. Wenn man nicht zu Gleichgesinnten predigt, wird es interessanter.
Es ist also komplizierter und zugleich spannender. Ist denn das Einfache bloss simpel?
Danke, Sie sagen es! Eine einfache Sicht auf die Dinge ist nicht differenziert. Das Fehlen von Zwischentönen trieb mich schon um, bevor diese Polarisierung stattgefunden hat.
Kompliziert leitet sich ja vom Lateinischen complicare ab, was so viel wie zusammenfalten heisst. Ermöglicht uns demzufolge eine komplizierte Welt mehr Entfaltungsmöglichkeiten?
Schön gesagt! Es gibt auf alle Fälle mehr her, wenn man ein Problem in seiner Komplexität betrachtet, entfaltet und zu verstehen sucht.
Apropos Entfaltung: Auf dem Flyer zum neuen Programm sieht man Sie vor Spiegeln mehrfach wiedergegeben. Das erinnert an Mani Matters «Bim Coiffeur», in dem sein «Chopf gwüss hundertfach vo hinden und vo vor isch ufgreiht gsy».
Lustig, ich dachte nicht daran. Aber als ich das Foto online gestellt hatte, bezogen sich die ersten drei Kommentare genau darauf. Ich schrieb zurück: «Hoffentlich kommt ihr nun nicht mit einem metaphysischen Grusle ins Theatergstüehl.»
Ihr neues Programm startet im Matter-Jahr 2022 – der Todestag des grossen Berner Troubadours jährt sich zum 50. Mal. Ist Ihr Programm eine Ehrerbietung?
Im letzten Programm nahm ich meinen grössten Gott in den Titel: «Was würde Elvis sagen?» Da mir zu jeder Situation Züri-West- und Matter-Zitate einfallen, hätte es auch «Was würden Kuno und Mani sagen?» heissen können. Aber ich will nicht mit Matters Namen hausieren.
Ist Matter für Sie als Berner ein Heiliger?
Meine früheste Prägung! Als Vierjähriger hörte ich ihn zum ersten Mal. «I han en Uhr erfunde» war meine erste Platte. Sieht aus wie eine Single, läuft aber auf 33 Touren. Mit acht Chansons, unter anderen «Bim Coiffeur».
Wo lebt Mani Matter heute weiter?
Ein Matter-Lied kann ich noch nach 50 Jahren entfalten, es tritt immer wieder eine neue Ebene hervor. Die Songs sind nicht doppel-, sondern 17- bis 23-bödig. Eine Wahnsinnsqualität! Auch ich habe mir nun vorgenommen, nicht alles zu sagen und das Weiterdenken dem Publikum zu überlassen.
Nehmen Sie im neuen Programm Bezug auf Matter?
Nicht direkt, aber ich habe Mani Matter als Programmpunkt in mein Arosa Mundartfestival Anfang Oktober 2022 aufgenommen.
Darf man schon wissen, wie?
Dort wird ein Bieler Jazztrio um den Gitarristen Roman Nowka auftreten, die spielen Matter instrumental.
Aber Matter lebt doch vom Text!
Wenn man nur die Musik hört, fällt man aus allen Wolken: Das sind Ohrwürmer, man kennt jeden Song vom ersten Ton an. Es ist eine totale Aufwertung Matters als Musiker. Und in den Konzertpausen tragen dann Slam-Poetinnen und -Poeten die Texte vor.
Bänz Friedli tourt 2022 mit seinem neuen Programm «S isch kompliziert» durch die Schweiz, Premiere am 19. Januar im Kleintheater, Luzern; weitere Daten und Orte auf www.baenzfriedli.ch