Expertin zur Fehlgeburt von Meghan
«Wir klammern den Tod gerne aus»

Eine Expertin erklärt, was eine Fehlgeburt für Betroffene wie Herzogin Meghan so traumatisch macht und warum ihr Gang an die Öffentlichkeit derart wichtig ist.
Publiziert: 26.11.2020 um 10:23 Uhr
1/7
Der Verlust eines Kindes in der Schwangerschaft bedeutet für Betroffene wie Herzogin Meghan eine grosse psychische Belastung.
Foto: AFP via Getty Images
Interview: Patricia Broder

Der Verlust eines Kindes in der Schwangerschaft bedeutet für Betroffene eine grosse psychische Belastung. Wie man mit dieser Belastung richtig umgeht, erklärt Anna Margareta Neff Seitz (52), Leiterin Fachstelle Kindsverlust.ch.

BLICK: Was macht eine Fehlgeburt so traumatisch?
Anna Margareta Neff Seitz: In der heutigen Zeit gehört ein fehlgeborenes Kind nicht mehr selbstverständlich zum Leben einer Frau dazu. Ultraschalluntersuchungen werden häufig schon früh in der Schwangerschaft gemacht, was ein vermeintliches Sicherheitsgefühl gibt. Viele Frauen wissen deshalb gar nicht, dass es bei 20 bis 30 Prozent aller Schwangerschaften zu einer Fehlgeburt kommen kann. Pro Jahr erleben über 20’000 Frauen in der Schweiz eine Fehlgeburt. Deshalb sitzt der Schock bei vielen Frauen tief. Sie rechnen schlicht nicht damit, ihr ungeborenes Kind zu verlieren. Hinzu kommen Gefühle wie Wut, Selbstvorwürfe und natürlich Trauer um das verlorene Kind. Für viele ist es auch sehr schlimm, dass das Umfeld nicht weiss, wie es mit dem Thema umgehen soll.

Warum werden Fehlgeburten in unserer Gesellschaft immer noch stark tabuisiert?
Wir reden nicht gerne über den Tod. Wir klammern ihn gerne aus. Wenn ein Kind oder ein ungeborenes Kind stirbt, ist es noch viel schlimmer als bei einer erwachsenen Person. Ich merke das auch, wenn ich mit Betroffenen rede. Sie wissen meist nicht, wie sie über diesen Verlust sprechen sollen. Hinzu kommt, dass der weibliche Körper allgemein gerne tabuisiert wird, das sehen wir auch schon bei der Regelblutung. Wenn wir nur schon unter Frauen mehr auch über solche Themen sprechen würden, würde das enorm helfen, diese Tabus allmählich abzubauen.

Inwiefern hilft Meghans Schritt an die Öffentlichkeit, dieses Tabu zu brechen?
Er hilft enorm! Ich habe mich sehr gefreut, als ich gelesen habe, dass Meghan so offen über ihre Fehlgeburt spricht. Sie bricht damit nicht nur das Tabu, sondern zeigt auch auf, dass es allen Frauen passieren kann. Es ist toll, dass sie auch darüber spricht, wie ihr Mann Harry sie begleitet hat und wie sie beide tief traurig waren. Das kann Paaren auf der ganzen Welt helfen, eine solche Erfahrung ebenfalls besser zu verarbeiten.

Was raten Sie betroffenen Frauen und Eltern?
Am besten sollte jede Frau sich bereits während der Schwangerschaft vor Augen führen, dass die Möglichkeit besteht, das Kind zu verlieren. Ganz wichtig ist es auch, sich als Betroffene nicht zu verurteilen und zu glauben, man habe versagt. Stattdessen soll man versuchen, anzunehmen, dass dieses verstorbene Kind ein Teil des eigenen Lebens ist und bleiben wird. Und man sollte unbedingt das Tabu brechen und darüber sprechen. Ich empfehle zudem Betroffenen, sich professionelle Hilfe zu suchen.


Fehler gefunden? Jetzt melden
Was sagst du dazu?