Netflix ist aus Hollywood nicht mehr wegzudenken. Der Streaming-Riese steckt Jahr für Jahr Millionen von Dollar in seine Eigenproduktionen und hat dazu Kino-Giganten wie Martin Scorsese (77) oder Guillermo del Toro (55) ins Boot geholt. Doch eines fehlt dem Studio noch, um endgültig in den Hollywood-Olymp aufzusteigen: Ein Oscar in der Königskategorie «Bester Film». Mit «The Irishman» und «Roma» war Netflix nah dran, gereicht hat es schlussendlich nicht. In diesem Jahr dürfte das Streaming-Portal nun auf «The Trial of the Chicago 7» setzen.
Das Polit-Drama von Regisseur Aaron Sorkin (51, «Molly's Game») basiert auf einem echten Gerichtsfall aus dem Jahr 1969. Nach einer eskalierten Bürgerrechtsdemonstration in Chicago im August 1968 wurden acht Männer verhaftet und angeklagt. Die acht US-Amerikaner sollen die Aufstände und Gewalt gegen die Polizei von langer Hand geplant und dafür sogar Staatsgrenzen überschritten haben – ein schweres Verbrechen in den USA. Obwohl die Vorwürfe an den Haaren herbei gezogen scheinen, will der Richter die Truppe von Anfang an hinter Gitter sehen – komme was wolle.
Bizarre Szenen im Gerichtssaal
Das Meiste an «The Trial of the Chicago 7» ist unglaublich – aber wahr. Die Angeklagten machten den Gerichtssaal tatsächlich zur Showbühne, Richter Julius Hoffman (Frank Langella, 82) reagierte darauf wirklich damit, dass er mit Missachtungsklagen nur so um sich warf.
Vier Jahre Gefängnis hätte etwa Anwalt William Kunstler (Mark Rylance, 60) aufgebrummt bekommen, wäre die Strafe nicht aufgehoben worden. Und ja, der schwarze Bürgerrechtler Bobby Seale (Yahya Abdul-Mateen II, 34) wurde in einem dunklen Kapitel der US-amerikanischen Geschichte tatsächlich im Gerichtssaal gefesselt und geknebelt.
Zusätzlicher Kitsch wäre nicht nötig gewesen
Bei solch einer wahnwitzigen Vorlage verwundert es etwas, dass Regisseur Sorkin es doch für nötig hielt, Dinge dazuzudichten. Besonders am Ende von «The Trial of the Chicago 7» verliert sich der Film zunehmend in Drama-Klischees, die es so nie gegeben hat. Diesen zusätzlichen Kitsch hätte die wahre Geschichte gar nicht nötig gehabt.
«The Trial of the Chicago 7» ist dennoch eine gut gemachte, unterhaltsame Geschichtslektion, deren Themen in Zeiten von «Black Lives Matter» und Klimastreiks brandaktuell sind. Der Film setzt auf Humor statt auf Schwermut, was frischen Wind in das Genre der Gerichtsdramen bringt. Die tollen Performances der Stars – allen voran «Borat»-Schauspieler Sacha Baron Cohen (48) – runden das Paket ab.
Ob Netflix an den Oscar tatsächlich endlich die Trophäe für den «Besten Film» nach Hause nehmen kann, wird sich im April 2021 zeigen. Die Chance darauf besteht dank «The Trial of the Chicago 7» aber einmal mehr.
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