Das Studio U3 ist legendär. Hier trifft Blick Kuno Lauener und Küse Fehlmann zum Gespräch. In einem Kellergeschoss, fünf Minuten vom Bahnhof Bern – wo entstand, was Züri West zur grössten, aktiven Rockband der Schweiz gemacht hat: Hits wie «I schänke dr mis Härz», «Fingt Ds Glück Eim?», über zehn Studio-Alben. Morgen erscheint mit «Loch dür Zyt» Nummer 14. Es ist vielleicht ihr letztes.
Blick: Alle reden über Züri West.
Kuno Lauener: Ehrlich?
Als letzte Woche überraschend die Single «Loch dür Zyt» herauskam, gingen so etwas wie Schockwellen durchs Musikland Schweiz. Bekommen Sie das nicht mit?
Lauener: Doch schon. Wir haben es geschafft, das Album lange unter dem Deckel zu behalten. Als dann die Single am Radio kam, hat es Posts auf Social Media gehäscheret und solche Sachen. Schon geil, irgendwie.
Aber?
Küse Fehlmann: Das jetzt ist wie ein Startschuss – nur gehts nicht richtig los.
Lauener: Wir wissen schon lange, dass wir mit diesem Album nicht auf Tour gehen werden. Normalerweise bereitest du dich nach der Veröffentlichung des ersten Songs auf die Shows vor. Wegen meiner blöden Krankheit können wir das nicht mehr.
Kuno Lauener, im März 2021 haben Sie öffentlich gemacht, dass Sie an Multipler Sklerose erkrankt sind. Wie geht es Ihnen heute?
Lauener: Im Moment geht es mir ok. Aber ich merke, es wird nicht besser, eher das Gegenteil.
Im neuen Album geht es sehr viel um Vergänglichkeit.
Lauener: Ja, in meinem Fall geht es auch um die Vergänglichkeit von Möglichkeiten. Ich vergesse wegen dieser Krankheit einfach viel. Ich weiss am Morgen nie genau, was mich erwartet. Es gibt keine Konstanz mehr. Ich frage mich manchmal: Wer war ich gestern, wer bin ich heute? Das ist sehr anstrengend. Deshalb bin ich selber erstaunt, wenn ich diese Scheibe höre, wie sie flutscht. Ich hatte Angst, dass es anders wird.
Auf dem Album gibt es einen Song, der auf einem Gedicht von Franz Hohler basiert. Darin heisst es: «Blätter gheie / U irgendwenn wird ’s stiu / u när isch vrbii/ dass stärbe so luschtig cha sii». Das ist himmeltraurig und doch nicht düster. So wie das ganze Album.
Lauener: Hab ich mir nicht überlegt, aber ja. Das ist wohl so.
Fehlmann: Das Album ist voller Melancholie, aber es ist nicht hoffnungslos. Das passt. Kuno ist ein Kämpfer.
Kuno Lauener (rechts, 62) ist Frontmann und Texter von Züri West. Mit der Band prägt er seit bald 40 Jahren die Schweizer Musikszene. Er hat zwei Kinder und lebt in Bern-Bümpliz.
Küse Fehlmann (60) ist mit Lauener das letzte noch in der Band verbliebene Gründungsmitglied von Züri West. Er prägt die Band als Gitarrist und Songschreiber stark mit. Fehlmann unterrichtet an Hochschule der Künste Bern. Er lebt mit seiner Partnerin in Bern.
Kuno Lauener (rechts, 62) ist Frontmann und Texter von Züri West. Mit der Band prägt er seit bald 40 Jahren die Schweizer Musikszene. Er hat zwei Kinder und lebt in Bern-Bümpliz.
Küse Fehlmann (60) ist mit Lauener das letzte noch in der Band verbliebene Gründungsmitglied von Züri West. Er prägt die Band als Gitarrist und Songschreiber stark mit. Fehlmann unterrichtet an Hochschule der Künste Bern. Er lebt mit seiner Partnerin in Bern.
Wann standen Sie zum ersten Mal gemeinsam auf einer Bühne?
Fehlmann: Das war wohl eine Silvesterparty 1983 im Sternen Worb. Wir formierten uns für diesen Abend und spielten Covers.
Lauener: War das da, wo Sämu hinter den Lametta-Vorhang fiel?
Fehlmann: (lacht) Ich glaub, das war erst später. Item. Ab da gings schnell: im Februar 1984 haben wir Züri West gegründet.
Was wollte Züri West damals sein?
Lauener: Schneller, härter, lauter! Die Berner Szene bestand damals aus Hippie-Bands. Rumpelstilz und Polo Hofer und so weiter. Wir haben die gemocht, aber wir wollten direkter, respektloser sein.
Fehlmann: Wir waren von der damaligen Zeit beeinflusst: 1982 ging in Zürich die Jugend für ein eigenes Kulturzentrum auf die Strasse. Auch hier in Bern wurden Häuser besetzt und Freiräume gefordert. Es war viel Druck im Kessel.
In einem Interview haben Sie mal gesagt, viele Vorgruppen von Züri West seien bessere Bands gewesen. Und trotzdem sind sie die prägendste Schweizer Rockband der letzten Jahrzehnte. Wieso wurde Züri West, was Züri West ist?
Lauener: Die Frage ist nicht so schlecht (denkt nach).
Fehlmann: Für mich gibt es zwei entscheidende Komponenten. Die erste ist ganz klar Kuno als Figur, als Texter, als Frontmann.
Lauener: Da bin ich offenbar der einzige, der es nicht gemerkt hat.
Fehlmann: Man hat es dir aber oft genug gesagt. Fakt ist, ohne Kuno hätte es Züri West so nicht gegeben. Die zweite Komponente ist: Wir sind keine Supermusiker. Diese Band lebte musikalisch nie von herausragenden Einzelnen, sondern davon, dass wir zusammen einen Sound erarbeitet haben. Und der ist offenbar ganz ok.
Wie ist das für eine Band, wenn einer in der Öffentlichkeit so im Vordergrund steht?
Lauener: Das wirkt nur von aussen so. In der Band galt immer: Wir alle zusammen gegen den Rest. Aber natürlich hab ich irgendwann gemerkt, dass die Journalisten und die Fans nach dem Konzert vor allem zu mir kommen. Das hatte ich schon auch irgendwie gern.
Fehlmann: Kuno war nie der Frontmann, der alles diktiert und bestimmt. Kuno hat viele gute Ideen. Eine Band kann nur profitieren von einem Frontmann…
Lauener: … der nicht singen kann (lacht).
Fehlmann: Dafür hast du schöne Schuhe.
Ein grosses Thema in Ihren Songs war immer die Liebe. Auf dem neuen Album gibt es das Lied «Blueme, Tier & Vögu», in dem Sie, Kuno Lauener, Ihre schlafende Liebste beschreiben. Wie kam es zu dem Song?
Lauener: (schweigt) Das ist ein Lied für meine Freundin. Viel mehr kann und will ich dazu nicht sagen.
Jitz drääisch di chli uf d’ Site/ u jitz gseht me eis vo dine Ouge / u öppe d’ Häufti vom ne Muu / u fasch die ganzi Nase o/ aber dr Räschte gseht me nid /dä blibt im Liintuech verborge / paar fiini Linie mit em Pinsu / Rokoko oder so
Lauener: Ist nicht schlecht, oder? (schmunzelt)
Vor Züri West war Mundart ausserhalb von Bern Nische. Heute ist es Standard. Wieviel Züri West steckt in der heutigen Mundart-Musik?
Fehlmann: Da müsste man wohl eher die Jungen fragen. Aber dass Kuno Spuren hinterlassen hat, ist für mich klar. Er formuliert präzise, ist aber doch auch sehr poetisch. Find ich geil. Ich bin stolz, in dieser Band zu sein.
Lauener: Ich bin auch stolz, in dieser Band zu sein.
Ihr habt immer unabhängig und ohne internationale Plattenfirma gearbeitet. Wie geht es den Schweizer Musikschaffenden heute?
Fehlmann: Man spricht unter den Schweizer Bands nicht so übers Geld. Aber wer heute nicht viele Konzerte spielt, hat es schwierig. Ausser, du schaffst es über die Sprachgrenze hinaus. Das gelingt ja mittlerweile auch ein paar Schweizern. Wie zum Beispiel Priya Ragu. Das ist eine Schweizerin, die ihren Weg geht. Du musst einfach ein viel grösseres Publikum erreichen, sonst kannst du nicht davon leben.
Züri West ist nun auch auf den Streamingplattformen. Was verdienen Sie damit?
Fehlmann: Es ist kein Geschäft.
Lauener: Es ist eine Katastrophe.
Schauen Sie derzeit oft zurück?
Lauener: Es geht so. Wir sind eigentlich immer noch nach vorne orientiert.
Fehlmann: Aber im Zusammenhang mit dieser Platte haben wir uns schon immer mal wieder überlegt, dass das vielleicht die letzte ist. Wir wissen nicht, wie sich Kunos Krankheit entwickelt. Wir verdienen auch nicht mehr gleich viel Geld damit. Wir sind an einem anderen Punkt als früher. Früher gings immer nur vorwärts.
Lauener: Früher wollten wir nach einer Tour nicht in die Ferien. Es war das Geilste. Alles war Sturm und Drang.
Und heute singen Sie: «I ha ke Ahnig wie ’s jitz witer geit/ öb öpper e Plan het – e konkrete».
Lauener: Ja, der Song richtet sich an mich. Wer bin ich noch? Aber im Moment bin ich noch. Von dem her: suberi Büez!
Ist das nun Ihr letztes Album?
Fehlmann: Jetzt gibts einfach mal dieses hier.
Lauener: Ich habe Phasen, da finde ich alles super. Und dann solche, wo ich mich frage, wie ich heisse. Von dem her, mal schauen, was es noch gibt. Zettel mit Textfragmenten hat es jedenfalls noch viele in meinem Büröli.
Das Album «Loch dür Zyt» von Züri West ist ab dem 8. Dezember im Handel erhältlich.
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