Jahrelang hat die Zürcherin Rita Nicole Tejada (39) als Rita Roof die Songs von Lo (34) & Leduc (32), Dodo (43) oder Steff la Cheffe (33) veredelt. Nun tritt sie selber ins Rampenlicht und veröffentlicht ihr Debüt «Stimm i mir» – und das in einer schwierigen Zeit. «Manchmal frage ich mich schon, warum das Schicksal es so eingefädelt hat, dass Album und Pandemie gleichzeitig kommen. Vielleicht gibt es aber gar keinen perfekten Zeitpunkt.»
Dass Roof diesen Schritt erst jetzt wagt, hat auch mit ihrem Leben als alleinerziehende Mutter eines 14-jährigen Sohnes zu tun. «Kleine Kinder brauchen dich rund um die Uhr, sind dauernd krank, dauernd musst du Dinge absagen. Als Frontfrau wäre dieser Spagat unmöglich gewesen.»
«Diese bedingungslose Liebe ist magisch»
Sie bereut jedoch keine Sekunde dieser Zeit: «Es ist das Schönste im Leben, ein Kind zu haben. Die bedingungslose Liebe ist magisch. Ich habe meinen Sohn häufig als meinen Lehrer gesehen, mit seiner Freude an den kleinsten Dingen. Zu sehen, mit welcher Leichtigkeit ein Kind durch die Welt geht, ist eine unerschöpfliche Inspirationsquelle.»
Den Track «Abe an Fluss» bezeichnet sie als eine «Entschuldigung an meinen Sohn». «Meine Eltern trennten sich, und meine Mutter heiratete einen Schweizer, deshalb kamen wir von Guatemala in die USA und dann hierher. Ich fand das sehr schwierig und schwor mir, das meinen Kindern niemals anzutun. Nun entschuldige ich mich dafür, dass ich das Versprechen eines intakten Familienlebens nicht halten konnte.»
«Ich wurde zur Anpassungskünstlerin»
Roof empfand sich lange überall als Ausländerin, in Guatemala, in den USA und in Zürich. «Ich wurde zur Anpassungskünstlerin. Mittlerweile fühle ich mich aber in der Schweiz am meisten zu Hause, weil ich am längsten hier bin.» Was sie an den Schweizern immer noch gewöhnungsbedürftig findet, ist ihre Verschlossenheit. Und die Lautstärke beim Sprechen. «Leise zu reden, musste ich zuerst lernen. Am Anfang haben sich im Tram alle nach mir umgedreht», erzählt sie und lacht schallend.
Seit 20 Jahren ist Roof Berufsmusikerin. «Der Anfang war hart, weil ich keine weiblichen Vorbilder hatte. Es fiel mir auch auf, dass Männer, die ähnlich viel drauf hatten wie Frauen, rascher weiterkamen. Das war frustrierend, und ich hatte Mühe damit, weil ich es nicht verstehen konnte. Wir Frauen müssen uns in diesem Land und in der Musikbranche den Arsch zehnmal mehr aufreissen, damit wir gehört werden.»
Die jüngere Generation sei schon etwas weiter, aber es müsse immer noch eine Menge passieren. «Ich hoffe, dass Frauen einander in Zukunft noch intensiver unterstützen.»